Der Spritpreis müsste eigentlich gerade explodieren: Es ist Urlaubssaison. Und zusätzlich zum Ukraine-Krieg eskaliert auch der Konflikt im Nahen Osten. Doch das Gegenteil ist der Fall. Selbst Experten sind überrascht.
Wer in diesen Tagen an der Zapfsäule steht, wundert sich vermutlich: Mit etwa 1,60 Euro pro Liter ist der Preis für Diesel so niedrig wie zuletzt vor 13 Monaten. Und Benzin ist mit 1,70 Euro so günstig wie seit einem halben Jahr nicht mehr.
Gerade zur Feriensaison ist das für Urlauber ein Glück – und eine Seltenheit. Die niedrigen Preise überraschen auch deshalb, weil zum Krieg in der Ukraine ein eskalierender Nahostkonflikt hinzu kommt. In der Vergangenheit waren das Gründe, um Preissteigerungen zu erklären.
Wie also kann das sein?
Warum ist der Spritpreis so niedrig?
Hagen Reiners ist Experte für den Ölpreis beim Informationsdienst Argus Media. Er sagt: "Die Antwort auf diese scheinbar einfache Frage ist tatsächlich recht komplex. Generell kann man sagen, dass die Preise für das Vorprodukt Rohöl etwas gesunken sind." Ein weiterer Punkt sei, dass die Gewinnspannen für Raffinerien, insbesondere beim Diesel, in den letzten Monaten deutlich zurückgegangen seien.
Wer hat den Klimaschädlichsten? Dienstwagen-Ranking deutsche Politiker 10.17
"Die Nachfrage nach Rohöl wird gerade als etwas rückläufig eingeschätzt, zum Beispiel aufgrund schwacher Wirtschaftsdaten aus den USA", so Reiners. Dies führe dazu, dass auch die Endprodukte Diesel und Benzin an der Tankstelle günstig seien. Ein wichtiger Faktor ist auch die Organisation erdölexportierender Länder. "Von der Opec ist tatsächlich geplant, die Fördermengen zu erhöhen. Diese wurden im Oktober letzten Jahres reduziert, um den hohen Preis ein bisschen zu stabilisieren."
ADAC: "Ob die Preise so niedrig bleiben, bleibt abzuwarten"
Andreas Hölzel, Experte für das Thema beim ADAC, sagt: "Die niedrigen Spritpreise kommen durch günstige Rahmenbedingungen zustande, insbesondere durch den Ölpreis. Nordseeöl, das für uns relevant ist, hatte letzte Woche einen sehr niedrigen Preis von etwa 76 bis 77 US-Dollar pro Barrel." Allerdings steige der Preis aktuell wieder. Der vorherige Preisrückgang sei hauptsächlich auf eine schwache Weltwirtschaft, insbesondere in den USA, China und Europa, zurückzuführen gewesen.
"Der derzeitige moderate Preisanstieg könnte mit den wachsenden Spannungen im Nahen Osten zusammenhängen. Die Sorge vor weiteren Eskalationen dort kann den Ölpreis erhöhen. In der Regel sind die Spritpreise niedrig, wenn der Ölpreis niedrig ist", bestätigt Hölzel die Sicht von Reiners. "Die letzte Woche markierte für Benzin den tiefsten Stand des vergangenen halben Jahres und für Diesel den niedrigsten Stand seit 13 Monaten. Das war günstig für Autofahrer, besonders jetzt während der Reisezeit. Ob die Preise so niedrig bleiben, bleibt abzuwarten."