1 month ago

Versteckter Rassismus: Warum wir "Soulfood" nicht mehr sagen sollten



Der Begriff "Soulfood" steht für Gerichte, die der Seele guttun sollen. Doch seine Geschichte ist eng mit der Sklaverei verbunden – und die Verwendung zunehmend umstritten.

Es ist ein Begriff, der Gemütlichkeit und Wohlbefinden verspricht: Soulfood. Auch der stern verwendete ihn bisher häufig für deftige Gerichte, die der Seele guttun sollen. Doch der vermeintlich harmlose Ausdruck hat eine belastete Geschichte – und gilt zunehmend als problematisch.

Die Ursprünge des Soulfood reichen zurück in die düstersten Kapitel der amerikanischen Historie. Während der Sklaverei in den US-Südstaaten mussten sich Afroamerikaner von Speisen ernähren, die weiße Amerikaner verschmähten: Innereien, Schweinefüße oder Hühnerflügel – heute beliebte Klassiker, damals Reste vom Tisch der Plantagenbesitzer. STERN PAID 46_24 Einfach Essen 1210

Soulfood: von der Plantage zum Trendgericht

"Soulfood entstand aus Not und Mangel, während Comfort Food tatsächlich einfach ein Gericht sein kann, das uns in schwierigen Zeiten tröstet und auf dem Teller etwas Komfort bietet", erklärt die Ernährungsexpertin Luise Rau gegenüber Utopia. Die hochkalorischen, fettreichen Gerichte waren notwendig, um die körperlich zehrende Arbeit auf den Plantagen zu überstehen. Erst in den 1960er-Jahren, im Zuge der Bürgerrechtsbewegung um Martin Luther King, entwickelte sich ein neues kulinarisches Selbstbewusstsein. Afroamerikaner eröffneten die ersten Soulfood-Restaurants und präsentierten ihre Gerichte erstmals mit Stolz statt Scham. Bloggerin Rassismus im Radio 11.11

Der Begriff selbst wurde in dieser Zeit geprägt – angeblich, nachdem er in Malcolm X' Autobiografie auftauchte. Doch die heutige Verwendung im deutschsprachigen Raum hat sich weit von diesen historischen Wurzeln entfernt. "Soulfood" wird inflationär für alles verwendet, was vermeintlich der Seele guttut: von Pasta bis Süßigkeiten.

"Comfort Food" ist die bessere Alternative

Die Vermischung dieser verschiedenen Bedeutungen wird zunehmend kritisch gesehen und von manchen sogar als versteckter Rassismus interpretiert. Die Verwendung des Begriffs für beliebige "Wohlfühlgerichte" verkennt seinen ursprünglichen Kontext und die damit verbundenen Leiden. 

Die Alternative? "Comfort Food". Dieser Begriff ist historisch unbelastet und beschreibt genau das, was viele eigentlich meinen: Gerichte, die trösten und ein Gefühl von Geborgenheit vermitteln. Ob Omas Kartoffelsuppe oder ein cremiges Mac and Cheese – jeder Mensch hat seine eigenen kulinarischen Seelentröster. Comfort Food_16,41

Der stern wird künftig auf den Begriff "Soulfood" verzichten und stattdessen von "Comfort Food" sprechen. Denn Sprache prägt unser Denken – und manchmal braucht es einen Perspektivwechsel, um Geschichte und kulturelle Identität angemessen zu würdigen.

Gesamten Artikel lesen





© Varient 2025. All rights are reserved