In seiner von Demokraten dominierten Heimatstadt demonstriert Trump mit einem Wahlkampfauftritt seine Anziehungskraft. Auf den Straßen Manhattans geraten Menschen aneinander. Der Ex-Präsident und andere Redner machen Migranten zum Ziel.
Die USA reden miteinander. Und das sehr laut. "We want Trump", ruft die auf der Straße wartende Masse in Sichtweite des Madison Square Gardens. "Fuck Trump" zeigt ein Mann auf der anderen Seite der Wellenbrecher im Vorbeigehen. Immer wieder: "Fuck Trump!" Ein Jogger auf dem Bürgersteig gibt ihm einen zustimmenden Faustgruß. Es ist Sonntag. Ausnahmezustand in Manhattan.
Der Präsidentschaftskandidat der Republikaner ist zurück in seiner Heimatstadt, um in einer der bekanntesten Veranstaltungshallen des Landes eine Rally mit 20.000 Gästen abzuhalten. Noch 9 Tage sind es bis zur Präsidentschaftswahl gegen Vizepräsidentin Kamala Harris. Deren Demokraten trollt Trump dort, wo sie emotional verwundbar sind: in ihrer eigenen Hochburg. 76 Prozent wählten hier 2020 Joe Biden. Vor genau 100 Jahren wählte die Stadt letztmals mehrheitlich einen Präsidentschaftskandidaten der Republikaner.
Schon seit dem Vormittag haben sich die Menschen durch die Straßen geschoben, standen stundenlang an, um einen Platz in der Halle zu ergattern. Viele Tausende werden schließlich draußen bleiben; am späten Nachmittag wird es per Megafon über die roten Kappen hinwegtönen und eine Videowand neben dem Eingang verkünden: venue at full capacity, die Kapazität ist Stunden vor Trumps Auftritt ausgeschöpft. Nichts geht mehr.
"Kriminelle Gangs kommen über die Grenze"
Drinnen eröffnet ein angeblicher Komiker die lange, lange Rednerliste, die sogar Parteitagsausmaße sprengt. Er macht rassistische und vulgäre Bemerkungen über Latinos, Schwarze, Palästinenser und Juden. Später kommt Stephen Miller, Einwanderungsberater von Donald Trump in dessen erster Amtszeit und beschreibt den Ex-Präsidenten als unbeugsamen Streiter der Gerechten. "Er kämpft für ein Land, wo kriminelle Gangs nicht einfach über unsere Grenze kommen und unbestraft kleine Mädchen vergewaltigen und töten!" Unter Jubel folgert er aus seiner Angstmacherei: "Amerika den Amerikanern! Und nur den Amerikanern!"
Miller ist einer, wenn nicht der wichtigste Kopf hinter Trumps Anti-Einwanderungspolitik. Tech-Milliardär Elon Musk unterstützt ihn mit Dutzenden Millionen Dollar. Die Kinderabschiebungen, die Familientrennungen, der drakonische erste Einreisestopp für Bürger islamischer Länder ab Anfang 2017 - das war Miller. Die geplanten Massenabschiebungen von Millionen Menschen einer möglichen zweiten Präsidentschaft Trumps - das wäre Miller ab Anfang 2025. "Stimmen Sie für das Recht auf eine Regierung, welche die Rechte amerikanischer Bürger über der illegalen Einwanderer stellt", appelliert er vor den 20.000.
Draußen, einen Block entfernt, baut sich eine Frau in Trump-Devotionalien vor einer anderen auf. "Wenn Sie glauben, dass Trump ein Diktator ist, gehen Sie doch, verlassen Sie das Land!", fordert sie. "Gott liebt Sie", erwidert die andere mit einem ausländischen Akzent unbeirrt, "Gott liebt Sie, Gott liebt Sie"; selbst als die andere ihr eine US-Fahne vors Gesicht hält und ihr danach ihren Ellbogen ins Gesicht drückt. Es wird fast noch handgreiflicher, die beiden gucken sich aus Zentimetern in die Augen. Passanten strömen vorbei. Die Trump-Anhängerin winkt ab und geht.
Der US-Wahlkampf ist eskaliert, seitdem General John Kelly berichtete, Trumps ehemaliger Stabschef im Weißen Haus, Trump habe ihm zu dieser Zeit gesagt, er bräuchte Generäle wie die von Hitler. Trump bewundere Diktatoren, man könne ihn als Faschisten bezeichnen, meinte Kelly. Dreizehn ehemalige Trump-Mitarbeiter und Republikaner aus dem Weißen Haus unterstützten diese Ansicht in einem offenen Brief. Die "New York Times", die sich seit Monaten gegen Trump als Präsident ausspricht, schreit ihre Bedenken in dieser gedruckten Sonntagausgabe ihren Lesern in Versalien von der ersten Seite entgegen. "Donald Trump / sagt er will / seine Gegner verfolgen lassen / Massenabschiebungen anordnen / Soldaten gegen Bürger einsetzen / Verbündete im Stich lassen / Mit Katastrophen Politik machen / Glauben Sie ihm."
"Geht es euch besser als vor vier Jahren?"
Trump kommt nach mehreren Stunden Vorprogramm auf die Bühne und säuselt in seinem typischen Tonfall: "Ich bin begeistert zurück in der Stadt zu sein, die ich liebe (..) und ich fange mit einer sehr einfachen Frage an: Geht es euch besser als vor vier Jahren?" Nein, antwortet die Menge. Trump hebt die Augenbrauen und verspricht: "Dies wird Amerikas neues goldenes Zeitalter." Er kündigt das Ende der Inflation an, der "Invasion der Kriminellen, die in unser Land kommen, und ich werde den amerikanischen Traum wieder nach Hause holen." Die Energiepreise werde er in seinem ersten Amtsjahr halbieren.
Der Republikaner wird in seiner rund 80-minütigen Rede immer wieder auf Einwanderer zurückkommen; einmal lässt er ein Video abspielen, das Medienberichte über Morde von Migranten zusammenfasst. "Das ist es, was wir in unser Land lassen", tönt Trump: "Die Vereinigten Staaten sind ein besetztes Land!" An seinem ersten Amtstag werde er das größte Abschiebeprogramm der Geschichte von Kriminellen beginnen, kündigt er an. "Ich fordere die Todesstrafe für jeden Migranten, der einen US-Bürger oder Polizisten tötet." Die Lautstärke in der Halle schwillt an. "U-S-A", kommt die geballte Antwort von den Rängen. Die Stadt mag eine Hochburg der Demokraten sein. Aber Trump hat sie an diesem Sonntag in seinen Bann gezogen.