Der sächsische AfD-Abgeordnete Dornau ist an einer Zwiebel-Farm in Belarus beteiligt. Nicht zum ersten Mal rückt er damit Fokus. Offenbar arbeiten dort Menschen, die das Lukaschenko-Regime aus politischen Gründen verurteilt hat. ntv hat einen von ihnen getroffen.
Mit seiner belarussischen Firma "Zybulka-Bel" sorgt der sächsische AfD-Landespolitiker Jörg Dornau wiederholt für Aufregung. Vergangenen Monat wird vom sächsischen Landtag ein Ordnungsgeld in Höhe von 20.862 Euro verhängt, weil er seine Beteiligung an dem Unternehmen nicht offiziell gemeldet hatte. Nun erhebt ein Mann aus Belarus schwere Vorwürfe gegen den 1970 geborenen AfD-Politiker.
Beim belarussischen Oppositionsmedium "Reform" kommt ein Mann mit dem Tarnnamen "Andrei" zu Wort, der nach eigenen Angaben als politischer Gefangener des belarussischen Regimes auf der mehr als 1500 Hektar großen Zwiebelfarm nahe der Stadt Lida im Februar 2024 als Häftling schuften musste. Reporter von RTL und ntv konnten den Mann, der in Wirklichkeit Sergej Tscharnjak heißt, in Polen treffen.
Er sei in Belarus zu einem Feind des Regimes geworden, weil er in sozialen Netzwerken wiederholt Beiträge von Oppositionellen geteilt, kommentiert und mit "Gefällt mir" markiert hat, erzählt der 60-Jährige in einem Park. Insgesamt dreimal habe der in seiner Heimatstadt Lida bekannte Volksmusiker für jeweils 15 Tage in einem Straflager eingesessen.
Erst Zwiebeln sortieren - dann zu fünft in der Zelle
2023 arbeitete er als Häftling auf einer Mülldeponie, wie er erzählt. Im Februar dieses Jahres - bei seiner inzwischen dritten Haft - arbeitete er dann auf der nahegelegenen Zwiebelfarm "Zybulka-Bel" von AfD-Politiker Jörg Dornau, wie er weiter erzählt.
Mit rund 30 anderen Häftlingen sei er von der Polizei auf ein Grundstück der Firma gebracht worden. Nur diejenigen, die aus politischen Gründen inhaftiert waren, seien an den Händen gefesselt gewesen, berichtet er. Das Zwiebelfeld soll sich im Umland der Stadt Lida, am Rande der Ortschaft Sukhvalnya befinden. Bis zur litauischen Grenze sind es keine 40 Kilometer, bis Polen gut 120 Kilometer.
Tscharnjak musste dort im Februar in der Kleidung arbeiten, in der er einige Tage zuvor verhaftet worden war. Eine wärmende Jacke oder Arbeitskleidung bekam er nicht. "Wir haben bei der Arbeit keine Mahlzeiten erhalten. Morgens gab es im Straflager ein Frühstück. Und die nächste Mahlzeit war dann erst abends", erzählt er.
Seine Aufgabe war es, die eingelagerten Zwiebeln zu sortieren und auf Fäulnis zu prüfen. "Wir sortierten die Zwiebeln der Größe nach und brachten die Eimer zu einem Lastwagen, der sie abholte." Die Arbeit auf der Farm empfand Tscharnjak dennoch als "ersehnte Abwechslung" von den prekären Haftbedingungen. Nach einem Arbeitstag auf der Zwiebelfarm kehrte er zurück in eine Zwei-Personen-Zelle, in der er mit vier weiteren Häftlingen untergebracht waren. Sie teilten sich zwei Matratzen.
Die Strafarbeit auf der Farm hat er deshalb in positiver Erinnerung. Für seine Arbeit auf den Feldern habe er einen Lohn von umgerechnet fünf Euro pro Tag erhalten. Davon aber habe ihm das Gefängnis Kosten für Verpflegung abgezogen - und den Rest nie ausgezahlt.
"Großer, kräftiger, deutscher Glatzkopf"
Dornau sitzt seit 2019 für die AfD im sächsischen Landtag. Dort ist er landwirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion. Er hat in der DDR nach eigenen Angaben seinen Facharbeiter für Pflanzenproduktion gemacht. Nach der Wende bildete er sich zum "Staatlich geprüften Wirtschafter für Landwirtschaft" weiter. 1995 folgt die Meisterausbildung. Seit November 2023 ist der ausweislich der Angaben auf der Seite des Landtags in Dresden Direktor der Zwiebel-Farm in Belarus. 2022 scheitert er bei der Landratswahl im Landkreis Leipzig. Bei der Wahl des Landtags Anfang September verpasst er in Leipzig das Direktmandat, zieht über die Landesliste dennoch wieder ins Parlament in Dresden ein.
Tscharnjaks erzählt, Dornau tauchte im Februar dieses Jahres persönlich auf dem Gelände von "Zybulka-Bel" auf. An einem Tag habe er den "großen, kräftigen, deutschen Glatzkopf" gesehen, erzählt er. Dornau sei in einem Minivan mit deutschem Kennzeichen gekommen und habe sich mit seinen Angestellten, nicht aber mit den Häftlingen, vor Ort unterhalten. Tscharnjak versichert, den AfD-Landespolitiker auf Fotos wiederzuerkennen und eindeutig identifizieren zu können.
Mit dem weißen Minivan mit Leipziger Kennzeichen ist Dornau nach Recherchen von RTL und ntv in belarussischen Behördendatenbanken über Jahre mehrfach nach Belarus gefahren und dabei registriert worden. Der AfD-Politiker nutzt das Fahrzeug auch bei Wahlkampfterminen in Deutschland.
Dass Dornau von der Arbeit der Häftlinge auf seinem Betrieb gewusst haben muss, steht für Tscharnjak fest. "Wie konnte er es nicht wissen? Sein Unternehmen hat eine Vereinbarung mit der Polizei. Die transportierte uns Arbeiter dorthin. Natürlich wusste er Bescheid", sagt er. Fotos von seiner Arbeit auf der Zwiebelfarm hat Sergej Tscharnjak nicht. Wie bei jedem Häftling üblich sei auch ihm das Handy beim Haftantritt abgenommen worden. Allerdings legt Tscharnjak beim Treffen mit den Reportern mehrere Gerichtsdokumente vor, die seine Verurteilung im Dezember 2023 zu einem Arrest belegen.
Diese Angaben stimmen auch mit den Berichten der belarussischen Menschenrechtsorganisation Viasna überein, die im selben Monat über Tscharnjaks Verhaftung berichtet. Viasna betont, dass Strafarbeit für politische Häftlinge ein gängiges Unterdrückungsinstrument des Regimes von Machthaber Alexander Lukaschenko ist.
Dornau taucht ab
Ein Regime, mit dem Jörg Dornau offenbar bestens zurechtkommt. Innerhalb der AfD gilt er als russlandfreundlicher Rechtsaußen-Politiker. Am 13. Februar 2022, wenige Tage vor dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine, postet er auf seinem Facebook-Profil ein Foto von Kremlchef Wladimir Putin in Militärkleidung. Darunter schreibt er: "Was für ein Präsident. Darum kann man das russische Volk nur beneiden." Dornau pflegt zudem gute Kontakte zum Thüringer AfD-Chef Björn Höcke.
In Belarus ist Dornau seit Jahren ein regelmäßiger Gast. Für die 2019 bis 2021 liegen RTL und ntv die Einträge aus belarussischen Behördendaten zu Jörg Dornau vor. Insgesamt 21 Mal wurden seine Personalien in diesem Zeitraum bei Einreisen und anderen Kontrollen registriert. Fotos, die Jörg Dornau von seinen Belarus-Reisen in sozialen Netzwerken postet, stimmen mit den Einträgen in den belarussischen Datenbanken überein.
Als das Parlament Anfang August das Ordnungsgeld verhängt, erklärt Linksfraktionschef Rico Gebhardt: "Niemand kann einfach so in die Diktatur Belarus reisen und dort einen Landwirtschaftsbetrieb aufbauen, schon gar niemand aus Deutschland." Das setze Kontakte und zahlreiche Anbahnungsgespräche sowie politische Nähe zur dortigen Diktatur voraus.
Und die Kontakte des AfD-Politikers nach Belarus reichen wohl tatsächlich bis in den Machtzirkel von Diktator Lukaschenko. Aus diesen Kreisen sicherte er sich offenbar auch Unterstützung für seine Geschäfte im Land. Am 22. September 2020 trafen sich Dornau und sein Leipziger Geschäftspartner und Freund Yuriy Kunitski mit dem belarussischen Gouverneur Wladimir Karanik. Unter Lukaschenko war dieser bis zum August 2020 Gesundheitsminister. Kurz nach dem Treffen lässt Dornau am 1. Oktober 2020 dann das Unternehmen "Zybulka-Bel" in Belarus registrieren.
Dornaus Frau reist ebenfalls regelmäßig nach Belarus, auch in die Stadt Lida. Auf Ihrem privaten Instagram-Account zeigt sie sich bei Ausflügen, Grillabenden in der Stadt und in der umliegenden Region mit Freunden, Verwandten und ihren beiden Hunden. Sie hat viele persönliche Verbindungen im Land. Ob Dornau seine Frau bei jeder ihrer Reisen begleitet hat, ist nicht eindeutig zu belegen. Auf schriftliche Anfragen von RTL und ntv reagiert Dornau bislang nicht. Auch ein Anruf bei ihm bleibt unbeantwortet. Bei einer Sitzung des sächsischen Landtags am gestrigen Donnerstag fehlt Dornau.
Sergej Tscharnjak konnte inzwischen den Verhaftungen des Lukaschenko-Regimes entkommen. In Polen fühlt er sich nun in Sicherheit. Dennoch sorgt sich der Witwer um seine erwachsenen Kinder in Belarus. Er geht davon aus, dass die Unterdrückungs- und Einschüchterungsversuche gegen Unterstützer der Opposition durch Arrest- und Haftstrafen vor den Wahlen im kommenden Jahr wieder zunehmen werden. Denn Diktator Lukaschenko will erneut antreten. Willkürlich verurteilte politische Gefangene könnten dann erneut zur Arbeit in landwirtschaftlichen Betrieben verpflichtet werden.