14 hours ago

Außenministerin: So kritisch sieht die Presse Baerbocks Wechsel zur UN



Außenministerin Annalena Baerbock zieht es zu den Vereinten Nationen nach New York. Ein Schritt, der aus verschiedenen Gründen kritisiert wird – auch von der deutschen Presse.

Noch ist Annalena Baerbock Außenministerin, bis die neue Regierung steht. Was sie danach machen wird, ist jetzt auch klar: Die Grünen-Politikerin soll den Vorsitz der UN-Generalversammlung in New York übernehmen.

Der Wechsel sorgt aus verschiedenen Gründen für Kritik. Einerseits verdrängt Baerbock damit die erfahrene Diplomatin Helga Schmid, die eigentlich für diesen Posten vorgesehen war. Andererseits hatte sie kürzlich noch verkündet, wegen ihrer Familie politisch kürzertreten zu wollen. Außerdem wird der Außenministerin "Selbstversorgung" vorgeworfen.

Auch die deutsche Presse sieht in großen Teilen die Umstände von Baerbocks nächstem Karriereschritt kritisch. Gleichzeitig bekommt die Grüne auch Unterstützung.

So kommentiert die Presse die Pläne von Annalena Baerbock

"Frankfurter Allgemeine Zeitung": "Eine langjährige, erfahrene Diplomatin sollte Präsidentin der UN-Vollversammlung werden – und wird nun zumindest für die Öffentlichkeit ohne fachliche Begründung zurückgezogen. Daran stoßen sich Kritiker zu Recht. Die Frage nach der Vereinbarkeit dieser Entscheidung mit feministischer Außenpolitik allerdings ist unnötig: Frauen sind genauso zum Einsatz ihrer Ellbogen fähig wie Männer."

"Süddeutsche Zeitung": "Dieser Wechsel wirft kein gutes Licht auf Baerbock. Diplomatisch nicht – und politisch schon gar nicht. Kurzerhand hat Baerbock die ursprüngliche deutsche Kandidatin für den auf ein Jahr terminierten Posten der Präsidentin der UN-Generalversammlung zur Seite geschoben. (...) Ihr Umgang mit einer der qualifiziertesten Diplomatinnen des Landes ist, zurückhaltend formuliert, rüde. Baerbock erfüllt sich ihren Traum von einer internationalen Karriere, aber der Preis ist hoch."

"Bild": "Wer sich auf allen Reisen, in jeder Rede, für Frauen einsetzt und immer wieder betont, dass Frauen zusammenhalten müssen, lässt eine Diplomatin, die sich bereits auf den Job vorbereitet hat, so ins Messer laufen. Das ist absolut unsolidarisch und geht gar nicht. Dass sich Minister selbst versorgen nach ihrer Laufbahn und in der Öffentlichkeit nicht nur der Eindruck entsteht, sondern der Beweis erbracht wird, dass es nicht um Qualifikation, sondern um Kontakte geht, ist verheerend für das öffentliche Ansehen von Politikern. Mit dem Gang nach New York macht Baerbock ihren Ruf kaputt und sorgt dafür, dass von dem Posten-Geschacher und dem Verlust des Vertrauens in die Politik mal wieder nur die AfD profitieren wird. Frau Baerbock, tun Sie das nicht!"

"Spiegel": "Wenn es immer nur die Männer sind, die ihre Familie und väterliche Verantwortung links liegen lassen, sobald die Karriere ruft, bleibt die Welt so wie sie ist – ein von patriarchaler Dominanz beherrschter Planet. Damit sich etwas ändert, braucht es mehr weiblichen Egoismus. Den lebt in Deutschland kaum jemand öffentlicher und rabiater aus als die erste Frau an der Spitze des Auswärtigen Amts. Und das ist gut so!"

"Nordkurier": "Ellenbogen-Einsatz, um die berufliche Karriereleiter zu erklimmen beziehungsweise lukrative Jobs zu bekommen, ist Teil des Geschäfts – aber bitte ohne die kitschige und im Nachhinein unwürdige Nummer mit 'dem privaten Preis'. Wer Baerbocks Berufsweg in den vergangenen Jahren verfolgt hat, dürfte nicht überrascht sein, wenn sie bei der Kür des grünen Kanzlerkandidaten für die Bundestagswahl 2029 wieder ihre Hände im Berliner Polit-Spiel hat."

"T-Online": "Mit dem neuen UN-Job würde Baerbock zwar tatsächlich aus dem Scheinwerferlicht heraustreten, aber es wäre kein Schritt zurück. Das Familienleben sollte immer ein privater Schutzraum sein, auch für Politikerinnen und Politiker. Aber dass Baerbock diese emotionale Ebene als Grund für ihren Rückzug öffentlich thematisierte, könnte ihr nun auf die Füße fallen. Es war ein kommunikativer Fehler.

"Volksstimme": "Frau Baerbock hat sich offensichtlich in einen Fettnapf gesetzt, der groß ist wie ein Swimmingpool. Die schamlose Begünstigung von Parteigrößen und sonstigem Personal einer Regierung beim Machtwechsel war und ist beileibe nicht auf die Grünen beschränkt. Als Gerhard Schröder nach der Abwahl als Kanzler 2005 zum russischen Öl-Lobbyisten mutierte, war die Erregung zu Recht groß. Schröder hat sich den Job dabei noch selbst besorgt."

"Neue Osnabrücker Zeitung": "Opposition ist Mist, das wusste schon Franz Müntefering. Aber es hinterlässt immer einen unguten Eindruck, sich nach einer verlorenen Wahl die Rosinen herauszupicken. Eine solche ist das angestrebte Amt in New York nämlich: befristet auf ein Jahr, gut dotiert und mit eher repräsentativen Aufgaben – deutlich mehr Glanz zumindest als mühselige Sacharbeit auf der Oppositionsbank. Als weiterer Karriereschritt für eine Zukunft in der Außenpolitik mag diese Entscheidung sinnvoll sein – das politische Signal, das Baerbock damit sendet, gereicht ihr aber nicht zur Ehre."

"Reutlinger General-Anzeiger": "Es ist nicht verwerflich, dass Baerbock Karriere macht. Auch nicht, dass sie ihre politischen Kontakte dafür ausnutzt. Es ist auch normal, dass sie einen Posten bekommt, für den andere besser qualifiziert gewesen wären. Die Personalie hat allerdings ein Geschmäckle. Die Grünen haben über viele Jahre Postengeschacher und Vetterleswirtschaft bei der Union kritisiert. Der neue Posten passt in das Bild, das Baerbock zuletzt abgab. Wenn es ihr persönlich nützt, pfeift sie auf grüne Moralvorstellungen. Es ist Baerbock zu wünschen, dass sie in New York genügend Zeit für ein Privatleben findet."

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