E-Autos aus Deutschland überzeugen nicht, behauptet die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer. Stimmt das? Die Zahlen zeigen etwas anderes. Ein Faktencheck.
Der Sachverständigenrat Wirtschaft (vulgo: die Wirtschaftsweisen) ist ein wichtiger Stimmungsmacher. Die drei Professorinnen und zwei Professoren beraten die Bundesregierung, ihre Analysen prägen das Meinungsbild der Deutschen. Nun hat die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer, Ökonomin aus München, in der "Süddeutschen Zeitung" behauptet, deutsche Autos (sie meint vor allem E-Autos) überzeugten nicht mehr und könnten sich kaum gegen chinesische behaupten. So bleibe VW "auf seinen Autos sitzen, weil die zu teuer und nicht attraktiv genug" seien.
Stimmt das? Ein objektiver Blick auf die Zahlen.
1. Deutsche kaufen vor allem deutsche E-Autos
Schaut man auf die Zulassungsstatistik des Kraftfahrtbundesamts, wählten deutsche E-Auto-Käufer von Januar bis Oktober 2024 zu rund 69 Prozent Modelle von deutschen Herstellern und ihren Töchterfirmen. Vom Abwärtstrend bei den Verkaufszahlen sind vor allem ausländische Anbieter betroffen, VW oder Mercedes legten im Oktober sogar kräftig zu. Auf Platz eins der beliebtesten Stromer stand nicht etwa Tesla oder ein chinesischer Anbieter, sondern der Škoda Enyaq aus dem VW-Konzern. Verbrenner eingerechnet, kauften die Deutschen im Oktober zu 64 Prozent Autos deutscher Hersteller und ihrer Tochtermarken. Die Top Ten, angeführt vom VW Golf, sind ausschließlich deutsche Marken (Opel inbegriffen).
2. Auch in Europa sind deutsche E-Autos sehr beliebt
Unter den 20 meistverkauften E-Autos in Europa (Zeitraum Januar bis September 2024) befanden sich zehn Modelle aus deutschen Konzernen. Noch liegen Teslas Model Y und Model 3 vorn, vor allem, weil Tesla-Chef Elon Musk mit aggressiven Kampfpreisen agiert hat. In der Liste taucht nur ein einziger Chinese auf, der MG4. Auch der wurde durch von Peking gestützte Niedrigpreise vor allem über kleine Leasing-Raten in den Markt gedrückt. (Volvo hat mit Geely zwar auch einen chinesischen Eigner, gilt aber weiter als eigenständiger Konzern.)
3. Die Preise von deutschen E-Autos purzeln
Auch bei deutschen Modellen sinken die Listen- wie auch die Transaktionspreise, also die, die ein Kunde am Ende wirklich bezahlt. BMW gewährt teils 24 Prozent Rabatt. VW hat den Einstiegspreis für den ID.3 auf unter 30.000 Euro gesenkt, für andere Modelle gibt es einen Dauerrabatt von 3570 Euro. Opel hat seinen beliebten SUV Mokka fast 8000 Euro billiger gemacht, den elektrische Corsa um fast 5000 Euro, ihn gibt es nun auch für unter 30.000 Euro. Der Trend wird im kommenden Jahr zunehmen, weil die Hersteller mehr E-Autos verkaufen müssen, um die strengen CO2-Flottengrenzwerte der EU einzuhalten. Zugleich könnten sich chinesische Produkte wegen der neuen Zölle verteuern.
4. Die Qualität der deutschen E-Autos ist top
Der ADAC führt seit Jahren Vergleichstests mit E-Autos aus aller Welt durch. Hier zeigt sich, dass deutsche Fabrikate fast überall ganz oben mitspielen oder gar führen. Bei Kleinstwagen dominieren Fiat und Renault – weil deutschen Hersteller diese Kategorie noch gar nicht bedienen. Bei Kleinwagen liegt Opel auf Augenhöhe mit den Südkoreanern Hyundai und Kia. Je größer die Stromer, desto besser die Deutschen. In der Mittelklasse führt der Škoda Enyaq aus dem VW-Konzern mit der Note 1,6 deutlich vor den vielfach gefeierten Anbietern Polestar, Nio, Kia oder Genesis. In der oberen Mittelklasse hat der VW ID.7 Pro mit einer 1,5 die beste jemals erreichte Bewertung erzielt. Die Oberklasse wird qualitativ von Porsche, Mercedes und BMW dominiert.
08: Tesla rutscht in Deutschland auf Platz 3 bei Stromern - d8e6b0eee2438cb9
5. Die Software in deutschen Stromern wird immer besser
Lange galt Tesla bei der Software für Antrieb, Navigation und Multimedia als Maß aller Dinge. Doch die Zeiten haben sich geändert. Mercedes und BMW haben enorme Fortschritte gemacht, und auch VW fährt – nach quälenden Anfangsproblemen – exzellente Testergebnisse ein. Vor allem die Assistenzsysteme funktionieren zuverlässig, da sind die Wolfsburger inzwischen fast allen Asiaten voraus. Den größten Nachholbedarf gibt es für die Deutschen, ja für alle nicht-chinesischen Hersteller, in China, dem wichtigsten Absatzmarkt der Welt. Die Chinesen lieben, im Gegensatz zum Rest der Welt, "intelligente" Systeme. Viele Bildschirme, viel Multimedia, maximale Smartphone-Integration, autonomes Fahren – all das steht hoch im Kurs. Und es geht weiter. Auf Messen sind Prototypen zu sehen, die sich selbst aus dem Schnee schütteln können oder bei Bedarf in ein Wohnzimmer verwandeln.
Fazit: Die Behauptung, deutsche E-Autos seien unattraktiv, lässt sich nicht durch objektive Zahlen untermauern. Im Gegenteil, im Trend wächst die Nachfrage nach ihnen. Es wäre angemessen, sie nicht unnötig schlecht zu reden – selbst wenn man als "Wirtschaftsweise" firmiert.