Die Europa-League-Partie zwischen Ajax und Maccabi Tel Aviv wird von brutalen Ausschreitungen überschattet. Israelische Fans werden auf offener Straße gejagt, geschlagen und mit Feuerwerkskörpern beschossen. Die Angreifer sind offenbar gut organisiert. Bereits im Vorfeld kommt es zu Auseinandersetzungen. Was über die Gewaltnacht in Amsterdam bekannt ist.
Was ist passiert?
Nach dem Europa-League-Spiel zwischen Ajax Amsterdam und dem israelischen Drittligisten Maccabi Tel Aviv kam es am Abend zu gewaltsamen Ausschreitungen. Die Polizei sprach von Unruhen an mehreren Orten im Zentrum der niederländischen Hauptstadt. Dabei richtete sich die Gewalt gezielt gegen israelische Fußballfans, wie die niederländischen Behörden berichteten.
Bei den Attacken wurden zehn Menschen verletzt, fünf von ihnen mussten im Krankenhaus behandelt werden. Offiziellen israelischen Angaben zufolge wurden zunächst drei Israelis vermisst, inzwischen meldete das israelische Außenministerium, alle Israelis in Amsterdam erreicht zu haben. Laut Polizei kam es im Zuge der Gewaltausbrüche zu 62 Festnahmen.
In den sozialen Medien kursieren Videos der Gewaltnacht, auf denen zu sehen ist, wie Gruppen schwarz bekleideter Männer Personen auf offener Straße jagen, schlagen und zu Boden treten. Viele von ihnen sind vermummt und tragen Palästina-Flaggen mit sich, "Free Palastine"-Rufe sind zu hören.
Wussten die Behörden vorher Bescheid?
Laut israelischen Angaben seien niederländische Sicherheitskräfte vor den Angriffen gewarnt worden. Israels Diaspora-Ministerium sei vorab über Pläne informiert worden, einen bestimmten israelischen Fan zu verletzen, der für den israelischen Grenzschutz arbeiten soll, meldeten israelische Medien. Das gelte auch für einen geplanten Angriff auf ein Hotel, in dem israelische Fußballanhänger übernachtet haben.
Zudem rechnete das Diaspora-Ministerium den Berichten zufolge auch mit einem gewalttätigen Protest vor Beginn des Fußballspiels vor der Johan-Cruyff-Arena, den die Stadtverwaltung eigentlich verboten hatte. Auch diese Erkenntnis sei mit den Niederlanden geteilt worden. Etwa 200 Demonstranten hatten nach Angaben der niederländischen Polizei am Donnerstagabend versucht, zur Spielstätte zu gelangen. Die Stadtverwaltung bestimmte einen anderen Ort in der Nähe für die Kundgebung.
Wer waren die Angreifer?
Offenbar handelt es sich bei den Angreifern um propalästinensische Jugendliche, die sich in Telegram-Gruppen untereinander organisiert hatten. Viele von ihnen seien auf E-Rollern unterwegs gewesen, um schnell fliehen zu können. Das berichtete die niederländische Zeitung "De Telegraaf".
Die Unruhestifter seien "aktiv auf die Suche gegangen nach israelischen Fans, um sie anzugreifen und zu misshandeln", hieß es in einer Erklärung von Stadt und Polizei. "An mehreren Stellen in der Stadt wurden Fans belagert, misshandelt und mit Feuerwerkkörpern beworfen", erklärte Bürgermeisterin Femke Halsema.
Im Gespräch mit dem niederländischen Sender "NOS" berichteten Maccabi-Fans, dass sie nach dem Spiel von einem aggressiven Mob am U-Bahnhof abgefangen worden seien: "Sie waren hinter uns her, schrien uns an, belästigten uns und riefen 'Free Palastine'." Ein anderer Fan erzählte von Maccabi-Anhängern, die verletzt ins Hotel zurückkehrten. "Sie sagten, sie seien getreten worden. Einer von ihnen musste ins Krankenhaus."
Um die Gewalt einzudämmen, waren in der gesamten Stadt rund 800 Polizistinnen und Polizisten im Einsatz, wie die "Daily Mail" berichtete. Laut Behördenangaben soll die Polizeipräsenz auch den kompletten Freitag über fortgesetzt werden.
Was passierte im Vorfeld der Angriffe?
Bereits vor dem Spiel gab es im Zentrum der Stadt Zusammenstöße von israelischen Fußballfans und Sicherheitskräften. Dabei wurden laut Polizei etwa zehn Personen festgenommen, wegen Störung der öffentlichen Ordnung und des verbotenen Besitzes von Feuerwerkskörpern. Israelische Fans sollen sich auch provozierend verhalten haben, berichteten Zeugen. Auf Videos im Internet ist zu sehen, dass sie palästinensische Flaggen von Häusern zerren und beleidigende Parolen rufen.
Bereits am Abend zuvor sollen zudem israelische Fußballfans eine palästinensische Flagge von einem Haus in Amsterdam gezogen und auf dem Dam-Platz im Zentrum Amsterdams in Brand gesetzt haben. Anschließend sollen sie den Autoverkehr durch einen Angriff auf einen Taxifahrer gefährdet haben, berichtete die niederländische Tageszeitung "De Telegraaf" in ihrem Liveblog.
Dies habe eine heftige Gegenreaktion ausgelöst, woraufhin die Israelis verfolgt wurden, heißt es dort. Eine Gruppe habe sich eine halbe Stunde lang in einer Filiale des Holland Casinos verschanzt, bevor die Polizei die Lage unter Kontrolle bekommen habe. In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag soll dann in propalästinensische Chat-Gruppen von einer neuen "Judenjagd" am nächsten Tag gesprochen worden sein. Linke Aktivisten sollen sich empört über einige Lieder der Maccabi-Fans vor dem Spiel geäußert haben, in denen zivile Opfer in Gaza beklatscht worden seien.
Wie werden die Israelis nach Hause gebracht?
Hunderte israelische Fans müssen nach Hause gebracht werden. Israelis könnten mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Flughafen reisen, wo Flüge nach Israel bereitgestellt würden, so das israelische Außenministerium. Örtliche Sicherheitskräfte seien im Einsatz. Zunächst hatte die Behörde den Menschen geraten, ihre Hotels nicht zu verlassen. Das Außenministerium riet zugleich, keine jüdischen oder israelischen Symbole zu tragen.
Die israelische Regierung erklärte, Maccabi-Anhänger mit Sondermaschinen abholen zu wollen. Ein erster Flieger wurde am Nachmittag in Amsterdam erwartet, wie eine Sprecherin der israelischen Luftfahrtbehörde mitteilte. Zudem seien im Anschluss noch zwei weitere reguläre Flüge nach Tel Aviv geplant.
Wie reagiert Israel auf die Angriffe?
Die Gewalt hatte in Israel empörte Reaktionen ausgelöst. Mehrere israelische Politiker sprachen von bestürzenden Gewaltszenen, bei denen propalästinensische Täter regelrecht Jagd auf Juden gemacht hätten. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu sprach in einem Telefonat mit seinem niederländischen Amtskollegen Dick Schoof von einem "vorsätzlichen antisemitischen Angriff". Schoof bezeichnete die Vorfälle ebenfalls als "antisemitische Angriffe auf Israelis" die "inakzeptabel" seien.
Der israelische Präsident Isaac Herzog erinnerte im Zusammenhang mit den Ausschreitungen in Amsterdam an den Großangriff der radikalislamischen Hamas auf Israel vom 7. Oktober 2023. "Wir haben an diesem Morgen schockierende Bilder und Videos gesehen, von denen wir gehofft hatten, dass wir sie nach dem 7. Oktober nicht wieder sehen müssen: Ein antisemitisches Pogrom gegen die Fans von Maccabi Tel Aviv und israelische Bürger im Herzen von Amsterdam", schrieb er auf X.
Israels neuer Außenminister Gideon Saar verurteilte die Ausschreitungen bei X als "barbarische und antisemitische Terrorattacken" und erklärte, kurzfristig in die Niederlande reisen zu wollen. Er wolle hochrangige Vertreter der niederländischen Regierung treffen, darunter seinen Amtskollegen, teilte das israelische Außenministerium mit. Saar werde dabei die Bedeutung des Kampfes gegen Antisemitismus betonen. Den Angaben nach wird sich der israelische Außenminister auch mit Mitgliedern der jüdischen Gemeinde vor Ort treffen. Saar
Wie reagiert die niederländische Politik?
Auch niederländische Politiker waren entsetzt. Der niederländische Ministerpräsident Dick Schoof verurteilte auf X diese "unakzeptablen antisemitischen Angriffe auf Israelis". Er habe inzwischen mit Ministerpräsident Benjamin Netanjahu telefoniert. Er sagte dem Land alle Unterstützung zu.
Der radikal-rechte Populist Geert Wilders schrieb auf X: "Ein Pogrom in den Straßen von Amsterdam. (...) Muslime mit palästinensischen Flaggen jagen Juden."
Was wollen die niederländischen Behörden jetzt unternehmen?
Bürgermeisterin Halsema erließ eine Notverordnung für ganz Amsterdam und die Nachbargemeinde Amstelveen. Das berichtete "De Telegraaf". Außerdem gelte am Wochenende in Amsterdam ein Demonstrations- und Vermummungsverbot. Halsema kündigte auch an, gefährdete Einrichtungen verstärkt sichern zu lassen.
Da sich nach wie vor Unruhestifter in der Stadt befänden, erklärt die Bürgermeisterin Amsterdam zudem zum Risikobereich. So können im gesamten Stadtbereich präventive Kontrollen durchgeführt werden.
Wie reagiert Deutschland?
Auch in Deutschland und weiteren Ländern zeigten sich hochrangige Politiker bestürzt. Bundeskanzler Olaf Scholz verurteilte die Vorfälle scharf. "Die Meldungen über Gewalt gegen israelische Fans in Amsterdam sind unerträglich. Das dürfen wir nicht hinnehmen, schrieb er auf X. "Wer Jüdinnen und Juden angreift, greift uns alle an. Jüdinnen und Juden müssen sich in Europa sicher fühlen können."
Ähnlich äußerte sich Außenministerin Annalena Baerbock: "Die Bilder aus Amsterdam sind furchtbar und für uns in Europa zutiefst beschämend". Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen äußerte sich empört. "Antisemitismus hat in Europa absolut keinen Platz", erklärte sie. Im Zuge des Gaza-Kriegs zwischen Israel und der radikal-islamischen Hamas ist auch in den Niederlanden die Zahl antisemitischer Vorfälle gestiegen.
Bundestagspräsidentin Bärbel Bas äußerte sich im Bundestag in Zusammenhang mit dem Gedenken an die November-Pogrome 1938 zu den Vorfällen in Amsterdam. "Wir sind uns der Verantwortung bewusst, die aus der Shoah erwächst. Besonders, da sich Judenhass in unserer Gesellschaft in einem erschreckenden Ausmaß zeigt", sagte sie. "Das gilt nicht nur für Deutschland. Gerade erst heute Morgen sehen wir schockierende Bilder aus Amsterdam von unerträglicher Gewalt gegen israelische Fußballfans."