Diskussion über Für und Wider des Bargelds

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Stand: 04.05.2025 11:26 Uhr

In vielen Ländern Europas rücken die Vorteile des Bargelds wieder ins öffentliche Bewusstsein. Trotz fortschreitender Digitalisierung - oder gerade deshalb?

Von Matthias Toying, mdr

Der Monatsbericht der Deutschen Bundesbank im April 2025 listet nicht nur sorgfältig Vor- und Nachteile von Barzahlungen auf, sondern er verweist auch auf Ergebnisse einer eigenen repräsentativen Umfrage aus dem Jahr 2023.

Dort sprachen sich "39 Prozent der Befragten für eine Abschaffung von Gebühren an Geldautomaten, 37 Prozent für eine Annahmepflicht von Bargeld an der Ladenkasse und 35 Prozent für eine ausreichende Bereitstellung von Geldautomaten" aus. Wünsche von Minderheiten also. Folgerichtig lautet ein Fazit der Veröffentlichung: "Maßnahmen zur aktiven Unterstützung von Bargeld werden aktuell mehrheitlich nicht gefordert".

Skandinavien: schrillende Alarmglocken

Eine Mehrheit der Europäer begrüßt einfache und schnelle Karten- oder Smartphone-Zahlungen. In Norwegen und Schweden vergisst die Mehrheit allmählich, wie Banknoten und Münzen überhaupt aussehen, denn sie sind aus dem Alltag weitgehend verschwunden. Genau das ist der Grund, weshalb in Skandinavien gerade alle Alarmglocken schrillen und sich in vielen Regionen Europas wachsame Minderheiten zu Wort melden.

Schweden bereitet sich nach dem Eintritt in die NATO auf Krisensituationen vor, rechnet mit Stromausfällen oder Angriffen auf die digitale Infrastruktur. Im schlimmsten Fall wären Millionen Menschen ohne Strom, ohne Heizung, ohne Kommunikation - und ohne digitale Zahlungsmöglichkeiten. Als Tauschwert wäre Bargeld dann überlebenswichtig.

Schweden: Initiative von "oben" und von "unten"

Aus diesem Grund hat die schwedische Regierung bereits 2024 einen Sonderbeauftragten zur Erhaltung des Bargelds eingesetzt. Es ist Dennis Dioukarev, Abgeordneter der Partei "Sweden Democrats" und Mitglied im Parlamentarischen Finanzausschuss des Reichstags. Auf Nachfrage des mdr erklärt er: "Wir werden vorschlagen, dass größeren Lebensmittelgeschäften und lizenzierten Apotheken die Pflicht auferlegt wird, Bargeld als Zahlungsmittel zu akzeptieren."

Noch etwas weiter geht der ehemalige Chef der schwedischen Polizei, Björn Eriksson. Er führt eine Bewegung an, die sich "Die Bargeldrebellen" nennt. Ihr Ziel ist es, nicht nur Lebensmittel und Medikamente wieder mit Bargeld bezahlen zu können, sondern - wegen der langen kalten Wintermonate - auch Kraftstoff und Kleidung: "Anfangs wurden wir belächelt, man hielt uns für altmodisch", erinnert er sich im Interview mit Plusminus: "Heute wächst das Bewusstsein, dass wir Bargeld brauchen. Menschen, die darauf hinweisen, sollten in einer Demokratie gehört werden."

Niederlande: mahnende Stimmen aus der Regierung

Ähnlich wie in Schweden hört man seit einigen Jahren mahnende Stimmen auch aus anderen Ländern, teilweise aus Kreisen der Regierungen und der Parlamente. So hatte der niederländische Verteidigungsminister, Ruben Brekelmans, seine Landsleute schon 2024 aufgerufen, soviel Bargeld vorzuhalten, wie ein Haushalt normalerweise in drei bis vier Tagen benötige.

"Wenn der Zahlungsverkehr eine Zeit lang still liegt, die staatlichen Organisationen keine Leistungen wie Rente oder Sozialhilfe überweisen können, dann haben viele Menschen plötzlich ein Problem." De Nederlandsche Bank (DNB) zitiert auf ihren Internetseiten die vormalige niederländische Finanzministerin (bis 2024), Sigrid Kaag, die sich wünsche: "...dass die Banken weiterhin eine gute Grundausstattung an Bargeld bereitstellen".

Slowakei: Recht auf Bargeld in der Verfassung

In der Slowakei blieb es nicht bei Meinungsäußerungen. Bereits 2023 wurde dort das Recht auf Bezahlung mit Banknoten und Münzen in der Verfassung verankert. Darüber schreibt die Seite EURAKTIV.sk und zitiert einen Verfasser der Gesetzesänderung, den Abgeordneten Miloš Svrček: "Es ist sehr wichtig, dass […] wir uns in Zukunft gegen jegliche Anordnungen von außen verteidigen können, die besagen, dass es nur den digitalen Euro und keine anderen Zahlungsoptionen geben darf."

Solche Bedenken bezüglich eines digitalen Euro mögen übertrieben klingen, zumal die Europäische Zentralbank (EZB) immer wieder versichert, dass ein zukünftiger digitaler Euro lediglich als Ergänzung zum physischen Euro existieren werde.

Deutschland: Rückgang der Barzahlungen

Doch schon heute ist zu beobachten, wie Barzahlungen schleichend verdrängt und digitale Zahlungsoptionen stattdessen durchgesetzt werden: in öffentlichen Verkehrsmitteln, in Behörden, im Einzelhandel. Die Deutsche Bundesbank hat dokumentiert, in welchem Maße Barzahlungen in den vergangenen Jahren zurückgegangen sind. Besonders deutlich wird das seit 2017. Zuletzt, also zum Zeitpunkt der Erhebung 2023, wurden in Deutschland noch 51 Prozent aller Zahlvorgänge mit Bargeld beglichen. Verschärft wird die Situation, weil Bankautomaten abgebaut und Bankfilialen geschlossen werden.

Die Europäische Zentralbank zählt jährlich, wie viele Geldautomaten es gibt. Danach wurden in Deutschland, seit 2016, bis zum 1. Halbjahr 2024, rund zwölf Prozent der Geldautomaten abgebaut: "Die Barzahlungsquote wird sich so reduzieren, dass die Infrastruktur nicht aufrechterhalten werden kann“, mutmaßt Hansjörg Stützle, Initiator einer Petition mit dem Titel "Bargeld in Europa gesetzlich schützen!", die derzeit etwa 150.000 Unterzeichner hat.

Nicht nur hier in Deutschland, sondern überall in Europa sind inzwischen Bürgerbewegungen gewachsen, die sich für den Erhalt des Bargelds einsetzen: In Norwegen, in Dänemark, in Polen, in Frankreich (Internetauftritt in spanisch/englisch), in Österreich und außerhalb der Eurozone, in der Schweiz.

Schweiz: Volksabstimmung zum Bargeld

Im Land der Eidgenossen hat sich eine Volksinitiative Gehör verschafft, die sich "Bargeld ist Freiheit" nennt. Damit rückt sie in den Fokus, was vielen Bürgerbewegungen wichtig erscheint: Barzahlungen hinterlassen keine Daten und verhindern somit eine mögliche Überwachung durch private Unternehmen oder staatliche Institutionen. Sie fordert, den Schweizerfranken als Währung in der Verfassung festzuschreiben und statt "Bargeld" ausdrücklich von "Banknoten und Münzen" zu sprechen, die vom Handel verpflichtend anzunehmen seien.

"Wenn wir Banknoten und Münzen in der Schweiz weiterhin behalten", erklärt Richard Koller, Gründer der Volksinitiative im Interview mit Plusminus, "dann wird es auch in Europa und in anderen Ländern dazu führen, dass man das Bargeld nicht einfach einstampfen kann, weil sonst eine Geldflucht in die Schweiz zu befürchten ist." Der Nationalrat, erste Kammer des Schweizer Parlaments, hat einer Verfassungsänderung im März 2025 zugestimmt, allerdings ohne dem Forderungskatalog der Volksinitiative zu folgen.

Stattdessen wurde ein Textentwurf des Schweizer Bundesrates favorisiert, der wesentliche Forderungen der Volksinitiative nicht enthält. So wird der ergänzende Text in der Verfassung voraussichtlich lauten: "In der Schweiz muss die Versorgung mit Bargeld gewährleistet sein, und die Landeswährung ist der Schweizerfranken." Der Ständerat, also die zweite Kammer des Parlaments, und letztlich das Schweizer Volk werden in den kommenden Monaten über beide Textentwürfe abstimmen.

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