3 months ago

Thüringen-Debatte bei ntv: Ramelow kämpft, Voigt schließt aus und die AfD? Nur so halb da



Es ist die letzte große Debatte vor der Thüringer Landtagswahl am Sonntag. Bei ntv und Antenne Thüringen diskutieren die Spitzenkandidaten über Solingen, Ukraine oder auch Bildung - bis auf den erkrankten Höcke. Sein Stellvertreter bleibt Antworten schuldig.

Wahlkampf in Thüringen, das ist nichts für schwache Nerven. Die AfD bei rund 30 Prozent, die SPD einstellig, Grüne und FDP am Abgrund - und ein fast aus dem Nichts kommendes Bündnis Sahra Wagenknecht, dessen Namensgeberin überall plakatiert ist, obwohl man sie gar nicht wählen kann. Dann ist da noch die CDU, die mit AfD und Linken nicht kann, mit den Grünen nicht will und damit nur eine Machtoption hätte: Gemeinsam mit SPD und BSW regieren. Und drumherum 1,6 Millionen Wahlberechtigte, von denen sich viele ganz besonders für ein Thema interessieren, über das im Erfurter Landtag nicht entschieden wird - den Krieg gegen die Ukraine.

So haben Nikolaus Blome von ntv und Alex Küper von Antenne Thüringen in Weimar viel mit den Spitzenkandidaten der Parteien zu besprechen. Alle sind sie zur letzten großen Debatte vor der Landtagswahl gekommen, oder fast zumindest alle: Ministerpräsident Bodo Ramelow von der Linken, CDU-Kandidat Mario Voigt, SPD-Innenminister Georg Maier, die Grüne Madeleine Henfling und Thomas Kemmerich von der FDP. Aber eben nicht Björn Höcke, der am Vormittag kurzfristig abgesagt hatte - aus gesundheitlichen Gründen.

So stellt Blome dessen Stellvertreter Stefan Möller die erste Frage. Woran Höcke denn erkrankt sei. Doch Möller weiß es auch nicht, sagt er zumindest: "Ich bin ja nicht sein Hausarzt." Er sei nicht bei ihm zu Hause gewesen. Höcke habe die Nacht vorher nicht schlafen können, sagt er.

Was folgt aus den Morden von Solingen?

Überzeugend wirkte das nicht, denn am Montag hatte Höcke schon einmal abgesagt. Da allerdings noch aus privaten Gründen. Am morgigen Donnerstag aber hat er bereits den nächsten Wahlkampftermin. Blome hakt angesichts dieser zu erwartenden "Spontanheilung" nach. Möller beteuert, Höckes Gründe seien nicht vorgeschoben. Auch "Rechtspopulisten", wie Möller sagt, könnten im Wahlkampf mal gesundheitliche Schwächen zeigen. Damit ist das Thema erledigt.

Der eigentliche Einstieg in die Sendung sind die Morde von Solingen, wo ein radikalisierter Islamist drei Menschen erstach. Ein Knackpunkt an dem Fall ist die gescheiterte Abschiebung des Täters. Auch in Thüringen leben 4500 Ausreisepflichtige. Ramelow sagt, das seien nicht alles Messermänner und Straftäter. Sein Innenminister Georg Maier pflichtet ihm bei - noch sind die beiden in der gleichen Regierung, Rot-Rot-Grün.

Der SPD-Mann sagt, es würden gerade die gesetzlichen Grundlagen für Messerverbotszonen geschaffen. Thüringen sei eines der sichersten Bundesländer. Es entstehe manchmal der Eindruck, nur Migranten begingen Straftaten. "Das ist nicht so", sagt Maier. Eine Einsicht, die in Thüringen offenbar nicht selbstverständlich ist.

Höcke-Stellvertreter Möller spricht von einer Abschiebe-Blockade in der Bundesrepublik. Er würde notfalls selbst nach Kabul fliegen, um mit den Taliban über eine Rücknahme von Afghanen zu verhandeln, sagt er. Ärzte, Pflegekräfte oder Paketboten werde die AfD nicht abschieben. Aber Drogendealer, Leute, die andere überfielen oder "irgendwelche Straßenschläger" schon. Doch da fangen die Probleme erst an. Denn wenn beispielsweise Marokko seine Bürger nicht zurücknimmt, lässt sich nicht viel machen.

Doch jeden Eindruck von Schulterzucken will beispielsweise Mario Voigt von der CDU vermeiden. Er fordert ein Rückführungszentrum in Thüringen und verspricht 1800 Polizisten für die nächsten fünf Jahren. Auch Katja Wolf vom BSW gibt sich hart gegenüber Zugereisten, lenkt dann das Gespräch auf den anderen Aspekt des Themas Migration: den Fachkräftemangel.

Selbst Bratwurst-Verkäufer gesucht

Da sind die Aussichten in Thüringen düster. Gesucht werden keineswegs nur Ärzte, Ingenieure und andere Hochqualifizierte. Auch Bratwurst-Verkäufer werden mittlerweile gebraucht, wie Blome in Thüringen festgestellt hat. Ramelow stimmt zu und referiert, es gingen in den kommenden zehn Jahren 300.000 Arbeitnehmer in Rente, es kämen aber nur 150.000 nach. Eindrucksvolle Zahlen, die zeigen: Ohne Zuwanderung wird es schwer. Auch wenn die AfD mit einem Plakat eines Pärchens im Bett dafür wirbt, das Problem mit dem eigenen Nachwuchs zu lösen.

Thüringen geht andere Wege: Mit einer eigenen Firma sucht das Bundesland im fernen Vietnam nach Auszubildenden. 776 seien schon da, berichtet Ramelow. Auch die geflüchteten Ukrainer dürften sofort arbeiten, stellt er klar. Spätestens seit es den sogenannten Jobturbo gebe, müssten die auch nicht zuerst einen Sprachkurs machen.

Und schon kommt die Debatte wieder bei der AfD an. Immerhin gilt deren Landesverband als gesichert rechtsextrem. Das klingt für ausländische Fachkräfte nicht gerade verlockend. Der Oberbürgermeister von Jena, Thomas Nitzsche, hatte im Interview mit ntv.de gesagt, das liege "wie ein Schatten über allem". Denn, so sagt es nun die Grünen-Kandidatin Henfling, die AfD schaffe ein Klima, das zu Gewalt führe. "Wer 'Sonne, Sonne, Remigration' oder 'Abschiebung schafft Wohnraum' plakatiert, dem geht es nicht darum Probleme zu lösen, sondern Hass und Hetze zu verbreiten und Gesellschaft zu spalten", sagte sie in Richtung Möller.

Henfling stellte sich auch am entschlossensten gegen BSW-Kandidatin Wolf, als es um die Ukraine ging. Die hatte gesagt, es müsse eine Verhandlungslösung geben. "Das Sterben" müsse aufhören. Diplomatie müsse im Vordergrund stehen. Ein Zuschauer hatte sie gefragt, wie viel Land die Ukraine denn bei solchen Verhandlungen aufgeben solle. Und wie viel sie bereit wäre, von Thüringen abzugeben, wenn mal ein Aggressor vor der eigenen Haustür stünde. Grünen-Politikerin Henfling sagt, auch sie wolle Frieden, aber das BSW wolle letztlich dem russischen Präsidenten Wladimir Putin die Ukraine auf dem Silbertablett servieren. Putin werde sich mit der Ukraine nicht zufriedengeben, das hätten die Länder um die Ukraine herum längst verstanden.

Was geht da mit BSW und CDU?

Das Thema Bildung ist dann wieder eines, über das tatsächlich in Thüringen entschieden wird. Und da tun sich gleich wieder Abgründe auf. Von Schülern, die nur alle zwei Wochen mal Englischunterricht bekommen und Omas, die nicht vorhandene Biologie-Lehrer ersetzen sollen, um den "Kindern die Bäume zu erklären", ist die Rede. Ministerpräsident Ramelow gibt sich entwaffnend offen. Seine Regierung habe zwar in zehn Jahren 7500 Lehrer eingestellt, es gebe aber immer noch 1000 offene Stellen. Die seien bewilligt und finanziert, es fehlten die Bewerber.

Voigt wirkt hier gut vorbereitet, fordert eine Übernahmegarantie für Lehramtsstudenten, mehr Seiteneinsteiger und weniger Bürokratie. Letzteres betont auch BSW-Kandidatin Wolf, die als einstige Bürgermeisterin von Eisenach das Problem aus der Nähe kennt.

Ob die beiden darüber zusammenfinden? Bei ntv.de hatte Voigt schon gesagt, er könne sich vorstellen mit Wolf zusammenzuarbeiten. Wenn nicht immer Parteichefin Wagenknecht aus Berlin reinregiere. Nun weicht er der Frage Blomes aus, warum die CDU nicht mit der Linken aber mit dem BSW durchaus koalieren würde. Schlüssig ist das tatsächlich nicht, schließlich ist das BSW eine Abspaltung der Linken. Aber es gibt zum BSW eben keinen formellen Nichtvereinbarkeitsbeschluss der CDU. Und das BSW ist nun mal die einzige Chance für eine Regierung mit eigener Mehrheit. Immerhin: Die als pragmatisch geltende Wolf wiederholt nicht die Brachial-Forderungen von Wagenknecht. Die hatte gesagt, eine Koalition gebe es nur, wenn man in der Ukraine-Frage auf einer Linie sei. Was unannehmbar für die CDU wäre.

Eine neue Minderheitsregierung wie bisher will jedenfalls niemand in Thüringen, nicht einmal Ramelow, wie er beteuerte. Leicht wird die Regierungsbildung sicher nicht, wenn am Sonntagabend das Wahlergebnis da ist. Wahlen in Thüringen sind eben nichts für schwache Nerven.

Adblock test (Why?)

Gesamten Artikel lesen

© Varient 2024. All rights are reserved