Die Post streicht 8000 Jobs, der Konzernchef kritisiert die Gewerkschaft für ihre Lohnforderungen, die weisen das von sich. Was beide eint: Sie geben der Politik die Hauptschuld.
Nur zwei Tage ist der Lohnabschluss zwischen der Gewerkschaft Verdi und der Post alt, da verkündet Konzernchef Tobias Meyer einen großen Stellenabbau: von 187.000 Jobs bei der Post- und Paketzustellung in Deutschland sollen 8000 verschwinden. Ein Grund sei die von den Gewerkschaften erstrittene Lohnsteigerung "von fünf Prozent". Die zeigen sich empört, der Lohnabschluss gleiche gerade mal die Inflation aus.
Aber der Reihe nach. Der von Tobias Meyer geführten DHL Group geht es eigentlich gut. Um Verwirrung vorzubeugen: Seit die frühere Behörde "Deutsche Bundespost" vor 30 Jahren privatisiert wurde, ist sie mehrfach umbenannt worden. Bis 2023 war "Deutsche Post" noch Bestandteil des Namens und auch die gängige Bezeichnung für den Konzern. Inzwischen heißt das börsennotierte Unternehmen nur noch "DHL Group". Die Bezeichnung "Deutsche Post" ist nur noch ein Markenname, ihre Dienste zusammengefasst mit dem deutschen Paketgeschäft der DHL im Unternehmensteil "Post & Paket Deutschland".
Briefmarkt schwindet um 20 Prozent in drei Jahren
Und das erzählt auch schon fast alles. Denn die Logistik ist ein wachsendes Geschäft, die DHL Group damit international sehr erfolgreich. Der Briefmarkt aber schwindet, allein um 20 Prozent in den vergangenen drei Jahren. Deshalb erlaubte die Politik der Post vergangenes Jahr mit dem Postmodernisierungsgesetz, sich mehr Zeit fürs Ausliefern der Briefe zu nehmen. Seit Jahresbeginn müssen 95 Prozent der Briefe nur noch am dritten Werktag nach Einwurf beim Empfänger ankommen.
Trotzdem kritisiert DHL-Group-Chef Meyer, dass die Bundesnetzagentur der Post zu wenig Spielraum für Preiserhöhungen lasse. Anfang des Jahres wurde der Standardbrief zwar 10 Cent teurer, doch Meyer wollte mehr. Als Quasi-Monopolist bei der Briefzustellung muss sich die Post die Gebühr genehmigen lassen. Meyer kritisiert, die Portoerhöhung entspreche nicht der Inflation.
Die Bundesnetzagentur freilich widerspricht, sie habe die von der Post vorgebrachten Kostensteigerungen nicht feststellen können. Außerdem erziele der Bereich Post und Paket 85 Prozent seines Umsatzes mit unregulierten Produkten. Hier sei der Konzern frei in seiner Preisgestaltung, wie die Bundesnetzagentur gegenüber dem stern ausführt.
Post will mehr Porto
Auch wenn die Netzagentur auf der Preisbremse steht: Es ist ja nicht so, dass der Standardbrief, um den es unter anderem geht, nicht schon sehr teuer geworden ist. In den vergangenen zehn Jahren stieg das Porto von 62 Cent auf inzwischen 95 Cent. Ginge es nur nach der allgemeinen Inflation in dieser Zeit, dann dürfte das Porto heute bloß 79 Cent kosten.
Damit wären wir bei dem Lohnabschluss der Post mit Verdi. Wir erinnern uns: Vergangene Woche waren 27.000 Post- und Paketzusteller im Warnstreik. Am Ende gab es eine Einigung. Zwei Prozent mehr Lohn zum 1. April dieses Jahres und noch mal drei Prozent mehr Lohn zum 1. April 2026. Das allerdings ist komplett im Rahmen der zu erwartenden Inflation, die aktuell bei 2,3 Prozent liegt, Tendenz leicht steigend.
Der Post-Tarifabschluss war kein Jobkiller
Zusätzlich hat Verdi einen Tag mehr Urlaub für alle herausgehandelt – zwei Tage für länger als 16 Jahre bei der Post Beschäftigte. Ein Tag Urlaub entspricht etwa einer Lohnerhöhung von 0,4 Prozent. "Mit den zusätzlichen Urlaubstagen musste auf die hohen Belastungen und den überproportional hohen Krankenstand reagiert werden", führt die stellvertretende Verdi-Vorsitzende Andrea Kocsis an. Und wenn die Gewerkschaft Freizeit statt Lohn durchsetzt, bedeutet das unterm Strich auch, dass etwas mehr Arbeitskräfte gebraucht werden.
So oder so: Der Tarifabschluss lässt sich kaum seriös als Jobkiller in Anschlag bringen.
Was Gewerkschaften und Konzernführung eint: Beide beklagen, dass sie bei der Umsatzsteuer seit der jüngsten Postreform keinen grundsätzlichen Vorteil gegenüber der Konkurrenz mehr haben. Andererseits hatte die Monopolkommission schon lange Jahre gefordert, die Post nicht einseitig zu bevorzugen. Denn das ist ja die ganze Idee von Anfang an gewesen, die Post zu privatisieren, um mehr Wettbewerb zu ermöglichen. Damit wir Kunden günstige Dienstleister haben.
International erfolgreich
Aufseiten des ehemaligen Staatskonzerns ist das gelungen. Inzwischen hat die DHL Group rund 600.000 Beschäftigte weltweit, macht mit Express-Lieferungen, Logistik, Frachtgeschäft und angrenzenden Dienstleistungen weltweit 84 Milliarden Euro Umsatz – und knapp sechs Milliarden operativen Gewinn. Das Geschäft in Deutschland macht nur noch ein Fünftel des Umsatzes aus, aber immerhin noch 821 Millionen Euro operativen Gewinn.
Beim Briefmarkt sind es übrigens zuletzt vor allem die Werbebriefe, die weniger werden. Um acht Prozent ging so der Umsatz mit Briefen zurück, was doch aber auch okay ist. Denn die braucht ja keiner mehr. Zwar wächst der Paketmarkt, aber nicht im selben Maß: Hier konnte DHL in Deutschland nur um knapp fünf Prozent zulegen.
Börsenkurs steigt um 12 Prozent
Doch solange die nicht mehr nötigen Stellen, wie jetzt angekündigt, sozialverträglich abgebaut werden können, gibt es eigentlich kein Problem. Man wolle die Stellen "unter anderem" durch "reguläre Fluktuation" abbauen, erklärte die DHL Group dem stern auf Nachfrage. Das ist doch eigentlich eine gute Nachricht angesichts der Tatsache, dass Briefe nicht mehr so wichtig sind.
Auch die Anleger zeigten sich übrigens zufrieden mit den Zahlen und dem angekündigten internationalen Einsparprogramm "Fit for Growth" über eine Milliarde Euro, zu dem auch der angekündigte Stellenabbau in Deutschland gehört. Der Kurs der Aktie stieg bis frühen Abend um mehr als 13 Prozent – auf den höchsten Stand seit über einem Jahr.