4 months ago

Thüringen nach der Wahl: "Vielleicht werden wir wirklich überrascht"



In Thüringen stehen nach der Landtagswahl extrem schwierige Koalitionsverhandlungen ins Haus. Während die CDU-Politikerin Prien bei Lanz erklärt, warum ihre Partei nicht mit der Linken zusammenarbeiten will, sieht deren möglicher neuer Chef noch Optionen.

Nach den Landtagswahlen in Thüringen hat die CDU erste Gespräche mit der SPD für eine mögliche Koalitionsbildung angekündigt. Wahlsieger AfD hat offenbar noch keine Gespräche mit anderen Parteien gesucht. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse werden Koalitionsverhandlungen auf jeden Fall schwierig. Doch vielleicht wird im Landtag in Erfurt eine neue Form der Landespolitik erprobt werden müssen. Wie es in Thüringen weitergeht, versuchen am Dienstagabend in der ZDF-Talkshow "Markus Lanz" die stellvertretende CDU-Vorsitzende Karin Prien und der mögliche neue Linken-Chef Jan van Aken zu klären.

Klar ist: Die CDU will an ihrem Unvereinbarkeitsbeschluss festhalten, den sie 2018 auf einem Bundesparteitag gefasst hat. Das bedeutet: Weder eine Koalition noch eine Zusammenarbeit mit AfD und Linken. Das bekräftigt CDU-Politikerin Karin Prien am Dienstagabend bei Markus Lanz.

Das Wahlergebnis in Thüringen nennt sie "eine echte Zäsur in der deutschen Geschichte: Eine rechtsextremistische Partei hat weit über 30 Prozent geholt." Gleichzeitig stellt sie fest, dass die Ampelparteien nur gut 10 Prozent der Wähler auf sich vereinen konnten. "Die CDU befindet sich in einer wirklichen Dilemma-Situation", analysiert die Politikerin. Das Dilemma bestehe darin, dass die CDU jetzt die einzige Partei aus dem Mittespektrum sei, die in Thüringen noch eine maßgebliche Rolle spiele. Das Land habe ein Recht darauf, dass die, die gewählt worden seien, eine Lösung zu finden versuchen. "Und das wird verdammt schwer, denn das sind natürlich alles Parteien, mit denen man nichts zu tun haben will", sagt Prien mit Blick auf ihre eigene Partei. "Wir müssen mit den Spielern, die auf dem Feld sind, zuerst mal überlegen, wie weit irgendeine Form der Zusammenarbeit möglich ist. Ich rede nicht über Koalition, ich rede nicht über Duldung oder solche Dinge, sondern ich rede erst einmal darüber, dass alle sich jetzt die Zeit nehmen müssen, darüber nachzudenken, ob irgendeine Konstellation funktioniert."

Das wird später in der Sendung auch Jan van Aken von den Linken bestätigen. "Das ist eine große Lehre aus hunderten von Friedensverhandlungen der letzten dreißig oder vierzig Jahre, dass man am Anfang noch nicht weiß, was am Ende herauskommt. Ich weiß: Das in Thüringen sind keine Friedensverhandlungen. Aber was da rauskommt für ein Modell - vielleicht werden wir wirklich überrascht. Im Moment reden wir nur über Koalition oder Duldung. Es können noch ganz andere Dinge passieren, die ich nicht im Kopf habe."

Streit um Unvereinbarkeitsbeschluss

Karin Prien verteidigt bei Lanz vor allem den Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU, der die Zusammenarbeit mit AfD und Linken betrifft. "Wir reden über die AfD von Björn Höcke, wir reden über einen Mann, den man in Deutschland Nazi nennen darf, ohne dass man dafür Ärger kriegt", begründet Prien die Weigerung der CDU, mit der AfD zusammenzuarbeiten. Allerdings ist die Behauptung, man dürfe Höcke als Nazi bezeichnen, so nicht richtig. Tatsächlich hat das Verwaltungsgericht in Meiningen bereits 2019 erklärt, die Bezeichnung Höckes als Faschist stelle "ein auf einer überprüfbaren Tatsachengrundlage beruhendes Werturteil" dar und sei daher von der Meinungsfreiheit gedeckt. Doch ob Höcke auch "Nazi" genannt werden darf, ist noch nicht gerichtlich entschieden worden. Zahlreiche Verfahren, in denen Höcke so genannt wurde, sind allerdings in den letzten Jahren eingestellt worden.

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Bei der Linken geht es Karin Prien offenbar nicht nur um den Unvereinbarkeitsbeschluss ihrer Partei. "Wir reden von einer Linken, die seit vielen Jahren in Thüringen regiert hat und die krachend abgewählt worden ist, das muss man auch sagen." Doch das trifft auch für die SPD zu.

Journalistin Kerstin Münstermann von der Rheinischen Post kann den Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU nicht verstehen, wenn er auf die Linken in Thüringen angewendet wird. Auch Karin Prien räumt ein, sie habe als Kultusministerin in Schleswig-Holstein mit ihrem Thüringer Amtskollegen gut zusammengearbeitet. Jan van Aken weist darauf hin, dass Ministerpräsident Bodo Ramelow von den Linken vor allem während der Corona-Krise bei Ministerpräsidentenkonferenzen häufig mit der CDU gestimmt habe. Und Münstermann findet es eigenartig, dass die CDU nichts dagegen habe, mit ehemals linken Spitzenkandidaten zu verhandeln, nur weil die jetzt dem BSW angehörten.

Die hätten sich aber "umlackiert", macht Prien klar. Viele Thüringer hätten in der DDR unter der Vorgängerpartei der Linken, also der SED, gelitten. Darum sagt sie: "Ich habe keine Sympathien mit Frau Wagenknecht und ihren Thesen. Null. Aber eine SED-Nachfolgepartei wäre für viele Menschen ein Problem." Zudem gibt es auch Schnittmengen mit dem BSW: "Wir reden über ein BSW, das in gesellschaftspolitischen Fragen, in migrationspolitischen Fragen, doch eine andere Position vertritt als die Linke. Vielleicht ist sie auch eher rechtspopulistisch an der Stelle statt linkspopulistisch." Da hat sie durchaus einen Punkt. Jan van Aken von der Linkspartei spricht sich im Laufe der Sendung zum Beispiel für ein Recht auf Asyl und gegen Abschiebungen aus.

Und trotzdem könnte die Linke einer von der CDU geführten Union zu einer Mehrheit verhelfen. Im Moment fehlt ihr dazu eine Stimme. Noch-Ministerpräsident Bodo Ramelow hat inzwischen in mehreren Interviews angekündigt, er könne sich vorstellen, im Landtag mit einer von der CDU geführten Koalition zu stimmen und ihr so zu der nötigen Mehrheit verhelfen.

Die CDU hat das Angebot bisher nicht kommentiert.

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