1 month ago

Vorschlag des Ärztekammerchefs: Werden Arbeitnehmer bald halbtags krankgeschrieben?



Wer krankgeschrieben ist, arbeitet in aller Regel nicht. Patienten erholen sich auf der heimischen Couch von der Schnupfennase oder einem Infekt. Der Chef der Bundesärztekammer könnte sich jetzt eine Reform dieser Praxis vorstellen. Er schlägt Halbtags-Krankschreibungen vor.

Der Krankenstand in Deutschland ist in diesem Jahr so hoch wie nie. Ein vermeidbares Problem, wenn man das Gesundheitssystem reformieren würde, ist sich Klaus Reinhardt als Präsident der Bundesärztekammer sicher. Er schlägt vor, Teilzeitkrankschreibungen zu ermöglichen. Arbeitnehmer wären dann auf dem Papier nur noch halbtags krank. Dies geht auch über mehrere Tage hinweg.

"Unser Gesundheitswesen unterscheidet grundsätzlich zwischen Arbeitsfähigkeit und Arbeitsunfähigkeit", erklärte Reinhardt den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Doch: "Die Arbeitswelt hat sich in den letzten Jahren sehr stark verändert, insbesondere durch die Digitalisierung und die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten. Krankschreibungen für einige Stunden täglich könnten den neuen Möglichkeiten Rechnung tragen und für mehr Flexibilität sorgen", sagte er.

Der Chef der Bundesärztekammer verglich dies mit der Wiedereingliederung nach längeren Krankheitsphasen, womit man "gute Erfahrungen gemacht" habe. Dabei wird die Arbeitszeit nach einer mehrwöchigen Krankheit sukzessive erhöht, damit der Arbeitnehmer sich wieder schrittweise an die Belastungen gewöhnen kann.

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"Diese Erfahrungen ließen sich sicher auch auf weniger schwere Erkrankungen übertragen. Ein Beispiel dafür sind Bagatellinfekte, bei denen der direkte Kontakt mit den Kolleginnen und Kollegen im Büro vermieden werden sollte", führte Reinhardt aus. "In solchen Fällen bietet das Arbeiten im Homeoffice aber unter Umständen die Möglichkeit, im begrenzten Umfang berufliche Aufgaben wahrzunehmen und sich dennoch zu erholen." Klar sei, dass "die ungefährdete Genesung immer an erster Stelle" stehe. Eine solche Teilzeitkrankschreibung würde also nicht zum Regelfall werden, verdeutlichte der Ärztekammerpräsident.

Damit würde man sich am Modell Skandinaviens orientieren, wo dies bereits praktiziert wird. Angesichts des hohen Krankenstands in Deutschland rückt der Vergleich derzeit immer wieder in die Diskussion. Die Krankentage sind in den nordischen Ländern seit der Einführung der Teilzeitkrankschreibung teils deutlich zurückgegangen. Allerdings bekommen Arbeitnehmer etwa in Schweden ab dem zweiten Tag nur 80 Prozent ihres Lohns bei Krankheit bezahlt, weshalb sie die Regelung zur Aufbesserung ihrer finanziellen Situation nutzen. Der Vergleich ist deshalb nur bedingt auf die Situation hierzulande übertragbar, wo es die hundertprozentige Lohnfortzahlung für sechs volle Wochen standardisiert gibt.

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