6 months ago

26-Jähriger in U-Haft: Verdächtiger Syrer warf wohl auf Flucht Ausweispapiere weg



Nach dem tödlichen Messeranschlag in Solingen erlässt ein Richter am BGH Haftbefehl gegen einen verdächtigen Syrer. Der 26-Jährige soll sich nach der Tat versteckt haben, ehe er Samstag festgenommen wurde. Eine wichtige Spur zu seiner Person lieferte er den Ermittlern dabei offenbar selbst.

Nach der Festnahme eines 26-jährigen Syrers im Zusammenhang mit dem tödlichen Messeranschlag in Solingen kommen weitere Einzelheiten über den Verdächtigen und sein Verhalten nach dem Anschlag ans Licht. Medienberichten zufolge flüchtete Issa H. nach dem Messerangriff am vergangenen Freitagabend und versteckte sich in einem Hinterhof. Auf seiner Flucht soll er seine blutverschmierte Jacke samt Ausweispapieren weggeschmissen haben. Die Polizei fand sie und kannte so bereits vorher seine Identität.

Zudem verfolgte die Polizei mithilfe eines Personenspürhundes eine Blutspur bis zu dem Solinger Flüchtlingsheim, in dem H. lebte, wie der "Spiegel" berichtete. Auf dem Weg dorthin fanden die Ermittler demnach auch das für die Tat genutzte Messer. Im Zimmer des Verdächtigen stießen sie schließlich auf den Messerblock, in dem genau dieses Messer fehlte, heißt es weiter. Auch die Aussagen eines verletzten Zeugen, der den Verdächtigen aus einer Moschee kannte, sollen für die Beamten wichtig gewesen sein. Nach rund 24 Stunden stellte sich H. schließlich den Ermittlern mit den Worten: "Ich bin der, den ihr sucht".

H. wurde daraufhin Samstagabend festgenommen und kommt nun in Untersuchungshaft. Ein Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe habe Haftbefehl unter anderem wegen Verdachts der Mitgliedschaft in der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) und wegen Mordes erlassen, teilte die Bundesanwaltschaft jüngst mit. Wegen des mutmaßlichen Terrorbezugs hat die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen gegen H. übernommen.

Richter: H. wollte möglichst viele ungläubige Menschen töten

Der Verdächtige wird in gebückter Haltung und barfuß aus dem Hubschrauber gebracht. Der Verdächtige wird in gebückter Haltung und barfuß aus dem Hubschrauber gebracht.

Der Verdächtige wird in gebückter Haltung und barfuß aus dem Hubschrauber gebracht.

(Foto: REUTERS)

Der Syrer teile die Ideologie der Terrorvereinigung IS und habe sich ihr zu einem derzeit nicht genau bestimmbaren Zeitpunkt vor dem 23. August angeschlossen, heißt es in der Mitteilung. Wegen seiner radikal-islamistischen Überzeugungen habe er den Entschluss gefasst, auf dem Solinger Stadtfest eine möglichst große Anzahl aus seiner Sicht ungläubiger Menschen zu töten, so die Behörde. "Dort stach er mit einem Messer hinterrücks wiederholt und gezielt auf den Hals- und Oberkörperbereich von Besuchern des Festivals ein." Anschließend entkam der Täter im Tumult und in der anfänglichen Panik.

Der Verdächtige wurde zuvor per Helikopter nach Karlsruhe geflogen. Zwei schwer bewaffnete Polizisten in Spezialausrüstung brachten den barfüßigen Mann zu einer Wagen-Kolonne. Einer der Beamten drückte den Kopf des auch an den Füßen gefesselten Tatverdächtigen nach unten. In dieser gebückter Haltung machte der Mann kaum selbst einen Schritt, die Einsatzkräfte trugen ihn zu den Fahrzeugen. Zu sehen war auch, dass er an seiner linken Hand einen weißen Handschuh trug. Der Grund dafür ist noch unklar.

Die Hinweise auf einen Terrorbezug des Messeranschlags verdichten sich damit. Bereits vor der Festnahme des Syrers hatte die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) die Messerattacke für sich beansprucht. Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul sagte, das Bekenntnis werde sorgfältig geprüft. "In der Regel sind die auch durchaus richtig, aber es kann natürlich auch eine falsche Meldung sein", sagte der CDU-Politiker in den "Tagesthemen" der ARD: "Aber es spricht etwas dafür."

Verdächtiger sollte abgeschoben werden

Nach Angaben von Reul lebte der Verdächtige in der Nähe des Tatorts in der Solinger Innenstadt in einer Flüchtlingsunterkunft. Der Mann werde "in höchstem Maße" verdächtigt. "Wir haben nicht nur einen Hinweis auf diese Person gehabt, sondern wir haben auch Beweisstücke gefunden", sagte Reul.

Informationen von RTL/ntv zufolge hätte der Verdächtige bereits im vergangenen Jahr abgeschoben werden sollen. Sein Asylantrag ist abgelehnt worden. Allerdings tauchte der Syrer für sechs Monate unter, um der Abschiebung zu entgehen. Die Behörden konnten ihn beim Versuch der Abschiebung nicht in seiner Unterkunft in Paderborn antreffen. Als Issa H. sich Monate später wieder an die Behörden wandte, wurde er in einer Flüchtlingsunterkunft in Solingen untergebracht. Eine Abschiebung gab es dann nicht mehr.

Grund hierfür sind die Dublin-Regelungen des europäischen Asylsystems. Nachdem Deutschland das sogenannte Übernahmeersuchen an Bulgarien gestellt und das Land einer Übernahme zugestimmt hatte, lief eine sechsmonatige Frist. Nachdem in dem Zeitraum keine Abschiebung erfolgt war, war das antragstellende Land - in diesem Fall Deutschland - fortan für das Asylverfahren des Geflüchteten zuständig. Eigentlich ist gemäß dem Dubliner Übereinkommen das Land, das zuerst von einem Asylbewerber betreten wird, für das Asylverfahren zuständig. In diesem Fall wäre das Bulgarien gewesen.

Trauergottesdienst in Solingen

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Bei der Attacke starben zwei Männer und eine Frau im Alter von 56 bis 67 Jahren. Acht weitere Menschen wurden unterschiedlich schwer verletzt, vier schwebten zunächst in Lebensgefahr. Ihr Zustand stabilisierte sich nach Angaben der behandelnden Ärzte bis Sonntag. Alle Verletzten seien "über den Berg", sagte der ärztliche Direktor des Städtischen Klinikums Solingen, Thomas Standl, dem Fernsehsender "Welt".

In Solingen versammelten sich nach Stadtangaben am Sonntag Menschen zu Trauergottesdiensten, bereits am Samstagabend hatte es auf dem Neumarkt in Solingen ein Trauergedenken gegeben, an dem auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser und Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst teilnahmen. Landesweit wurden mehrere Festveranstaltungen abgesagt, die Landesregierung will am Sonntag in Düsseldorf zu einer außerordentlichen Kabinettssitzung zusammenkommen.

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