3 months ago

40 Staaten kritisieren Angriffe: Netanjahu fordert sofortigen Blauhelm-Abzug aus Kampfzone



Mit Angriffen auf Stellungen und das Hauptquartier der UN-Soldaten im Südlibanon handelt sich Israel heftige Kritik auch von Verbündeten ein. Während Verteidigungsminister Gallant versucht, die Wogen zu glätten, legt Regierungschef Netanjahu nach - und fordert den Rückzug der Blauhelme.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat den sofortigen Abzug der UN-Beobachtermission Unifil aus der Kampfzone im Süden des Libanons gefordert. Während der wöchentlichen Kabinettssitzung in Jerusalem wandte Netanjahu sich mit dieser Forderung direkt an den UN-Generalsekretär António Guterres. "Es ist an der Zeit, Unifil aus den Hisbollah-Hochburgen und Kampfgebieten abzuziehen", sagte Netanjahu nach Angaben seines Büros. "Das sollte jetzt sofort geschehen." Er warf Guterres vor, dies zu verweigern und die Unifil-Soldaten damit zu "Geiseln der Hisbollah" zu machen. Israel bedauere es, wenn Unifil-Soldaten versehrt würden, sagte Netanjahu mit Blick auf Vorfälle, bei denen zuletzt Blauhelmsoldaten verletzt worden waren.

Die UN-Friedensmission hatte der israelischen Armee vorgeworfen, ihre Stellungen in der südlibanesischen Stadt Nakura und auch das dortige Unifil-Hauptquartier in den vergangenen Tagen "vorsätzlich" beschossen zu haben. Nach Unifil-Angaben wurden dabei insgesamt fünf Soldaten verletzt. Die Vorfälle wurden international scharf verurteilt.

An der UN-Mission im Libanon beteiligte Länder sagten den Blauhelmsoldaten im Südlibanon unterdessen ihre "uneingeschränkte" Unterstützung zu und forderten ein sofortiges Ende der Angriffe auf die UN-Truppe. Das Ziel von Unifil sei es, den Südlibanon und den gesamten Nahen Osten zu stabilisieren und Frieden zu bringen. Angesichts der eskalierenden Situation in der Region spiele die Mission eine besonders wichtige Rolle, heißt es in einem Statement, das die polnische Vertretung bei den UN initiiert hat und dem sich 40 Länder angeschlossen haben, darunter Deutschland.

US-Verteidigungsminister "tief besorgt"

Israel und die libanesische Hisbollah-Miliz liefern sich seit Beginn des Gaza-Kriegs vor einem Jahr heftigen gegenseitigen Beschuss im Grenzgebiet. Die UN-Beobachtermission mit mehr als 10.000 Soldaten aus rund 50 Ländern überwacht die Gegend. Die Konfliktparteien müssten die Präsenz der Blauhelmsoldaten respektieren und die Sicherheit der Einsatzkräfte zu jeder Zeit gewährleisten, forderten die Unterzeichner des Schreibens. Die Angriffe müssten angemessen untersucht werden.

US-Verteidigungsminister Lloyd Austin brachte in einem Telefonat mit seinem israelischen Amtskollegen Joav Galant nach Pentagon-Angaben seine "tiefe Besorgnis" über die Angriffe zum Ausdruck. Galant erneuerte nach Angaben des Verteidigungsministeriums die israelischen Vorwürfe gegen die Hisbollah, das Umfeld von Stützpunkten der Blauhelm-Mission für ihre Zwecke zu missbrauchen. Er habe Austin zugleich zugesichert, dass das Militär versuchen werde, den Unifil-Truppen und -Stützpunkten keinen Schaden zuzufügen.

Die gegenseitigen Angriffe zwischen der israelischen Armee und der Hisbollah-Miliz im Libanon gingen am Wochenende unvermindert weiter. In von der Hisbollah kontrollierten Gebieten trafen israelische Kampfflugzeuge unter anderem einen Marktplatz in der südlichen Stadt Nabatijeh und eine hundert Jahre alte Moschee im Dorf Kfar Tibnit nahe der Grenze, wie die libanesische Nachrichtenagentur NNA berichtete. Die Moschee wurde den Berichten zufolge komplett zerstört.

Luftangriffe im ganzen Land

Auch in Ortschaften außerhalb der als Hochburgen der Hisbollah im Libanon geltenden Gebiete flog die israelische Armee Luftangriffe. Libanesischen Angaben zufolge wurden dabei am Samstag mindestens 15 Menschen getötet. Das Gesundheitsministerium in Beirut erklärte, allein bei einem Angriff auf das mehrheitlich von Schiiten bewohnte Dorf Maaysra in einer christlich dominierten Bergregion nördlich der Hauptstadt habe es neun Tote und 15 Verletzte gegeben. Weitere Tote und Verletzte gab es demnach bei einem Angriff auf das Dorf Deir Billa, das in der Nähe der Küstenstadt Batrun im Nordlibanon liegt, sowie in dem mehrheitlich von Sunniten bewohnten Dorf Bardscha.

In Israel wurde am Wochenende der höchste jüdische Feiertag Jom Kippur begangen. Der Versöhnungstag, der traditionell mit Beten und Fasten begangen wird und an dem überall in Israel das öffentliche Leben ruht, begann am Freitagabend und endete am Samstag mit Einbruch der Dunkelheit. Während dieser Zeit griff die israelische Armee eigenen Angaben zufolge 280 "Terrorziele" im Libanon und im Gazastreifen an und beschoss "militärische Kommandozentralen, Terrorzellen und andere terroristische Infrastrukturen".

Israel hat seine Angriffe auf die Hisbollah-Miliz im Libanon in den vergangenen Wochen massiv ausgeweitet. Dabei wurden Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah und andere hochrangige Kommandeure der Schiitenmiliz getötet. Libanesischen Angaben zufolge starben mehr als 1500 Menschen bei diesen Angriffen. Anfang Oktober gab Israel zudem den Beginn von "begrenzten und gezielten" Bodeneinsätzen gegen die Hisbollah im Südlibanon bekannt.

Nach dem Großangriff der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas auf Israel vom 7. Oktober 2023 und dem dadurch ausgelösten Krieg im Gazastreifen hatte die mit der Hamas und dem Iran verbündete Hisbollah-Miliz mit permanenten Raketenangriffen auf den Norden Israels eine zweite Front gegen Israel eröffnet. Infolge der gegenseitigen Angriffe mussten auf beiden Seiten der Grenze Zehntausende Menschen ihre Häuser verlassen.

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