3 months ago

Taktik der Ukraine geht wohl auf: "Nicht tragbar" - Russland erlebt verhängnisvolles Desaster bei Pokrowsk



Die russischen Truppen sollen bei ihrem Vorrücken auf Pokrowsk selbst für ihre Verhältnisse besonders massiv Kriegsgerät verlieren. Damit könnte eine ukrainische Taktik weiter aufgehen. Eine anerkannte US-Denkfabrik hält das Vorgehen der Kreml-Truppen auf Dauer für nicht tragbar.

Woche um Woche vermeldet das russische Verteidigungsministerium die Einnahme von Dörfern in der Ukraine durch seine Invasionstruppen. Schnell entsteht dadurch der falsche Eindruck, die Kreml-Truppen seien nicht zu stoppen und die Ukraine verloren. Putins Truppen rücken zwar tatsächlich vor, tun dies jedoch langsam und unter massiven Verlusten, wie sich beim Epizentrum des Krieges in Richtung Pokrowsk zeigt. Die Strategie der in ihrem Verteidigungskampf unterlegenen Ukraine könnte dadurch aufgehen.

Ein OSINT-Experte des Oryx-Projektes teilte kürzlich bemerkenswerte Verlustzahlen. So soll die Zahl der zerstörten, aufgegebenen, beschädigten und vom Feind eroberten Panzer innerhalb des letzten Jahres in Richtung Pokrowsk bei insgesamt 539 auf russischer Seite und 92 auf ukrainischer Seite liegen. Auch bei gepanzerten Kampffahrzeugen wie Schützenpanzern zeigen sich extreme Unterschiede: 1020 zu 138. OSINT-Experten beziehen ihre Daten in der Regel aus frei zugänglichem Bild- und Videomaterial in Onlinequellen. Die tatsächlichen Verluste dürften daher noch höher liegen.

Der Ex-US-Marine Rob Lee vom Foreign Policy Research Institute beschrieb die Verluste der Kreml-Truppen auf X als "außergewöhnlich hoch". Russland hat es trotz enormer Anstrengungen bis heute nicht geschafft, nach Pokrowsk einzudringen, steht aber wenige Kilometer vor der für die Logistik der Ukrainer wichtigen Stadt.

Nur 40 Kilometer in zwölf Monaten

Auch das Institut für Kriegsstudien (ISW) hat sich in einer Einschätzung mit den OSINT-Zahlen auseinandergesetzt und teilte mit: "Die russische Militärführung ist möglicherweise nicht willens oder in der Lage, das derzeitige Ausmaß und die Geschwindigkeit der Fahrzeugverluste in den kommenden Monaten und Jahren zu akzeptieren, da die russische Rüstungsindustrie an ihre Grenzen stößt, die russischen Fahrzeugbestände aus der Sowjetzeit begrenzt sind und es dem russischen Militär nicht gelungen ist, durch mechanisierte Manöver operativ bedeutsame territoriale Fortschritte zu erzielen."

Das ISW weist darauf hin, dass die russischen Streitkräfte seit Oktober 2023 nur etwa 40 Kilometer in Richtung Awdijiwka/Pokrowsk vorgedrungen sind. Der Verlust an Ausrüstung für solche taktischen Gewinne sei "ohne eine grundlegende Veränderung der russischen Kriegsressourcen nicht auf Dauer tragbar".

Die US-Denkfabrik geht - wie andere Experten auch - davon aus, dass Russland in den kommenden Monaten und Jahren seine "begrenzten Waffen- und Ausrüstungsbestände aus der Sowjetzeit aufbrauchen wird". Manche Beobachter nannten in diesem Zusammenhang vor allem das Jahr 2026, in dem es kritisch werden könnte - wenn es keine tiefgreifenden Änderungen gibt.

Da Russland mehr Kriegsgerät verliert, als es instand setzt oder neu produziert, werde es "wahrscheinlich Schwierigkeiten haben, seine Einheiten langfristig angemessen mit Material zu versorgen, ohne die russische Wirtschaft auf eine kriegstaugliche Grundlage zu stellen und die Produktionsraten der russischen Rüstungsindustrie deutlich zu erhöhen", so das ISW.

"Tausch von Raum gegen Verluste"

Bei der ukrainischen Armee herrscht ohnehin ein Mangel an Kriegsgerät. Der ukrainische Präsident Selenskyj fordert immer wieder eine Aufstockung der Waffenlieferungen aus dem Westen. Angesichts der Unterlegenheit gehört es zur Taktik Kiews, die russische Seite zu massiven Verlusten zu zwingen, bis sie ihren Angriffskrieg in jetziger Form nicht mehr aufrechterhalten kann - auch wenn dies den Verlust von Gebieten bedeutet.

In Richtung Pokrowsk konnten die Kreml-Truppen teilweise vorrücken, weil sich die Ukrainer zurückzogen und Ortschaften aufgaben, um Mensch und Material zu schützen und bessere Verteidigungspositionen einzunehmen, von denen sie die Angreifer eliminieren können. 70 Kilometer entfernt von Pokrowsk, in Wuhledar, zogen sich Kiews Streitkräfte zuletzt ebenfalls zurück, um eine Einkesselung und weitere Verluste zu verhindern.

Die Ukraine verfolgt eine Strategie, die Mykola Bielieskov, ein Militäranalyst am staatlichen ukrainischen Institut für strategische Studien, laut "New York Times" als "Tausch von Raum gegen Verluste" bezeichnet. Dabei gehe es darum, sich aus den angegriffenen Städten zurückzuziehen, nachdem man den höchstmöglichen Preis an Personal und Material bei den Russen gefordert hat.

Oleksandr Solonko, Mitglied des 411. ukrainischen Drohnenbataillons, brachte gegenüber der Zeitung auf den Punkt, was für die Ukrainer wohl so etwas wie der Schlüssel zum erfolgreichen Verteidigungskampf gegen die russischen Aggressoren ist: "Es kommt darauf an, wie viel sie verlieren, bis sie erkennen, dass es aussichtslos ist."

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