
Obwohl die humanitäre Lage im Gazastreifen schon jetzt katastrophal ist, startet die israelische Armee jüngst eine neue Großoffensive. Außenminister Wadephul kritisiert dieses Vorgehen - auch mit Blick auf die verbliebenen Geiseln. Die Grünen rügen derweil die deutsche Haltung zu Hilfslieferungen.
Bundesaußenminister Johann Wadephul kritisiert die neue Bodenoffensive Israels im Gazastreifen. Das Vorgehen der israelischen Armee sei Grund zu tiefer Sorge, teilt Wadephul mit. Das gelte mit Blick auf die strategischen Ziele Israels als auch für die humanitäre Lage in Gaza. "Israel hat wie jeder Staat das Recht, sich im Rahmen des geltenden Völkerrechts zu verteidigen. Aber das aktuelle Vorgehen könnte das Leben der verbliebenen Geiseln gefährden, darunter auch der deutschen, die nach fast 600 Tagen noch immer in den Hamas-Kerkern um ihr Überleben fürchten müssen."
Eine großflächige Militäroffensive berge zudem das Risiko, dass die katastrophale humanitäre Lage der Bevölkerung in Gaza und die Lage der verbliebenen Geiseln sich weiter verschlechtere und die Aussicht auf einen dringend notwendigen langfristigen Waffenstillstand in die Ferne rücke. Er habe am Samstag nochmals mit seinem israelischen Amtskollegen telefoniert und sei mit weiteren Partnern der Region in engem Kontakt.
Auch Grüne und BSW kritisierten die Militäroffensive Israels mit deutlichen Worten. Die anhaltende Blockade von Hilfslieferungen in den Gazastreifen sowie die erneute Ausweitung der Kampfhandlungen seien "inakzeptabel", sagte Grünen-Parteichefin Franziska Brantner. Jeder Fünfte sei in Gaza vom Hungertod bedroht, sagte sie mit Verweis auf die jüngste IPC-Initiative, die von mehreren UN-Organisationen und Hilfsgruppen getragen wird und Einstufungen zur Ernährungssicherheit vornimmt. Die Bundesregierung müsse "die deutsche Position zur Einhaltung des humanitären Völkerrechts deutlich machen", forderte Brantner.
Brantner rügt Wadephul für Statement zu Hilfslieferungen
BSW-Chefin Sahra Wagenknecht verlangte die sofortige Einstellung deutscher Waffenlieferungen an Israel. Das Vorgehen Israels in Gaza sei "ein Vernichtungsfeldzug und ein gigantisches Kriegsverbrechen", erklärte Wagenknecht. Viele Hilfsorganisationen würden inzwischen von "Völkermord" sprechen. Die Bundesregierung müsse ihre "Schulterschluss-Politik" mit dem israelischen Premier Benjamin Netanjahu sofort beenden, forderte Wagenknecht.
In der vergangenen Nacht hatte das israelische Militär eine neue Großoffensive im Gazastreifen eingeleitet. Beobachter befürchten wieder viele Tote im abgeriegelten Küstenstreifen, in dem die Menschen seit vielen Monaten unter katastrophalen Bedingungen leben. Ein Grund dafür ist neben der großflächigen Zerstörung auch die Blockade von Lebensmitteln: Das israelische Militär lässt seit mehr als zwei Monaten keine Hilfslieferungen mehr in den Gazastreifen. Die Streitkräfte werfen der Terrororganisation Hamas vor, Hilfsgüter an die zunehmend notleidende Bevölkerung weiterzuverkaufen. Kürzlich kündigte Israel an, Hilfen wieder zulassen zu wollen, jedoch nicht über die bisherigen Hilfskanäle.
Es müsse dringend einen "ungehinderten Zugang zu humanitärer Hilfe" geben, forderte Brantner. Die Grünen-Chefin hielt Wadephul vor, er unterstütze die Neuordnung der Hilfen, "statt die etablierten humanitären Akteure ihre Arbeit machen zu lassen". Wadephul hatte bei seiner jüngsten Reise nach Israel Verständnis für den israelischen Ansatz gezeigt, dass Hilfslieferungen nicht der islamistischen Terrororganisation Hamas dienen sollten, und deutsche Unterstützung zugesagt.
Seit mehr als eineinhalb Jahren führt Israel einen Krieg gegen die Hamas, der bislang zehntausende Todesopfer gefordert hat - darunter auch viele palästinensische Frauen und Kinder. Auslöser war das Hamas-Massaker am 7. Oktober 2023, bei dem fast 1200 Menschen ermordet und mehr als 200 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden.