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Aufgeheizte Stimmung in Sachsen: Pyrotechnik und Blockaden - AfD-Gegner zögern Start des Parteitags hinaus



In Riesa will die AfD erstmals eine Kanzlerkandidatin küren und ihr Wahlprogramm beschließen. Schon vor Beginn des Parteitags ist die Lage angespannt und die Polizei mit einem Großaufgebot vor Ort. Parteichefin Weidel wird trotzdem bei der Anreise behindert.

Der Bundesparteitag der AfD im sächsischen Riesa hat am Morgen nicht zur vorgesehenen Zeit begonnen. Grund dafür sind Proteste von Gegnern der Partei auf mehreren Zufahrtsstraßen. Um 10 Uhr war erst ein Bruchteil der rund 600 Delegierten am Veranstaltungsort eingetroffen. Nach Angaben aus Parteikreisen wurde auch die Parteivorsitzende Alice Weidel aufgehalten. Das zweitägige Treffen startete schließlich mit mehr als zwei Stunden Verspätung erst um kurz nach 12 Uhr.

Die Lage war zeitweise angespannt. An einer Kreuzung zur Auffahrt der B169 an der Rostocker Straße räumte die Polizei eine Sitzblockade teilweise. Auch Reizgas wurde eingesetzt, um eingekesselte Polizeiwagen herauszufahren. Demonstranten hatten die Reifenventile mehrerer Polizeiwagen herausgedreht und die Einsatzwagen nach Reporterangaben mit Aufklebern beklebt. Am Rande eines weiteren Protestzuges flog Pyrotechnik in Richtung der Polizei.

Den Organisatoren zufolge kamen Menschen aus rund 70 Städten in mehr als 100 Bussen in die Elbestadt. Die Organisatoren sprachen von 12.000 Demonstranten, die Polizei ging von rund 10.000 im gesamten Stadtgebiet aus. Die Polizei rechnet auch mit gewaltbereiten Demonstranten und hat in der Stadt einen Kontrollbereich eingerichtet.

Die Polizei ist mit einem Großaufgebot vor Ort, auch Wasserwerfer sind in Position, über der Stadt kreiste ein Helikopter. Nach Angaben der Polizei hatte es bereits bei der Anreise am Morgen vereinzelt Versuche gegeben, Absperrungen zu durchbrechen. Die Demonstranten wollten unter anderem die Zufahrtsstraßen und die Eingänge der Tagungsstätte - der WT Energiesysteme Arena - versperren. Die Zugänge waren durch Absperrgitter und Polizei abgeriegelt.

Das Programm: Euro-Ausstieg und harte Linie bei Migration

In der Halle will die AfD Parteichefin Alice Weidel offiziell zur Kanzlerkandidatin küren und ihr Wahlprogramm beschließen. Zu dem Antragsentwurf des Vorstands liegen zahlreiche Änderungsanträge vor, die für hitzige Debatten sorgen dürften. Der Entwurf sieht insbesondere einen Ausstieg aus dem Euro und einen harten Kurs in der Migrationspolitik vor.

Migration

Die AfD spricht sich für eine massive Verschärfung der Migrationspolitik aus. Flüchtlinge sollen an der Grenze in Gewahrsamszentren gestoppt und Asylverfahren ins Ausland verlagert werden. In Aussicht gestellt wird eine "umfassende Rückführungsoffensive". Sozialleistungen für Asylbewerber will die AfD in Sachleistungen umwandeln und Leistungen für Ausreisepflichtige "auf ein menschenwürdiges Existenzminimum" senken.

Innere Sicherheit

Bei der inneren Sicherheit will die AfD ausländischen Gewalttätern das Aufenthaltsrecht entziehen. "Gefährder und Terroristen" aus dem Ausland müssten in Präventivhaft kommen. Jugendliche sollen wie in anderen europäischen Ländern schon ab zwölf Jahren strafmündig sein - derzeit liegt die Grenze bei 14 Jahren.

EU und Euro

Die AfD nennt "ein Europa der Vaterländer" als Ziel und lehnt "die zentralistischen Bestrebungen der Europäischen Union ab". Die Partei hält daher "einen Austritt Deutschlands aus der Europäischen Union" für notwendig. Die "Geschäftsgrundlage des Euro" wird für gescheitert erklärt. "Deutschland muss aus dem Euro-System austreten", heißt es daher. Eine nationale Währung müsse wiedereingeführt werden - "gegebenenfalls unter paralleler Beibehaltung des Euro".

Außenpolitik und Ukraine-Krieg

Die AfD will ein "interessengeleitetes Verhältnis mit den großen Mächten der Welt" und nennt dabei ohne Abstufung die USA, China und Russland. Sie bekennt sich zur NATO-Mitgliedschaft Deutschlands "bis zum Aufbau eines unabhängigen und handlungsfähigen europäischen Militärbündnisses". Die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland wird abgelehnt, ebenso wie Wirtschaftssanktionen gegen Russland. Die Ukraine solle ein "neutraler Staat außerhalb von NATO und Europäischer Union" sein.

Gesellschaft

Die AfD plädiert für ein traditionelles Familienbild und spricht sich gegen "Trans-Gender-Hype", "Frühsexualisierung" und eine "'woke' Gesellschaft" aus. Die Möglichkeit von Abtreibungen will die AfD deutlich einschränken. Familien sollen unter bestimmten Umständen eine steuerfinanzierte "Willkommensprämie von 20.000 Euro für neugeborene Babys" erhalten.

Arbeit

Das Bürgergeld hält die AfD für gescheitert und verspricht, "resolut" gegen Missbrauch vorzugehen. Sie will stattdessen mit einer "aktivierenden Grundsicherung" insgesamt "Hunderttausende arbeitsfähige Bürgergeldempfänger in den Arbeitsmarkt zurückbringen". Anspruch auf Arbeitslosengeld soll nicht mehr nach einem, sondern erst nach drei vollen Beitragsjahren gelten. Bürgergeldbezieher, die arbeiten können, sollen nach sechs Monaten zu gemeinnütziger Arbeit herangezogen werden.

Wirtschaft und Finanzen

Die AfD sieht einen "wirtschaftlichen Niedergang" Deutschlands und spricht sich für weitreichende Entlastungen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber aus. So will sie die Einkommens- und Unternehmenssteuern senken, den Solidaritätszuschlag abschaffen und den Grundfreibetrag erhöhen. Mittelstand und Landwirtschaft sollen bei der Bürokratie entlastet werden. Beim Haushalt verspricht sie "Ausgabendisziplin" und die Einhaltung der Schuldenbremse.

Energie- und Klimapolitik

Beim Klimawandel zeigt sich die Partei weiter skeptisch: Der Anteil des Menschen daran sei "wissenschaftlich ungeklärt". Die Partei wolle deshalb "aus dem Pariser Klimaabkommen aussteigen". In der Energiepolitik fordert die AfD, die zerstörten Nord-Stream-Gasleitungen aus Russland wieder instand zu setzen. Zudem müsse im Autoverkehr "die einseitige Bevorzugung von Elektromobilität" sofort enden.

Verteidigung

Die Bundeswehr befinde sich "in einem desolaten Zustand" und sei "nicht verteidigungsfähig", schreibt die AfD. Dazu beigetragen habe auch die Abgabe von Waffen an die Ukraine. Die Bundeswehr müsse "massiv" gestärkt und nicht nur materiell, sondern auch "ideell revitalisiert" werden. "Die Bundeswehr soll deshalb wieder einen starken Korpsgeist, ihre Traditionen und deutsche Werte pflegen."

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