Die kriselnde Baubranche rechnet in diesem Jahr erneut mit Umsatzeinbußen. Die Erwartungen an die neue Bundesregierung sind am Tag der deutschen Bauindustrie entsprechend hoch.
"Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Bearbeitungszeiten bei der Förderung von Bauprojekten sehr, sehr lange dauern", sagt Klaus Schäffner. Er ist Technikchef einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft in Ludwigshafen. Bei einem Neubauprojekt für öffentlich geförderten Wohnraum hätte die Projektleitung 18 Monate auf die Förderzusage warten müssen.
Dadurch gebe es "natürlich massive Probleme", erzählt Schäffner. "Wenn sich das alles so lange hinzieht, dann verschiebt sich auch der gesamte Zeitplan, und die Kosten explodieren, weil etwa beauftragte Bauunternehmen die Preise nicht mehr halten können." Dann bringe am Ende auch die beste Förderung nichts.
Plattenbau soll modernem Wohnquartier weichen
Klaus Schäffner zeigt auf eine Reihe mehrstöckiger Wohnhochhäuser mit grauen, teils maroden Fassaden. Es ist das nächste Großprojekt: eine typische 70er-Jahre-Plattenbausiedlung in Ludwigshafen-Oggersheim, einem Stadtteil, der vor allem durch Helmut Kohl Bekanntheit erlangte. Der Altkanzler wohnte in dem Stadtteil bis zu seinem Tod 2017.
"Die Gebäude mit der Hausnummer 1 bis 9 sollen alle weg. Und der Wohnblock gegenüber", erklärt Schäffner. Denn die rund 330 Wohnungen nach EU-Klimavorgaben energetisch zu sanieren, sei technisch und finanziell nicht machbar. An ihrer Stelle soll ein neues, modernes Wohnquartier mit günstigen Wohnungen entstehen. "Neuester Standard, Gebäudetyp E", schildert Schäffner. Die ganze Siedlung soll mit Fernwärme versorgt und klimaneutral werden.
Bauingenieur Schäffner rechnet mit bis zu 90 Millionen Euro Gesamtkosten für das Projekt. Alleine der Abriss der Hochhäuser koste rund vier Millionen Euro. Zwar gebe es dafür Fördergeld vom Land Rheinland-Pfalz, doch das decke nicht die Kosten für die Entsorgung. Und die könnte wegen der vielen Schadstoffe sehr teuer werden: "Die Außenfassaden sind mit Asbest belastet", erklärt Schäffner. "Dafür müssen Spezialfirmen beauftragt werden, die jedes Bauteil untersuchen und separat entsorgen." Die exakten Kosten dafür seien derzeit schwer abzuschätzen.
Forderungen: kurze Wege und weniger Bürokratie
Aktuell laufe das Bebauungsplanverfahren. Mit dem Abriss könnten sie frühestens in zwei, drei Jahren beginnen. Vorher müsse ein Ersatzneubau errichtet werden, in dem die Mieter - insgesamt bis zu 800 Menschen - vorübergehend untergebracht werden. Anderen verfügbaren Wohnraum gebe es keinen.
Gerade wegen der vielen Unabwägbarkeiten bei einem solchen Projekt seien sie in der Planung auf kurze Wege und weniger Bürokratie im Genehmigungsprozess angewiesen. Stattdessen sei vieles jedoch kompliziert und langwierig, hinzu kämen immer strengere Vorgaben, schildert Schäffner. Er wünscht sich eine Entschlackung der Bauvorschriften, die hätten in den vergangenen Jahren die Kosten zusätzlich in die Höhe getrieben.
Verbände wollen verlässliche Förderpolitik
Mit seinen Forderungen ist er nicht alleine: Der Spitzenverband der deutschen Wohnungswirtschaft GdW setzt sich bei sozialen Wohnungsbauprojekten für schnellere Bau- und Planungsverfahren sowie eine dauerhafte und verlässliche finanzielle Förderung ein. Diese müsse zudem auch mehr an die realen Baukosten angepasst werden.
Zudem müsse das Bauordnungsrecht entbürokratisiert und bundesweit vereinheitlicht werden. Bisher gibt es in jedem Bundesland eine eigene Bauordnung. Dadurch sei schnelles und günstiges Bauen kaum möglich. Wegen langwieriger und komplexer Genehmigungsverfahren und oft überforderter Behörden würden sich Wohnungsbauprojekte oft um Jahre verzögern, kritisiert der GdW.
Auch die Auflagen für klimaneutrales Bauen müssten realistisch und bezahlbar sein. Um bezahlbares Wohnen weiter möglich zu machen, brauche besonders der soziale Wohnungsbau gezielte Fördermittel. Der Verband fordert für kommunale Wohnungsunternehmen außerdem verlässliche Rahmenbedingungen und mehr Investitionssicherheit.
Branche hofft auf Bau-Turbo
Die kriselnde Baubranche hofft in der Baupolitik auf einen Aufbruch durch die neue Bundesregierung. Schwarz-Rot hatte angekündigt, in den kommenden Jahren 500 Milliarden Euro für die Infrastruktur auszugeben. Doch trotz der angekündigten Investitionspläne herrscht in der Bauwirtschaft statt Bau-Boom derzeit eher noch trübe Stimmung.
Für dieses Jahr rechnet der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB) erneut mit einem Umsatzrückgang von einem Prozent. Im Wohnungsbau könnte es sogar einen Umsatzeinbruch von vier Prozent geben. Der Verband geht davon aus, dass sich die zusätzlichen finanziellen Mittel frühestens im kommenden Jahr auf die Branche auswirken. Daher brauche es bereits jetzt "mutige Entscheidungen" und konkrete Maßnahmen wie weitere Investitionen, Steuerentlastungen und Bürokratieabbau.
Immerhin verzeichnet der Wohnungsbau bei den Baugenehmigungen einen leichten Aufwärtstrend im ersten Quartal: So wurden laut Zahlen des Statistischen Bundesamtes deutschlandweit im März 19.500 Wohnungen genehmigt, die neu- oder umgebaut werden sollen - ein Plus von mehr als drei Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Allerdings waren in den Jahren zuvor die Zahlen der Wohnungsgenehmigungen deutlich zurückgegangen. Gleichzeitig sei zudem die deutsche Bevölkerung vergangenes Jahr um 100.000 Menschen gewachsen.
Erwartungen an Regierung sind groß
"Bauen, bauen, bauen": So hatte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) es selbst angekündigt. "Daran wird sich die Regierung messen lassen müssen", meint Peter Hübner, Präsident des Hauptverbands der deutschen Bauindustrie.
Auch die neue Bundesbauministerin Verena Hubertz (SPD) hat die Messlatte bereits selbst hoch angesetzt. Die SPD-Politikerin aus Rheinland-Pfalz kündigte vor knapp einer Woche im Bundestag an, in der Baupolitik "Tempo" zu machen und versprach einen "Wohnungsbau-Turbo".
Wie sie das schaffen will? Unter anderem will Hubertz innerhalb von 100 Tagen einen Gesetzesentwurf für schnelleres Bauen und bezahlbares Wohnen vorlegen. Für den sozialen Wohnungsbau soll es zudem jedes Jahr Fördermittel von mehr als 3,5 Milliarden Euro geben. Außerdem soll die Mietpreisbremse verlängert und Genehmigungsverfahren per Gesetz beschleunigt werden.
Wunsch nach Verlässlichkeit und Planbarkeit
Klaus Schäffner von der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft in Ludwigshafen hofft, dass die neue Regierung die Probleme ernsthaft anpackt, besonders wenn es um dringend benötigten Wohnraum geht.
Da wünscht er sich schnellere Bauverfahren sowie verbindliche Förderzusagen: "Da bräuchten wir eine stets zuverlässige Förderlandschaft, die auch noch in zwei, drei, vier Jahren, wenn es an die tatsächliche Realisierung geht, Bestand hat. Das wäre wichtig, um zu wissen, inwieweit das auch finanziell zu stemmen ist."
Mit dem ersten Spatenstich für den Neubau des Ludwigshafener Wohnviertels rechnet der Bauingenieur frühestens in drei Jahren.