Kacie Rose Burns zog der Liebe wegen von den USA nach Italien und merkte: Interkulturelle Kommunikation hat ihre Tücken. Ihre Unwissenheit verarbeitete sie zu einem Bestseller.
In einem Land, in dem der Kaffee stark und im Stehen getrunken wird, hat Kacie Rose Burns einen Ort zum Verweilen gefunden. Die 31-Jährige betritt eine Dachterrasse in der Via Roma, nur wenige Meter entfernt vom berühmten Dom zu Florenz. Hier sitzen stilvoll gekleidete Menschen an ihren Laptops, einige telefonieren auf Englisch, hin und wieder nippen sie an ihren Chai Lattes. Auf der Karte dieses hippen Cafés stehen Granola, vegane Burger und Miso Lachs.
Kacie in Florenz ist wie die reale Version von "Emily in Paris". In der Netflix-Serie geht es um eine junge Amerikanerin. Sie zieht nach Europa, verliebt sich unverzüglich in einen charmanten Koch, stolpert – gleichermaßen verzückt und überfordert von der neuen Kultur – von einem Fettnäpfchen ins Nächste und teilt das in den sozialen Medien. In der fünften Staffel, die 2026 ausgestrahlt werden soll, zieht es Emily sogar von Frankreich nach Italien.
Als der stern beim Gespräch in Florenz diesen Vergleich zieht, muss Burns lachen. "Ich hoffe sehr, dass die Serie der italienischen Kultur gerecht wird", sagt sie. "Es ist sehr leicht, die Grenze zur Respektlosigkeit zu überschreiten." Sie muss es wissen: Kurzvideos über kulturelle Unterschiede sind ihr Geschäft.
Auslandsreisen sind für US-Amerikaner nicht selbstverständlich
Auf Tiktok folgen Burns 1,1 Millionen Menschen, auf Instagram sind es 600.000. Sie hat ein Unternehmen gegründet, das Gruppenreisen durch Italien anbietet. Im Herbst 2024 erschien außerdem ihr erstes Buch mit dem Titel "You Deserve Good Gelato" – du verdienst gute Eiscreme. Es ist eine Mischung aus anekdotischer Erzählung und Selbsthilferatgeber und wurde ein "New York Times"- Bestseller.
Ihr Erfolgsrezept? Sie zuckt die Schultern. "Ich glaube, die Leute haben keine Lust, von sozialen Medien nur perfekte Menschen präsentiert zu bekommen", sagt sie. "Und mit Perfektion kann ich ohnehin nicht dienen."
Burns hat keine Scheu, ihre eigene Unwissenheit zuzugeben. In ihren Sketchen spielt sie Situationen nach, die sie in ihrem italienischen Alltag überfordert haben: Anders als in den USA werden etwa in einer "Farmacia" keine Geburtstagskarten verkauft – schließlich handelt es sich um eine Apotheke und nicht um eine Drogerie. Alkohol darf in der Öffentlichkeit getrunken werden, die Flasche Wasser ist im Restaurant nicht kostenlos und viele Betriebe schließen im August für eine Sommerpause.
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Burns ist keine Influencerin, die ihre Videos mit dem ebenso bekannten wie nervigen "Oh mein Gott, Leute, ihr werdet nicht glauben, was mir gerade passiert ist" beginnt, wie es auf Instagram und Tiktok üblich ist. Der Grundton ihrer Videos ist ein zugewandter: "Ach so, gut zu wissen."
So manche Erkenntnisse, die sie vermittelt, mögen auf Beobachter hierzulande unterkomplex wirken: Italien ist eines der Haupturlaubsländer der Deutschen. Für die kurze Flugreise braucht es wenig Abenteuergeist, zumal italienische Städte auf Tourismus ausgerichtet sind und über eine Infrastruktur verfügen, von der die Deutsche Bahn etwas lernen könnte.
Viele Amerikaner haben gar keinen Pass, weil das Reisen für sie einfach nicht infrage kommt
Warum es Burns dennoch Mut gekostet hat, im Herbst 2018 einen Solotrip nach Italien anzutreten, wird deutlich, wenn sie vom Alltag in den USA berichtet. "Viele Amerikaner haben gar keinen Pass, weil das Reisen für sie einfach nicht infrage kommt", sagt sie. "Viele Menschen schaffen es kaum, die Kosten für medizinische Behandlungen oder die Ausbildung ihrer Kinder zu stemmen. Bezahlte Urlaubstage gibt es nicht. Wer in Nebraska auf dem Land lebt, ist außerdem vier Stunden vom nächsten Regionalflughafen entfernt."
Sie selbst wuchs zwischen Seen und Kirschbäumen im US-Staat Michigan auf. Mit 17 zog sie nach New York, um professionelle Tänzerin zu werden. "In Italien werde ich ständig gefragt: Wie konntest du New York nur verlassen? Aber das Leben dort ist hart. Ich habe rund um die Uhr gearbeitet, um mich zu finanzieren." Burns hetzte von einem Vortanzen zum nächsten, jobbte zusätzlich als Kindermädchen, Rezeptionistin und Verkäuferin. "Profitanz kann toxisch sein", sagt sie heute. "Es gibt eine Menge Ablehnung und viele Dinge, die außerhalb der eigenen Kontrolle liegen."
Ein Solotrip nach Italien veränderte ihr Leben
Burns beschloss, sich diese Kontrolle zurückzuholen. Nach einigen Gläsern Wein und einigen vergossenen Tränen buchte sie online einen Flug: ein Solotrip nach Italien. Ihr erster Abend in Florenz führte sie in einen Jazzclub. Ich bleibe nur für einen Song, nahm sie sich vor. Dann fiel ihr Blick auf einen Mann am anderen Ende des Lokals. Auch er war allein dort, ein Freund hatte ihn versetzt. Ich bleibe nur für einen Song, hatte er sich vorgenommen. "Er trug zerrissene Jeans, ein weißes T-Shirt und eine Lederjacke. Ich dachte: Das ist der Inbegriff eines Italieners", sagt Burns und blickt auf den Verlobungsring an ihrem Finger.
Sie und Dario, der in Florenz als Koch arbeitet, begannen ein Gespräch, das bis um vier Uhr morgens andauerte. Auch die folgenden Tage verbrachten sie zusammen, bis zu einem tränenreichen Abschied am Bahnsteiggleis. Doch der Kontakt blieb bestehen: Dario besuchte sie in New York, fand dort einen Job in einem italienischen Restaurant. Mit dem Ablauf seines Visums entschied Burns, ihm nach Italien zu folgen – zunächst auf Probe. Im Wartebereich des Flughafens schnitt sie die Geschichte ihrer Beziehung zu einem Video zusammen, teilte es im Internet und schaltete ihr Handy in den Flugmodus. Bis das Paar in Florenz landete, war es viral gegangen.
Seitdem sind vier Jahre vergangen. Burns hat ihre Inhalte inzwischen erweitert: Neben der humoristischen Aufarbeitung kultureller Unterschiede gibt sie Reisetipps. Was ist der Unterschied zwischen Trattoria und Osteria? (Trattoria = lokale Hausmannskost, Osteria = Schenke mit Speisekarte). Was gibt es auf Sizilien zum Frühstück? (Granita mit Brioche, also Sorbet mit Gebäck). Und welche Stadt sollte man bei einem Roadtrip auf der Insel unbedingt besuchen? (Syrakus). Unter den Videos stellen Italien-Urlauber Nachfragen oder teilen ihre eigenen Erfahrungen.
"Es ist zum Trend geworden, sich über Touristen lustig zu machen"
Nach ihrem Umzug nach Florenz war Burns für jedes Formular und jeden Arztbesuch auf die Hilfe ihres Freundes angewiesen. "Mich hat das mehr gestört als ihn, weil ich es als eine Form von Schwäche ansah, um Hilfe zu bitten." Auch die Kommunikation miteinander war nicht immer einfach: "In Michigan ist es sehr üblich, mit 'Yeah' zu antworten, wenn jemand 'Danke' sagt." Das solle bedeuten: Nichts zu danken. "Aber irgendwann fragte Dario, warum ich ständig so genervt von ihm sei." In diesen Momenten müsse man das eigene Ego zurückstellen und sich fragen: Was meinst du damit? Was möchte ich ausdrücken? Ist dieses Missverständnis kulturell bedingt?
"Ich habe den Eindruck, dass italienische Männer ihre Gefühle und Emotionen viel deutlicher kommunizieren als Amerikaner", sagt Burns. "Sie haben keinen falschen Stolz, spielen keine Spielchen." Auch die Ehe habe ein anderes Gewicht. "Ich kenne viele italienische Paare, die nach zehn Jahren ein gemeinsames Kind oder Haus haben, aber unverheiratet sind. In den USA stürmt man dagegen zum Altar – einige Paare heiraten nach einem Jahr Beziehung."
Dass Dario und sie sich mit ihrer Verlobung Zeit ließen, sorgte unter den Followern für Spekulationen. Harmlose Kommentare im Vergleich zu den Beleidigungen, die Burns für ihre dünnen Lippen oder ihre amerikanische Herkunft erfährt. In ihrem Buch beschreibt sie, wie sie eines Abends von ihrem Handybildschirm aufsah und Dario fragte: Kann es sein, dass sie recht haben? Bin ich dumm und unsensibel?
Immer öfter wird freundliche Neugier in den sozialen Medien mit Häme bestraft. "Es ist zum Trend geworden, sich über Touristen lustig zu machen", beobachtet die Influencerin. Einer der häufigsten Kommentare unter ihren Videos lautet: Du weißt schon, dass Google kostenlos ist? "Aber wenn es ums Reisen geht, kann man nicht wissen, was man alles nicht weiß", sagt Burns. "Es gibt Dinge, die muss man am eigenen Leib erfahren – darin liegt ihre Schönheit. Sonst könnte man auch zu Hause bleiben."
Vom American Dream zu La Dolce Vita
Bereut Burns es, den American Dream gegen La Dolce Vita eingetauscht zu haben? Wenn sie stundenlang in der Schlange der Post warte, vermisse sie die amerikanische Effizienz, sagt sie. "Aber ich glaube nicht, dass der amerikanische Traum heute noch realisierbar ist. Das Konzept ist überholt." Dafür seien sich die Italiener der Lebensart des Dolce Vita gar nicht bewusst. "Das ist ihrem Alltag einfach inhärent: Sie kultivieren persönliches Glück. Beziehungen haben hier einen höheren Wert als materielle Dinge."
In ihren überwiegend amerikanischen Followern möchte Kacie die Reiselust wecken – und vermitteln, dass es die eine richtige Lebensweise nicht gibt. "Verständnis für kulturelle Unterschiede ist ein nützliches Werkzeug: Es erlaubt uns, Empathie oder sogar Sympathie für andere Menschen zu entwickeln", sagt sie und hofft, Brücken zu bauen. Insbesondere zu ihrem Heimatland, dessen Bevölkerung aus 300 Millionen Menschen selbst so gespalten ist, dass ein süßes Leben weit entfernt scheint.