Istanbuls Bürgermeister Ekrem Imamoglu könnte in der Opposition bald zum Parteiführer werden - und damit zum Herausforderer für Präsident Erdogan, der nun rechtlich gegen Imamoglu vorgeht. Will er nur einen weiteren politischen Gegner verstummen lassen?
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat den oppositionellen Bürgermeister Istanbuls, Ekrem Imamoglu, wegen Verleumdung verklagt. Erdogan werfe Imamoglu "unbegründete Anschuldigungen und Verleumdung" gegen ihn vor, die seinen Ruf beschädigt und zu Hass aufgestachelt hätten, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu. Demnach soll Imamoglu die Äußerungen am Donnerstag bei einer Protestkundgebung getätigt haben.
Den Angaben zufolge fordert der Präsident Schadenersatz in Höhe von einer Million türkischer Lira (umgerechnet rund 27.000 Euro) von dem Bürgermeister. Dieser gehört der größten Oppositionspartei CHP an und gilt als scharfer Erdogan-Kritiker.
Gegen Imamoglu läuft noch ein Prozess wegen Betrugs. In dem Verfahren, das die Opposition als politisch motiviert kritisiert, drohen dem Politiker eine Haftstrafe und ein politisches Betätigungsverbot. Ihm wird Betrug bei Ausschreibungen während seiner Zeit als Bezirksbürgermeister in Istanbul vorgeworfen. Imamoglus Anwalt Kemal Polat bezeichnet die Anschuldigungen dagegen als "Lügen" und politisch motiviert, mit dem Ziel, Imamoglu zu schwächen.
Der 53-Jährige hatte die Wahl zum Istanbuler Bürgermeister Ende März zum zweiten Mal in Folge gewonnen und gilt als aussichtsreicher Gegenkandidat Erdogans bei einer zukünftigen Präsidentschaftswahl. In einem anderen Verfahren war Imamoglu bereits zu einem Politikverbot verurteilt worden. Die Entscheidung ist aber bislang nicht rechtskräftig.
In Istanbul war es am Vortag zu Protesten gekommen. Hunderte Menschen gingen gegen die Festnahme und Amtsenthebung eines Bezirksbürgermeisters auf die Straße. Ahmet Özer, Mitglied der Republikanischen Volkspartei (CHP), wurde am Mittwoch von der Anti-Terror-Polizei wegen mutmaßlicher Verbindungen zur verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK festgenommen. Die türkische Regierung ersetzte Özer am Donnerstag durch den stellvertretenden Gouverneur von Istanbul. Der CHP-Vorsitzende Özgür Özel und andere Politiker bezeichneten das Vorgehen als einen Putsch.