
fcn.de: Servus Peter! Vielen Dank, dass du dir Zeit für uns nimmst Wie lange sitzt du denn hier schon auf deinem Stammplatz? Seitdem das neue Stadion umgebaut wurde. Zuvor war ich in Block 4. Danach war dies mit einigen Kumpels von der Seerose der auserkorene Block. Als die Anzeigetafel etwas höher gebaut wurde, fielen zwar einige Plätze weg, aber wir waren immer in der ersten Reihe. fcn.de: Und davor hattest du auch schon eine Dauerkarte? Ja, zuvor war ich in Block 4, der damals der Stimmungsblock der Cluberer war. Da gab es aber nur Stehplätze. Mit dem Umbau des Stadions wechselten wir zu den Sitzplätzen. Aber hier sitzt ja keiner während des Spiels (lacht). Bei den Club-Spielen wird einfach gestanden! fcn.de: Nimm uns mal mit in die Anfangszeiten. Wie kam es dazu, dass du dir eine Dauerkarte gekauft hast? Ich bin 1960 geboren und 1968 durch meinen Vater zum Club gekommen. Die letzte Deutsche Meisterschaft habe ich also noch miterlebt, aber im Alter von acht Jahren kann man die Bedeutung noch nicht wirklich einordnen. Bis Anfang der 70er-Jahre war es dann noch normal, dass man beispielsweise zu Max Morlock in den Lotto-Laden gefahren ist und sich dort die Karte für Samstag gekauft hat. Manchmal auch an den Tageskassen, da der Ansturm noch nicht so groß war. Mitte der 70er wollte man es dann aber ein bisschen bequemer haben und ich habe mir meine erste Dauerkarte geholt. Die wurden dann noch unten am Einlass abgezwickt und man konnte immer genau sehen, ob man auch wirklich alle Heimspiele besucht und miterlebt hat. fcn.de: Das heißt, du bist dann mit deinen Kumpels zu jedem Heimspiel gefahren? Ja, genau. Das waren Freunde aus der Schule oder der Nachbarschaft und dann ging es in den Block 4. Teilweise war es auch so, dass, wenn das gegnerische Tor nicht vor unserem Block, sondern bei Block 14 war, wir in der Halbzeit den Block wechselten, um immer das gegnerische Tor genau im Blick zu haben. Da gab es noch keine Blocktrennungen und in Block 14 war immer genug Platz. fcn.de: Wie viele Freunde aus den Anfangszeiten sitzen denn jetzt noch hier bei dir? Von den ganz Alten sitzt noch einer hier. 1975 bin ich dann zur Seerose gekommen und wir haben zu jedem Heimspiel noch immer bis zu 50 Mann hier im Stadion. Hier, in meinem Block 8, sind es noch um die 20 Leute, die von der Seerose hier sitzen. fcn.de: Das sind dann auch sicherlich gute Freundschaften, oder? Das sind Freundschaften fürs Leben! Man sieht sich nicht immer unter der Woche. Aber wenn jemand Geburtstag hat oder Hilfe benötigt, ist man einfach füreinander da. Und die Highlightspiele in fremden Stadien, wie Pokalfinale oder Europapokalspiele, haben wir auch alle zusammen erlebt. fcn.de: Wie viele Heimspiele hast du denn in all den Jahren verpasst? Also ab dem Jahr 1972 bis 1990 habe ich kein einziges Heimspiel verpasst. Da ist man auch mit Erkältung ins Stadion gegangen und danach wieder ins Bett (lacht). Danach haben sich bei mir beruflich ein paar Dinge geändert, so dass ich auch mal das eine oder andere verpasst habe. Aber grundsätzlich sind die Heimspiele gesetzt. fcn.de: Und auswärts? Bis 1985 bin ich fast zu jedem Auswärtsspiel gefahren. Danach rückte die Familie etwas mehr in den Vordergrund und ich wurde 1991 Vater, sodass ich es etwas ruhiger habe angehen lassen. Meine fünf bis sechs Auswärtsspiele habe ich aber trotzdem immer geschafft, und die Highlightspiele wie Halbfinale und Finale im Pokal sowie die internationalen Gastspiele habe ich auch mitgenommen – ist doch logisch. fcn.de: Du warst ja dann auch Mitglied in der Seerose. Wie kam das zustande? Das war ja auch eine der ersten Ultra-Gruppierungen in Deutschland… Die Seerose hat sich 1968 gegründet und war im gleichnamigen Lokal beheimatet. Ich bin dann 1976 dazugekommen. Das Lokal Seerose war eigentlich sehr verrufen, aber ich habe mich dann trotzdem mal reingetraut. Da habe ich bemerkt: ‚Das sind ja die gleichen Jungs wie überall.‘ Man kannte sich ja schon vom Sehen, und ich habe dann gefragt, ob ich mit ihnen mal mit dem Zug mitfahren darf. Das war der Anfang und ich war relativ schnell dabei. Da hat man sich dann immer am Freitag und Samstag getroffen und war einfach eine Gruppe. Wie in jeder Gruppierung gab es dann Menschen, die etwas verrücktere Dinge gemacht haben - und manche waren etwas bedächtiger. Ich habe eher zu den Bedächtigeren gehört (lacht). fcn.de: Ihr habt ja dann wahrscheinlich auch zum ersten Mal eine organisierte Stimmung im Stadion aufgezogen, oder? So wirklich organisiert war das eigentlich nicht (lacht). Im Block 4 standen einfach alle eng zusammen und dann hat einer einen Schlachtruf angestimmt und alle haben mitgezogen. Das war nicht so wie heute mit Vorsänger und so weiter. Einer hat angefangen und dann ging es weiter. fcn.de: Wie bewertest du denn den heutigen Support? Heute wird natürlich vielleicht noch ein bisschen mehr Stimmung gemacht und auch die ganzen Choreografien sind super organisiert. Das ist top. Manchmal fehlt mir aber etwas der Bezug zum Spiel. Früher hat man gemerkt: Die Mannschaft hat zu kämpfen und braucht uns jetzt. Da kam dann das Stadion ins Spiel und spiegelte das Spielgeschehen etwas mehr wider. Aber textsicher bin ich natürlich immer noch und voll dabei – auch heute. fcn.de: Zurück zu deinen Anfängen – du hast die letzte Deutsche Meisterschaft des Club im Stadion miterlebt. In den 70er-Jahren kam dann aber eine Durststrecke mit langer Zweitligazugehörigkeit. Wie blickst du darauf zurück? Für mich war die zweite Liga eigentlich Normalität. Bei der 68er-Meisterschaft habe ich die Begeisterung natürlich mitbekommen, aber die Bedeutung war mir noch nicht so bewusst. Das galt dann auch noch für den Abstieg. Wir waren dann neun Jahre zweitklassig und es gab einige Spiele, bei denen wir dachten: ‚Jetzt steigen wir auf!‘ Ich erinnere mich an eine Aufstiegsrunde, wo wir im Heimspiel gegen Berlin mit 9:1 gewannen. Danach mussten wir auswärts nach Saarbrücken, spielten dort nur 2:2 und es fehlte ein Tor zum Aufstieg. In Saarbrücken waren damals 15.000 Menschen im Stadion – 10.000 davon waren Nürnberger. Da gab es aber noch nicht solche Autobahnen wie heute und Saarbrücken war von hier fast schon eine Weltreise. Wir haben sicherlich acht bis neun Stunden mit dem Bus gebraucht. Dann erinnere ich mich noch an das absolute Highlight in Essen... fcn.de:... die Relegationsspiele 1978. Das Hinspiel haben wir mit 1:0 zu Hause gewonnen und auswärts im Rückspiel dann 2:2 gespielt, was zum Aufstieg reichte. Kurz vor Schluss hielt Manfred Müller damals beim Stand von 2:2 einen Elfmeter und die ganze Kurve hinter dem Tor war nur mit Club-Fans gefüllt. Das war an einem Freitagabend – das muss man sich mal vorstellen. Die Leute mussten sich freinehmen, ich habe die Schule geschwänzt, nur um den Club in Essen zu sehen. Diese Euphorie mit den ganzen Club-Fans in Essen, nach neun Jahren Zweitklassigkeit wieder aufgestiegen zu sein – das vergisst man sein ganzes Leben nicht. Ich meine, Essen war ja der Favorit. Das war schon etwas ganz Besonderes. fcn.de: Etwas Besonderes waren auch immer Siege gegen den FC Bayern. Den letzten in München gab's 1992. Warst du auch dabei? Ja klar. In München waren immer ganz viele Cluberer. Das war schon bei der Anreise auf der Autobahn ein sensationelles Bild, wenn man die ganzen Autos mit den Schals gesehen hat. Das waren auch immer Highlights. In München zu gewinnen, war immer etwas sehr spezielles. fcn.de: Es kamen dann ja noch längere Durststrecken wie die Regionalligazeit in den 90er-Jahren… Das war schlimm und das werde ich auch nicht mehr vergessen. Wir sind am letzten Spieltag hier im Stadion abgestiegen und Franz Schäfer, der, seit ich mich erinnern kann, immer Stadionsprecher beim Club war, hat sich auch noch verabschiedet. An diesem Tag war einfach alles traurig. Das Jahr in der Regionalliga war dann aber anders als erwartet. Die Auswärtsfahrten waren viel kürzer. Man hat ganz viele Club-Fans aus dem jeweiligen Spielort kennengelernt und Kontakte geknüpft. Das hat auch dazu geführt, dass meistens das ganze Stadion auswärts rot-schwarz war. Im Nachhinein betrachtet war das eine coole Zeit. fcn.de: Apropos Kontakte knüpfen: Warst du bei den Anfängen der Fanfreundschaft mit Schalke dabei? Ja, die Anfänge habe ich mitgemacht. Das Spezielle war, dass eigentlich niemand mit Schalke konnte. Die waren immer ein heißes Pflaster und sehr viele Fans. Diese Freundschaft aufzubauen, war sehr speziell, aber die Kontakte haben bis heute noch Bestand. fcn.de: War 1999 der Abstieg der bitterste Moment, den du im Stadion erlebt hast? Vielleicht nach dem Abstieg in die Regionalliga, ja. Dieser Abstieg kam ja völlig unerwartet. Wir haben gedacht, dass wir gesichert sind und die Spiele davor haben wir ja auch unglücklich verloren. Das waren schon bittere Tage. fcn.de: Was machen solche Leidenszeiten mit dir? Würdest du dennoch sagen, dass das innerhalb der Fangemeinschaft noch einmal mehr zusammenschweißt? Auf jeden Fall. In einer Fangemeinschaft freut man sich miteinander und leidet miteinander. Das gehört dazu. Früher gab es noch keine sozialen Medien und da hat man sich dann am Stammtisch unter der Woche ausgekotzt. Dadurch war das Miteinander-Leiden auch sehr wertvoll. Diese Höhen und Tiefen, dieses Emotionale – das macht uns Traditionsvereine einfach aus, schweißt zusammen und beim Club vielleicht noch ein bisschen mehr. Wenn es aber in die andere Richtung geht, erlebt man einfach Einmaliges. Wenn ich an das Pokalhalbfinale zurückdenke – da siehst du Menschen, die hast du jahrelang nicht mehr gesehen. Aber wenn auf einmal etwas geht, dann sind einfach alle da. fcn.de: Wer waren oder sind denn deine FCN-Helden? Mein absoluter Held ist Dieter Nüssing. Der ging mit uns in die zweite Liga und in die Regionalliga und steht immer noch zum Club. Damals konnte man die Spieler auch mal leichter treffen. Ich erinnere mich an einen Abend in Röthenbach bei Altdorf. Da hat Dieter Nüssing Autogramme verteilt und ich hatte ein großes DIN-A4-Blatt dabei, das er mit einer persönlichen Widmung unterzeichnet hat. Das hing inklusive Bild dann in meinem Zimmer. Danach kam die Weyerich-Stocker-Generation und später dann Dieter Eckstein, Stefan Reuter, Thomas Brunner und Andy Köpke sowieso. Diese Spieler haben mich einfach begeistert. In der Zeit danach war Marek Mintal natürlich das absolute Idol. Sportlich wie menschlich einfach außergewöhnlich. fcn.de: Wieso haben sie dich begeistert? Man hat gemerkt, dass sich diese Spieler mit dem Verein identifizieren und das auch mit Leistung bestätigen. Das waren einfach besondere Menschen. Die haben den Club als Verein geliebt. fcn.de: Wie war es für dich in der Corona-Pandemie, als du nicht ins Stadion konntest? Das war furchtbar. Ich war es nicht gewohnt, den Fußball meines Club im Fernsehen zu sehen. Ein leeres Stadion, man hört die Spieler schreien – das war einfach surreal. Ungewohnt und unschön. Die Krönung war dann natürlich in Ingolstadt, als ich dachte: ‚Jetzt geht’s mit mir zu Ende. Das Herz hält das nicht mehr aus.‘ fcn.de: Nach all den Erinnerungen an vergangene Zeiten: Wie empfindest du die aktuelle Situation bei deinem Club? Man hat auf jeden Fall das Gefühl, dass die Verantwortlichen auch menschlich zum Club passen. Das fängt beim Trainer an. Auch Joti Chatzialexiou scheint ein Händchen dafür zu haben, Leute zu verpflichten, die menschlich zueinander passen. Ich habe auch das Gefühl, dass wir wieder eine Mannschaft haben, die eine hohe spielerische Substanz und Perspektive haben. Natürlich werden wir nicht darum herumkommen, immer mal wieder einen abzugeben. Ich bin aber optimistisch.