6 days ago

Ukraine-Krieg: Trump will einen Deal – doch Sanktionen werden Putin nicht stoppen



Donald Trump stellt Wladimir Putin ein Ultimatum. Wird es den Kreml in Angst versetzen? Kaum. Die Drohung dürfte Putin eher ermutigen, auf seinem Weg fortzufahren.

In vieler Hinsicht ist der Post, mit dem Donald Trumpauf "Truth Social" für einen Friedensdeal warb, ein typischer "Trump": Er enthält krasse Fehler und eine grobe Ungeschicklichkeit. Trump schreibt, Russland habe im Zweiten Weltkrieg beinahe 60 Millionen Menschenleben verloren. Richtig ist, dass über 60 Millionen Menschen in diesem Krieg starben – in dieser Zahl sind aber die Opfer aller beteiligten Länder zusammengefasst. 

Nicht Russland, die Sowjetunion wurde von Deutschland überfallen – die Zahl der Opfer der UdSSR liegt bei etwa 27 Millionen. Darin sind aber auch die Toten von Staaten wie Belarus und der Ukraine inkludiert – man schätzt die Zahl der ethnischen Russen auf etwa 14,5 Millionen. Eine gewaltige Zahl, aber eben nicht 60 Millionen.

Trump textet nachlässig

Eine andere Formulierung dürfte in Russland aber noch schlechter ankommen. Trump sprach davon, dass die Russen, beziehungsweise die Sowjets, den USA geholfen hätten – "helped us" – den Krieg zu gewinnen. Diese Wortwahl dürfte im Kreml wie ein offener Affront wirken. Die Sicht Moskaus besagt das Gegenteil: Die UdSSR habe den Krieg gegen Hitler-Deutschland gewonnen, und die westlichen Alliierten hätten ihr dabei lediglich "Hilfe" geleistet.Donald Trump Selenskj 6.15

Kein Wort von militärischer Hilfe

In der Sache selbst aber dürfte die Drohung Trumps Kremlchef Putin eher beruhigen. Denn der kündigt lediglich neue Sanktionen und Zölle an. Gegen Russland und Staaten, die Russland helfen. Er schrieb: "Wenn wir nicht bald einen 'Deal' machen, habe ich keine andere Wahl, als alles, was Russland an die Vereinigten Staaten und verschiedene andere beteiligte Länder verkauft, mit hohen Steuern, Zöllen und Sanktionen zu belegen." 

Wichtig ist, was er nicht androht, was aber viele Experten als Drohkulisse erwartet hatten. Nämlich eine Ankündigung, die militärische Hilfe für Kiew massiv zu erhöhen, sollte sich Russland einem "Deal" verweigern. 

Ohnehin ist die Wirkung von Sanktionen zumindest zweifelhaft. In den ersten elf Monaten hat Russland nur Waren im Wert von 2,9 Milliarden US-Dollar in die USA exportiert. Vor dem Krieg im Jahr 2021 waren es noch beinahe 30 Milliarden. Die verbliebenen US-Importe betreffen zu einem guten Teil Güter, die die USA nicht substituieren können, etwa Uran, Palladium und Rhodium.

Aussichtsreicher wäre es, die Handelspartner Russlands zu sanktionieren, sodass diese den Handel mit Moskau einschränken. Unabhängig von den politischen Risiken benötigt dieses Vorgehen jedoch Zeit, um Wirkung zu zeigen.

Kiew läuft die Zeit davon

Zeit, die die Ukraine nicht mehr hat. Im Raum Kursk hält Kiew immer noch einen Zipfel russischen Gebiets besetzt. Diese Frontausbuchtung wird weiter zäh verteidigt. Aber alle Anstrengungen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Zone unter Kiewer Kontrolle langsam, aber stetig zusammenschmilzt. 

Viel entscheidender ist ohnehin die Entwicklung im Osten, vor allem im Donbass. Das Wort "kritisch" beschreibt die Verhältnisse nur unzureichend, "katastrophal" wäre zutreffender. Der Verlust der Städte Bachmut und Awdijiwka wurde weltweit noch mit Bestürzung aufgenommen. Inzwischen wird über den Verlust wichtiger ukrainischer Bastionen und Städte kaum noch berichtet. Kiew gelingt es mit Mühe, die Situation an zentralen Stellen wie etwa bei der Großstadt Pokrowsk zeitweise zu entschärfen. Mehr als ein Aufschub kommt dabei nicht heraus. 24: Ukrainische Kampfdrohnen treffen russische Raffinerie - 97e815cd4bc1c5c9

  • Bei Pokrowsk wurden die Russen aufgehalten, doch haben sie begonnen, die Stadt südwestlich zu umgehen. Inzwischen operieren ihre Kabel-Drohnen über dem Stadtgebiet und machen dort Jagd auf die Fahrzeuge der Ukrainer. Womöglich sind die Russen bereits in die Ausläufer der Stadt eingesickert. 
  • Die Bergfestung Tschassiw Jar ist ein zentraler Anker der ukrainischen Front, lange konnten Ukrainer die Stadt verteidigen, doch inzwischen ist die Lage der verbliebenen Verteidiger im Zentrum hoffnungslos. In der Stadt Welyka Nowosilka sieht es nicht besser aus. Die überlebenden Ukrainer kontrollieren keine Wege mehr aus der fast eingeschlossenen Stadt, ihre einzige Chance zu entkommen, ist der Rückzug über Felder und einen Fluss. Angeblich haben die Russen den Kessel inzwischen sogar gespalten. 
  • Kurachowe fiel bereits vor einigen Wochen an die Russen, ebenfalls ein ukrainischer Ankerpunkt. Die 155. Brigade "Anna von Kiew" sollte ein Vorzeigeprojekt für die ukrainischen Einheiten sein, die mit Unterstützung ausländischer Partner – teils in Frankreich, teils in der Ukraine – ausgebildet und bewaffnet wurden. Vor dem ersten Feindkontakt desertierten 1700 Mann, die Brigade hat sich faktisch aufgelöst.

Trügerische Hoffnungen

Dieser kurze Abriss macht deutlich, dass Kiew im Osten nicht einfach weitermachen kann, wenn nicht die gesamten Streitkräfte verschlissen werden sollen. Damit die Soldaten an der Front etwas Luft bekommen, muss jetzt und nicht in sechs Monaten etwas passieren. Mit der Lieferung weiterer Himars-Werfer und einer großen Anzahl von ATACMS-Raketen würde der gesamte Krieg zwar nicht gewendet werden können, aber sie könnten das derzeitige russische Momentum stören. 

Die Hoffnung auf Sanktionen kann genauso trügerisch sein wie die These, dass Russlands Rüstungsindustrie nach 2025 einbrechen werde, weil Moskau dann die alten Lagerbestände aufgebraucht habe. Hier wird geflissentlich übersehen, dass Russland sich neues und altes Kriegsmaterial bei befreundeten Staaten beschaffen kann. So wie es mit den weitreichenden Koksan-Geschützen aus Korea bereits geschieht. 

Eine zentrale Rolle spielt auch Peking. Das industrielle Powerhouse China unterstützt Russland bereits mit Dual-Use-Gütern und Maschinen für die Rüstungsproduktion. Dabei muss es nicht bleiben. Der anerkannte Experte Oberst Markus Reisner sagte zu "NTV": "Ich gehe davon aus, dass wir über kurz oder lang auch chinesische Waffen in der Ukraine sehen werden."

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