3 months ago

Vorwurf: "Inakzeptable" Rede: Ungarn bestellt deutsche Botschafterin ein



Eine Rede sorgt für diplomatische Verstimmungen: Weil sie die Regierung um Ministerpräsident Orban kritisiert, bestellt Ungarn die deutsche Botschafterin ein. Derweil droht Budapest auf europäischer Ebene neuer Ärger: Die EU-Kommission bereitet eine weitere Klage vor.

Außenminister Peter Szijjarto hat Deutschlands Botschafterin in Budapest, Julia Gross, wegen Kritik an der Politik der ungarischen Regierung einbestellt. Die Diplomatin habe sich in einer öffentlichen Ansprache "auf schwerwiegende, die Souveränität unseres Landes verletzende Weise in die inneren Angelegenheiten Ungarns eingemischt", schrieb Szijjarto auf seiner Facebook-Seite. "Die Rede der Botschafterin war in ihrer Gänze inakzeptabel", fügte er hinzu. Ungarn verlange von den im Lande tätigen Botschaftern und Botschafterinnen "Respekt".

Gross hatte am Mittwoch in einer Veranstaltung aus Anlass des Tages der Deutschen Einheit in Budapest gesagt, dass die Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban einen Weg eingeschlagen habe, der die beiden Länder auseinanderbringen würde. Das berichteten ungarische Medien.

Deutschland ist Ungarns wichtigster Handels- und Investitionspartner. Zuletzt hatten in Ungarn tätige deutsche Unternehmen aus verschiedenen Dienstleistungsbranchen beklagt, von der Orban-Regierung unter Druck gesetzt zu werden, um Märkte an regierungsnahe Oligarchen abzutreten. Orban, ein Rechtspopulist, verfolgt außerdem in Teilen eine prorussische Politik und baut nach Ansicht von Kritikern Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Ungarn ab.

EU-Kommission bereitet erneute Klage vor

Unterdessen drohen auch auf europäischer Ebene neue Verstimmungen: Die EU-Kommission will Ungarn erneut wegen mutmaßlicher Verstöße gegen europäisches Recht vor dem Europäischen Gerichtshof verklagen. Grund sei diesmal das nationale Gesetz über die "Verteidigung der Souveränität", teilte die Brüsseler Behörde mit.

Sie sieht darin unter anderem Verstöße gegen Grundsätze der Demokratie, der freien Meinungsäußerung und der Vereinigungsfreiheit. Konkret geht es den Angaben zufolge auch um die Achtung des Privat- und Familienlebens und das Recht darauf, vertraulich mit Anwältinnen und Anwälten sprechen beziehungsweise schreiben zu können.

Mit dem im Dezember verabschiedeten Gesetz wurde ein neues "Amt für Souveränitätsschutz" eingerichtet, das eventuelle Bedrohungen Ungarns aus dem Ausland überwachen soll. Das bereits geltende Verbot der Parteienfinanzierung aus dem Ausland wurde damit auf Vereine und andere Organisationen ausgeweitet. Verantwortlichen dieser Organisationen, die versuchen, Finanzquellen aus dem Ausland zu verschleiern, drohen zudem drei Jahre Freiheitsentzug.

Sorge wegen "Amt für Souveränitätsschutz"

"Das Gesetz verleiht dem Amt einen sehr weiten Ermessensspielraum für die Ermittlungen - insbesondere, was den Zugang zu Informationen betrifft -, und gestattet es dem Amt, in die Ermittlungstätigkeit anderer Behörden einzugreifen", teilte die EU-Kommission mit. Die Befugnisse und der große Ermessensspielraum werde Folgen etwa für Nichtregierungsorganisationen, Medien und Journalisten haben und wohl nicht verhältnismäßig sein. Der Grünen-Abgeordnete Daniel Freund sagte, das Gesetz "stammt aus dem Lehrbuch Wladimir Putins und kommt ganz konkret gegen die Zivilgesellschaft in Ungarn zum Einsatz".

Bereits im Februar hatte die Brüsseler Behörde wegen des neuen Gesetzes ein sogenanntes Vertragsverletzungsverfahren gegen Budapest eingeleitet. Ungarn hielt jedoch an dem Gesetz fest. Sollte die Klage der Kommission nun erfolgreich sein und der Europäische Gerichtshof Budapest verurteilen, droht bei einem weiteren Festhalten an dem Gesetz eine Geldstrafe.

Es wäre nicht die erste Geldstrafe gegen Ungarn. Der EuGH verhängte beispielsweise im Juni eine Strafe, weil Ungarn aus EuGH-Sicht gegen das EU-Asylrecht verstößt. Da Ungarn die 200-Millionen-Euro-Strafe nicht bezahlt hat, will die Europäische Kommission das Geld von künftigen EU-Zahlungen an Budapest abziehen.

Adblock test (Why?)

Gesamten Artikel lesen

© Varient 2025. All rights are reserved