Kurz vor der dritten Verhandlungsrunde in der Metall- und Elektroindustrie testet die IG Metall die Streikbereitschaft der Beschäftigten. Die Arbeitgeber kritisieren die Warnstreiks als nutzlose Drohgebärden.
Kaum ist die zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaft vereinbarte Friedenspflicht abgelaufen, wird in ganz Deutschland gestreikt. Seite heute Nacht 00:01 Uhr legen Beschäftigte in der Metall- und Elektroindustrie deutschlandweit ihre Arbeit nieder und versammeln sich vor den Werkstoren. Zum Beispiel in Stuttgart vor den Porsche-Toren, 6.000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sollen sich hier an einer Kundgebung beteiligen.
Erstes Angebot liegt auf dem Tisch
So will die IG Metall Druck in den festgefahrenen Tarifverhandlungen aufbauen, denn in der vergangenen Verhandlungsrunde lagen beide Parteien noch weit auseinander. Sieben Prozent mehr Lohn in zwölf Monaten fordert die IG Metall, 3,6 Prozent bieten die Arbeitgeber - allerdings gestreckt über mehr als zwei Jahre.
"Die Erfahrungswerte der vergangenen Tarifrunden zeigen, dass wir ohne den Druck der Kolleginnen und Kollegen relativ wenig Bewegung sehen bei unseren Verhandlungspartnern", sagt IG-Metall Tarifvorständin Nadine Boguslawski im Gespräch mit tagesschau.de. "Was sich draußen vor den Werkstoren bewegt, ist am Verhandlungstisch zu spüren."
Warnstreiks in wirtschaftlich schwieriger Lage
Das erste Angebot der Arbeitgeber sei zu wenig gewesen, die Beschäftigten verdienten nach der langen Zeit der Inflation mehr Geld. Und dass trotz der derzeit schwierigen wirtschaftlichen Lage, denn "die einzige Chance, einen wirtschaftlichen Aufschwung herzustellen, ist der private Konsum. Und den können wir nur mit mehr Gehalt in der Tasche ankurbeln".
Unverantwortlich in der derzeitigen wirtschaftlichen Lage, sagen die Arbeitgeberverbände. "Die Forderungen der IG Metall stammen aus einer anderen Zeit. Inzwischen befindet sich die Metall- und Elektro-Industrie im freien Fall", meint Gesamtmetall-Präsident Stefan Wolf. Er kritisiert die Warnstreiks als Drohgebärden, die die Verhandlungen nicht weiter voranbrächten.
Arbeitsplätze gefährdet?
Mitten in die Vorbereitungen auf den Warnstreik platzte die Nachricht, dass Volkswagen laut dem dortigen Betriebsrat drei Werke schließen und zehntausende Arbeitsplätze abbauen wolle. Einen Standortnachteil und Arbeitsplatzabbau fürchtet auch die Arbeitgeberseite der Metall- und Elektroindustrie, sollte sich die Gewerkschaft mit ihren Forderungen durchsetzen.
Dieses Argument will Tarifvorständin Boguslawski nicht stehen lassen. Auf wirtschaftlich schwierige Zeiten habe man auch schon jetzt immer reagieren können: "Betriebe, denen es wirtschaftlich nicht gut ging, hatten eine Differenzierungsmöglichkeit. Das heißt, sie konnten Entgeltbestandteile später zahlen, verringern, schieben oder aussetzen." Eine solche Regelung sei auch für den neuen Tarifvertrag denkbar - je nach Verhandlungsverlauf.
Keine Einigung in Sicht
Während die Warnstreiks laufen, wird weiterverhandelt. Die regionalen Arbeitgeberverbände haben dafür unterschiedliche Tage gewählt. So wird heute beispielsweise schon in Norddeutschland verhandelt, Bayern folgt am Mittwoch und Baden-Württemberg am Donnerstag.
Doch eine Einigung in dieser dritten Verhandlungsrunde erwarten beide Seiten nicht. Gesamtmetall-Präsident Wolf sieht die Gewerkschaft am Zug: "Für einen Kompromiss muss man sich aufeinander zu bewegen. Wir haben in der 2. Runde ein faires Angebot gemacht. Wir erwarten nun von der IG Metall, dass sie sich in der 3. Verhandlungsrunde auf uns zubewegt."
IG Metall ist selbstbewusst
Unter Zugzwang sieht sich die IG Metall nicht. Sie erhofft sich eine hohe Streikbeteiligung und dementsprechend gestärkt die Verhandlungen führen zu können. "Es gibt auch nur deswegen Warnstreiks, weil es die entsprechende Stimmung auch bei den Beschäftigten gibt", erklärt Nadine Boguslawski. "Die haben das große Bedürfnis, auch nach diesem Angebot der Arbeitgeber zu demonstrieren." Und so sind in den kommenden Tagen vier Millionen Beschäftigte zum Streik aufgerufen - trotz laufender Verhandlungen.