Internationale Menschenrechts- und Journalistenorganisationen fordern von europäischen Delegierten, den aktuellen Entwurf der geplanten UN-Konvention zu Computerkriminalität abzulehnen. Die Unterzeichner weisen auf zahlreiche kritische Mängel hin und brandmarken den Entwurf als menschenrechtsfeindlichen Überwachungsvertrag.
Bei den Vereinten Nationen verhandeln die Staaten seit mehreren Jahren Vorschläge, die in Kürze in eine Cybercrime-Konvention münden sollen. Die letzte Verhandlungsrunde findet ab 29. Juli in New York statt. In einem offenen Brief schlagen nun internationale Bürgerrechts- und Journalistenorganisationen Alarm und wenden sich mit einem „dringenden Appell zur Behebung der kritischen Mängel des jüngsten Entwurfs der UN Cybercrime Convention“ an die EU-Delegierten.
22 internationale zivilgesellschaftliche Organisationen haben den Brief unterzeichnet, darunter Privacy International, die Electronic Frontier Foundation (EFF), Access Now, das International Press Institute (IPI), Epicenter.works sowie European Digital Rights (EDRi) als Dachorganisation vieler weiterer NGOs. Die Delegierten der EU-Staaten und auch die Europäische Kommission werden darin dringend aufgefordert, entweder die zahlreichen Mängel des Entwurfs zu verbessern oder aber die Notbremse zu ziehen.
Der Konventionsentwurf, der das Ziel der Kriminalitätsbekämpfung hat, sei faktisch nach wie vor ein Überwachungsvertrag mit zu wenig Bestimmungen zum Datenschutz und zu Menschenrechten. In der jetzigen Fassung erlaube der Vertragsentwurf „eine umfassende grenzüberschreitende Überwachung“ unter Missachtung internationaler Menschenrechtsvorschriften.
Konkret kritisieren die Organisationen die breiten Befugnisse bei Echtzeitüberwachung, beim Datenaustausch sowie bei Beschlagnahme und Durchsuchung von Daten, die auch Verschlüsselungsmaßnahmen schwächen könnten. Daher sollen die Delegierten der Europäischen Union den Vertragstext ablehnen. Träte der Vertrag so in Kraft, könne er für drastische Repressionen missbraucht werden. Er müsse noch stark verbessert werden, um ihn mit grundlegenden Menschenrechten in Einklang zu bringen.
Zweck des Abkommens untergraben
Die geplante UN-Konvention trägt den offiziellen Namen „International Convention on Countering the Use of Information and Communication Technologies for Criminal Purposes“ (Konvention zur Bekämpfung des Einsatzes von Informations- und Kommunikationstechnologien für kriminelle Zwecke). Cybercrime meint hier also Computerkriminalität in einem sehr weiten Sinne. Die Organisationen kritisieren einen „übermäßig weit gefassten Anwendungsbereich“ des geplanten Vertrags.
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Eine UN-Konvention kann große Auswirkungen entfalten: Die Vereinten Nationen haben 193 Mitgliedstaaten. Die mit dem Konventionsvertrag eigentlich geplante Bekämpfung von Computerkriminalität könnte sich allzu leicht gegen ethische Hacker und IT-Sicherheitsforscher, aber auch gegen Journalisten oder Menschenrechtsaktivisten wenden. Für all diese Akteure gäbe es nur einen unzureichenden Schutz. Informanten, Aktivisten oder Journalisten müssten aber „vor einer übermäßigen Kriminalisierung“ geschützt werden, heißt es im offenen Brief.
Viele der unterzeichnenden Organisationen hatten schon seit Monaten immer wieder die Risiken für Menschenrechte und IT-Sicherheit angeprangert, die der geplante UN-Vertragstext enthält. Trotzdem gingen auch die jüngsten Änderungen im Entwurf nicht auf die schweren Bedenken ein. Es bestehe „weiterhin die Gefahr, dass Personen und Institutionen unsicherer und anfälliger für Cyberkriminalität werden, wodurch der eigentliche Zweck des Abkommens untergraben wird“.
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