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Thomas Oostendorp: "Jetzt bin ich deutlich lauter und emotionaler"



Foto: Sportfoto Zink
fcn.de: Wie war es bislang für Dich, das erste Mal weg aus der Heimat und in einem anderen Land zu leben? Thomas Oostendorp: Der Club ist sehr familiär, jeder arbeitet gemeinsam und verfolgt ein Ziel. Niemand ist überheblich oder sich zu schade, dem anderen zu helfen, wenn es Probleme gibt. Das gefällt mir gut und ich fühle mich extrem wohl hier. Das erste Jahr in der Bundesliga war eine spannende und neue Erfahrung für uns alle. Wir haben uns im Laufe der Saison entwickeln können, aber am Ende hat der entscheidende Schritt gefehlt, um in der Liga zu bleiben. Das schmerzt natürlich schon sehr. An der einen oder anderen Stelle hat uns vielleicht auch ein bisschen das Glück gefehlt, um den Klassenerhalt zu schaffen, aber das allein war nicht der ausschlaggebende Grund. Dadurch, dass wir auf junge und hungrige Spielerinnen setzen, nehmen wir Rückschläge bewusst in Kauf. Nur so kann der Verein wachsen und gleichzeitig das finanzielle Risiko minimieren. Wir wollen hier etwas aufbauen und die Spielerinnen entwickeln, um in Zukunft wieder Bundesligafußball in Nürnberg zu sehen. fcn.de: Hast Du Dich hier in Nürnberg eingelebt? Thomas Oostendorp: Definitiv, Nürnberg ist eine Art zweites Zuhause für uns geworden. Wir haben in den Niederlanden zwar auch noch ein Haus, aber, wenn wir dort sind, fühlt sich das eher nach Urlaub an. Hier in Nürnberg haben wir uns sehr schnell zurechtgefunden. fcn.de: Was gefällt Dir besonders hier in Nürnberg? Thomas Oostendorp: Als ich vor einem Jahr mit meinen Sachen vor meiner neuen Wohnung stand, haben fremde Leute angehalten und gefragt, ob sie mir helfen können. Ich habe einen gebrauchten Schrank im Internet gekauft und bin nun tatsächlich mit dem Verkäufer befreundet. Er hat mir dabei geholfen, den Schrank in meiner Wohnung aufzubauen und seitdem gehen wir gelegentlich zusammen essen. In den Niederlanden ist es auch im Straßenverkehr deutlich hektischer als hier in Deutschland, da kommen mir alle etwas ruhiger und entspannter vor. fcn.de: Anfang des Jahres hat sich durch die Geburt Deines Sohnes dein Leben verändert. Schläft er schon in Club-Bettwäsche? Thomas Oostendorp: Tatsächlich hat er einen FCN-Strampler und von der Mannschaft sogar ein Trikot bekommen. Das hat er bei seinem ersten Stadionbesuch zwei Wochen nach der Geburt natürlich direkt getragen. In diesem Spiel haben wir Unentschieden gegen Freiburg gespielt, er hat uns also Glück gebracht. fcn.de: Hast Du etwas anpassen müssen fürs Training oder die Spiele als Familienvater? Ist es stressiger geworden? Thomas Oostendorp: Natürlich ist es eine andere Belastung für mich, aber es gibt mir auch neue Kraft und bringt Abwechslung, da ich nicht immer nur an Fußball denken kann. Früher habe ich nach einer Niederlage direkt vier, fünf Spiele angeschaut und analysiert, um zu schauen, was wir besser hätten machen können, statt einfach mal abzuschalten. Mit der Familie kann ich eher loslassen. Wenn meine Frau und mein Sohn in den Niederlanden sind, plane ich die nächsten Wochen. So arbeite ich quasi ein bisschen in Etappen und bereite immer wieder neue Dinge vor, wenn sie mal nicht in Nürnberg sind. fcn.de: Was unterscheidet den Familienvater vom Trainer Thomas Oostendorp? Bist Du privat anders als an der Seitenlinie? Thomas Oostendorp: Ich versuche im Kreise der Mannschaft genauso zu sein wie zuhause. Mir ist die menschliche Seite sehr wichtig. Ich interessiere mich für die Bedürfnisse meiner Spielerinnen, frage, wie es ihnen gerade geht und welche Probleme es vielleicht gibt. Mein größtes Problem ist, dass ich ein ungeduldiger Mensch bin. Das funktioniert als Club-Trainer mittlerweile besser, weil ich die Gesamtentwicklung sehe und bei Rückschlägen ruhiger bleibe. Wir haben ein sehr vertrauensvolles Miteinander und können uns ehrlich sagen, wenn etwas nicht passt. Wenn wir kein gutes Verhältnis zueinander hätten und die Spielerinnen nicht das Gefühl haben, dass ihre Bedürfnisse genauso wichtig sind, dann werden wir einzelne Spielerinnen und auch die Mannschaft nicht verbessern können. Dieses Feedback bekomme ich immer wieder. Es freut mich, dass die Spielerinnen dies zu schätzen wissen. Aber ich frage mich dann auch, wie es sein kann, dass sich viele Trainer nicht für die Gefühlslage von Spielerinnen interessieren, wenn sie beispielsweise nicht zum Einsatz kommen oder andere Probleme haben. Das sollte selbstverständlich und nicht die Ausnahme sein. Wir Trainer sind dafür verantwortlich, dass die Spielerinnen verstehen, wieso wir bestimmte Entscheidungen treffen und sie diese nachvollziehen können. Gerade junge Spielerinnen brauchen das Vertrauen vom Trainer und müssen vielleicht auch ein bisschen an die Hand genommen werden, damit sie sich entwickeln können. fcn.de: Bist Du als Trainer der Motivationskünstler oder doch eher Taktikfuchs? Thomas Oostendorp: Ich glaube, es ist eine Mischung aus beidem, mit leichtem Hang zum analytischen. Bei den Ansprachen vor dem Spiel geht es natürlich auch um taktische Inhalte, da fühle ich mich sehr wohl. Bei Übungsformen im Training beobachte ich mehr und greife dann korrigierend ein, aber für die Intensität sorgt eher mein Trainerteam. Ich bin eher der ruhigere und analytische Typ, wobei sich das inzwischen auch etwas geändert hat. Bevor ich nach Nürnberg gekommen bin, habe ich nie eine gelbe Karte als Trainer bekommen: Jetzt bin ich deutlich emotionaler und lauter an der Seitenlinie. Da kann es schon mal passieren, dass es eine Verwarnung gibt. fcn.de: Nach dem Abstieg in der letzten Saison und der starken bisherigen Saison: Gibt es Erkenntnisse, die Du für Dich aus deiner Zeit beim FCN bereits ziehen konntest? Thomas Oostendorp: Ja, da gibt es viele. Es ist meine erste Trainerstation im Ausland, das erste Mal im Vereinsfußball. Wir mussten zu Beginn die Mannschaft auf die Herausforderungen in der ersten Liga vorbereiten. Da ging es beispielsweise um Intensität und die Quantität des Trainings, aber auch taktische Inhalte mussten wir erarbeiten. Für mich persönlich war der Umgang untereinander sehr spannend. Zu sehen, wie die Spielerinnen in Besprechungen bestimmte Punkte eingeschätzt und auch ihre Meinung geäußert haben. Und ich habe für mich gelernt, dass ich als Trainer nicht immer über alles die Kontrolle haben kann. Ich kann Spielerinnen ein bisschen beeinflussen, aber das ist nur ein kleiner Teil des Ganzen. Meine Aufgabe ist es eher, dem Team Hilfestellung zu geben, damit es auf dem Platz die bestmögliche Entscheidung treffen und Lösungen finden kann.
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