Norwegen hat die Anzüge seiner Skispringer Marius Lindvik und Johann André Forfang manipuliert. Der verantwortliche Sportdirektor räumte Betrug ein, will aber selbst nichts gewusst haben.
Norwegens Skisprung-Team hat bei der WM in Trondheim bewusst betrogen. Dies gestand Sportdirektor Jan Erik Aalbu am Sonntag bei einer Pressekonferenz im Teamhotel. Die Manipulation an den Anzügen vor dem WM-Springen von der Großschanze sei ohne Rücksprache mit den Springern und nur für diesen einen Wettkampf erfolgt.
"Wir haben Änderungen an den Anzügen vorgenommen in dem Wissen, dass sie nicht legal sind. So wie ich das sehe, haben wir betrogen. Wir haben versucht, das System auszutricksen. Das ist inakzeptabel", sagte Aalbu: "Wir haben alle enttäuscht, die das Skispringen lieben. Ich möchte mich bei den anderen Nationen, den WM-Organisatoren und den Fans entschuldigen. Ich bin selbst schockiert über diese Enthüllungen."
Verstärkte Nähte in den Anzügen
Demnach habe das Service-Team der Norweger verstärkte Nähte in die Anzüge der Springer Marius Lindvik und Johann Andre Forfang eingefügt und damit die Steifheit verbessert. Damit wird die Flugfähigkeit irregulär verbessert. "Wir haben die ganze Nacht über alles getan, um den Vorfall aufzuklären", sagte Allbu. Die Service-Leute hätten ihm die Aktion bestätigt.
Namen der Verantwortlichen hinter der Manipulation wollte Aalbu nicht nennen. Allerdings: Cheftrainer Magnus Brevig, der in dem Manipulations-Video zu sehen war, fehlte bei der Pressekonferenz. Er soll bereits auf dem Weg nach Oslo gewesen sein. "Ich habe keine Kontrolle darüber, was Magnus Brevig letzte Nacht getan hat", sagte Aalbu, der die Pressekonferenz allein absolvierte. Keiner der betroffenen Springer war anwesend.
Laut Aalbu seien lediglich die Anzüge der beiden Topspringer Lindvik und Forfang manipuliert worden, bei keinem anderen Athleten oder bei einer Athletin seien illegale Änderungen vorgenommen worden. Zudem bemühte sich der Sportdirektor zu versichern, dass der Betrug nur vor diesem einen Springen geschehen sei und er nicht damit rechne, dass den Norwegern weitere in Trondheim errungene Erfolge aberkannt werden. "Wir haben bis auf diesen einen Wettkampf immer korrekte Anzüge getragen", sagte Aalbu.
Norwegens Sportdirektor will nichts gewusst haben
Er selbst sei bis Sonntagmorgen völlig ahnungslos gewesen. "Ich übernehme die Verantwortung. Aber ich wusste bis heute nichts, rein gar nichts. Wir hatten seit gestern Abend Meetings, dort haben wir herausgefunden, dass wir betrogen haben", sagte Aalbu: "Ich habe die Videos gesehen, aber ich bin kein Experte und wusste nicht, was dort gemacht wird. Mir wurde gesagt, sie bereiten schon Anzüge für den folgenden Weltcup in Oslo vor."
Am Tag zuvor hatte Aalbu noch eine bewusste Aktion ausgeschlossen. "Es hat sich nicht um Manipulation des Anzugs gehandelt. Das ist kein Betrug, das ist kein Doping", hatte er erklärt. Nun ruderte er zurück: "Ich entschuldige mich für diese kategorische Aussage."
Skispringer Marius Lindvik wurde disqualifiziert
In dem Video, dass in Springerkreisen und in Medien kursierte, war zu sehen, wie in Beisein von Brevig wohl in der Nacht zu Samstag an den WM-Anzügen geschneidert wurde. Daraufhin hatten drei Nationen Protest gegen den Start der Norweger im Springen von der Großschanze eingelegt. Nach dem Wettkampf waren drei Norweger disqualifiziert worden, darunter der zweitplatzierte Lindvik. Dieser hatte zuvor auf der Normalschanze Gold vor Andreas Wellinger gewonnen. Am Sonntag schien Wellinger um das verlorene Gold zu trauern, als er eine nachdenkliche Botschaft vom Flughafen schickte. "Was wäre denn bei den anderen Wettkämpfen gewesen, wo ich sehr nah dran war und wir als Team sehr nah dran waren?", fragte er bei Instagram. Er habe viele Fragen.
Das Entsetzen in der seit dem Wochenende entzweiten Skisprung-Familie ist groß. Sven Hannawald sprach von der "Hässlichkeit unseres Sports". DSV-Sportdirektor Horst Hüttel zeigte sich "traurig und wütend". Er wundere sich über die im Skispringen beispielhafte Schamlosigkeit. Norwegens Funktionäre hatten sich zunächst so verteidigt, dass die Videos Anzüge für das kommende Wochenende gezeigt hätten. "Als die Techniker der anderen Nationen das gehört haben, hat es sie zerrissen. Das ist ja, als ob hier jemand unerlaubte Medikamente nimmt und sagt, die nimmt er ja für nächste Woche. Da kann ich überhaupt nicht folgen", sagte Hüttel.
"Es ist für mich eine Verarschung. Es ist eine klare Manipulation und klarer Sportbetrug, ähnlich wie Doping", wetterte Polens Cheftrainer Thomas Thurnbichler. Mit seinem Trainerkollegen Brevig rede er derzeit nicht mehr, fügte Thurnbichler an. "Ich bin schockiert. Mit so etwas hätten wir nicht gerechnet", sagte Renndirektor Sandro Pertile von der FIS. Am Sonntag leitete der Weltverband eine offizielle Untersuchung ein.