Im Außendienst organisieren Firmen ihre Beschäftigten mit Apps. Die Software soll Abläufe optimieren, Touren verkürzen und die Produktivität steigern – auf Kosten von Privatsphäre und Betriebsklima. Eine Studie hat die Apps nun untersucht.

Bei Mitarbeiter*innen im Außendienst wird heute oftmals Software eingesetzt, um deren Arbeit zu steuern. Durch das sogenannte „algorithmische Management“ werden diese Beschäftigten gläsern, stellt eine neue Studie fest. Die eingesetzten Smartphone-Apps „optimieren“ Tagespläne, lassen kleinteilige Bewertungen der Arbeitsleistung zu oder überwachen den Standort der Beschäftigten mit durchgängiger GPS-Ortung. Die eingesetzten Programme versprechen erhöhte Produktivität, ermöglichen gleichzeitig Micromanaging – und erhöhen den Druck auf Beschäftigte.
Mit solcher Software beschäftigt sich Überwachungsforscher Wolfie Christl in der kürzlich erschienenen Studie „Algorithmisches Management via Smartphone“ (PDF), die Cracked Labs im Auftrag der Arbeiterkammer Wien durchführte. Dafür hat Christl unter anderem Betriebsrät*innen von Firmen befragt und eingesetzte Programme wie „Dynamics 365 Field Service“ von Microsoft und vergleichbare Produkte von SAP, Salesforce und Oracle analysiert.
Micromanaging und Überwachung
Angeschaut hat sich Christl unter anderem zwei österreichische Firmen, die in der mobilen Anlagenwartung tätig sind. Deren Beschäftigte bekommen laut Studie kleinteilige Arbeitsschritte in einer App zugewiesen, die den Arbeitstag bis auf die Sekunde protokolliert. Die Betriebsrät*innen der Firmen berichten Christl von regelmäßigen Gesprächen zwischen Führungskräften und Monteur*innen über die Dauer einzelner Arbeitsschritte. Damit wälzten Führungskräfte den Druck auf ihre Mitarbeiter*innen ab, den durch die Software automatisiert berechnete Kennzahlen ausüben.
Im Gegensatz dazu stehen die Aussagen eines Betriebsrats eines anderen Unternehmens, das in der Gebäudetechnik aktiv ist. Dort nehmen die Angestellten die eingesetzte App „weitgehend positiv“ wahr. Die Monteur*innen erhalten nur grobe zeitliche Vorgaben für Aufträge, die nicht digital dokumentiert werden. Durch die Optimierung der Arbeitszeiten komme es jedoch zu weniger gemeinsamen Tagen im Büro, wodurch das Zusammengehörigkeitsgefühl und die Arbeit des Betriebsrats leide. Gegenüber Christl wünscht sich der Betriebsrat deshalb wieder regelmäßige Termine, „zu denen die Beschäftigten im Außendienst im Rahmen ihrer bezahlten Arbeitszeit im Büro zusammentreffen“.
Auch in der mobilen Pflege kommt laut der Studie „algorithmisches Management“ zum Einsatz. Die Pfleger*innen unterliegen strengen Zeitvorgaben, woran die eingesetzte Software zum Teil sogar mit einem Warnton erinnert. Sie berichten von einen Rechtfertigungsdruck, sollten sie vorgegebene Zeiten überschreiten. Die Software plane zudem unrealistische Touren, sei unflexibel, erhöhe das Überwachungsgefühl, heißt es weiter. Christl mahnt in der Studie, dass „ausgerechnet im öffentlichen Einflussbereich eine rigidere Form der digitalen Kontrolle mit engen Zeitvorgaben praktiziert wird als anderswo“.
Digitale Starrheit
Die Befragten nehmen die Apps laut der Studie oft als starr und unflexibel wahr. Christl kritisiert hier die technische Umsetzung: „Eine kleinteilige digitale Strukturierung, Taktung, Steuerung und Kontrolle von Arbeitstätigkeiten schränkt Handlungs- und Ermessensspielräume ein.“ Dies führe „im schlimmsten Fall zu einer algorithmischen Willkürherrschaft, in der Beschäftigte bei zu engen Zeitvorgaben die starren Anforderungen eines wirklichkeitsfremden und dysfunktionalen Systems erfüllen müssen.“
Die Betriebe erinnert Christl in der Studie daran, dass Kennzahlen nie neutral oder objektiv seien. Wenn sich Führungskräfte zu sehr an den Zahlen orientieren, könne dies schlechte Auswirkungen auf zum Beispiel die Qualität der Arbeit haben. Auch auf permanente Neuoptimierung soll man verzichten, damit sich der Arbeitstag für Beschäftigte nicht willkürlich verändert. Eine Überwachung führe zudem zu Misstrauen und Generalverdacht im Betrieb.
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