9 hours ago

Stress im FC Bundestag: Parlamentskicker müssen AfD mitspielen lassen



Die Fußballmannschaft des Bundestags muss AfD-Politiker wieder mitkicken lassen. Aber nur unter Protest der anderen Spieler. Warum die AfD beim Duschen stört und es um mehr als Fußball geht.

Die Luft bei Kassem Taher Saleh ist raus. Jedenfalls beim Fußball, den er seiner Bundestagskollegin Maja Wallstein vor dem Nordeingang des Bundestags zupasst. "Mann, ist der platt. Den hättest du ja aufpumpen können", schnauzt sie Taher Saleh an.

Taher Saleh und Wallstein sitzen im Bundestag in unterschiedlichen Fraktionen. Er ist Grüner, sie Sozialdemokratin. Nach Feierabend spielen sie aber im gleichen Team. Beide sind Mitglieder des "FC Bundestag", der offiziellen Fußballmannschaft des Parlaments. "Auf dem Platz geht es um die Werte des Sports: Fairness, Inklusion und Internationalität", sagt Wallstein. Jeder sei willkommen - bis auf eine Ausnahme: die AfD. Für die SPD-Politikerin ist klar: "Die passt da nicht hin."

Kassem Taher Saleh und Maja Wallstein spielen für den FC Bundestag. Kassem Taher Saleh und Maja Wallstein spielen für den FC Bundestag.

Kassem Taher Saleh und Maja Wallstein spielen für den FC Bundestag.

(Foto: ntv)

2024 hatte die Parlaments-Fußballmannschaft daher die AfD-Abgeordneten vom Spielbetrieb ausgeschlossen. Es waren die Wochen nach den Recherchen der Investigativjournalisten von "Correctiv", in denen es um das Treffen von Potsdam ging. Für Taher Saleh war es das schönste Jahr beim FC Bundestag. Seitdem die AfD nicht mehr in den Kabinen und auf den Fußballplätzen ist, sei die Stimmung untereinander viel vertrauensvoller. Auch, weil er sich jetzt wieder ungestört einseifen kann: "Ich persönlich möchte nicht mit Nazis und Rechtsextremen nackt unter einer Dusche stehen."

AfD fühlt sich "rechtswidrig" behandelt

Doch damit ist jetzt Schluss. Das Landgericht Berlin hat den seinerzeit gefassten Beschluss für nichtig erklärt, wonach eine Vereinsmitgliedschaft und die Parteizugehörigkeit zur AfD sich ausschlössen und unvereinbar seien. Vier AfD-Bundestagsabgeordnete hatten geklagt. In ihrer Fraktion im Bundestag sorgt das für Jubelstimmung.

Stephan Brandner sagt von sich selbst, er interessiere sich absolut nicht für Fußball. Und das, obwohl er aus dem Ruhrgebiet kommt. Eine Region, in der die Leute zuerst fragen, welchem Fußballklub man die Daumen drückt, bevor andere Dinge geklärt werden. Trotz der fehlenden Fußall-Leidenschaft macht das Bundesvorstandsmitglied aus dem Gerichtsbeschluss eine große Sache. Mit dem Versuch der Ausgrenzung sei der FC Bundestag, angeführt von einem SPD-Politiker, krachend gescheitert.

Dass diese Frage vor einem Gericht geklärt werden musste, findet Brandner "affig". Aber so müsse die AfD reagieren, er fühlt sich "rechtswidrig" behandelt. "Gerade beim FC Bundestag erschließt sich mir schon nicht, was das überhaupt mit Politik zu tun haben soll", zetert Brandner.

Doch wie mit der AfD im Bundestag umzugehen ist, ist längst zum Politikum geworden. Die Fraktion hat sich verdoppelt, 152 Abgeordnete gehören ihr an. Trotzdem hat die zweitstärkste Fraktion im neuen Bundestag keine Chance, einen der Vizepräsidenten zu stellen. Alle anderen künftig im Parlament vertretenen Fraktionen lehnen die Wahl eines AfD-Kandidaten ab. Zum Ärger von Brandner: "Es wird überall versucht, uns Stöcke in die Speichen zu stecken."

AfD beansprucht den Sitzungssaal der SPD

SPD-Frau Wallstein kann den Ärger nicht verstehen. Es entspreche dem normalen Recht einer jeder Abgeordneten, "solche Menschen" nicht zu wählen. "Genauso hat die AfD jedes Recht, eine Claudia Roth nicht als Vizepräsidentin zu wählen", so Wallstein. Und da das auch geschehen ist, solle die AfD nicht "rumopfern".

Streit gibt es auch um Ausschussvorsitze, die die AfD nicht erhält, und den zukünftigen Sitzungssaal der Fraktion. Die AfD beansprucht den Sitzungssaal der SPD und begründet das mit ihrer gestiegenen Anzahl an Abgeordneten. Dieser Saal ist nach dem Sozialdemokraten Otto Wels benannt. Wels ist eine historische Figur: Er war einer der wenigen Abgeordneten, die nicht vor dem Ermächtigungsgesetz der NSDAP einknickten. Seine Rede im Reichstag am 23. März 1933 ist legendär.

Brandner kommentiert das alles genervt. Dahinter stecke nur die Unfähigkeit, sich mit der AfD auf der argumentativen Ebene und inhaltlich auseinanderzusetzen. Es gehe nur darum, "mit der Keule draufzuhauen". Starke Worte für einen Bundestagsabgeordneten, der bei den erteilten Ordnungsrufen zur Spitze seiner Fraktion und des Parlaments gehört.

Zurück zum FC Bundestag. Der muss jetzt die AfD-Abgeordneten Jörn König und Malte Kaufmann, nach eigenen Angaben Mitglieder des Vereins, wieder mitspielen lassen. Die hatten unter anderem geklagt und teilten nach dem Urteil mit: "Wir freuen uns, bald wieder mit dem Adler auf der Brust auf dem Spielfeld unser Bestes für den FC Bundestag zu geben."

"Ein Herr König kann nichts am Ball"

Eine Nachricht, die Taher Saleh ohne jede Begeisterung aufnimmt. Man sei Rechtsaußen beim FC Bundestag gut aufgestellt und brauche da keine Ersatzspieler. Wobei das zumindest in der jüngsten Vergangenheit nicht auf die Ergebnisse des Teams zutrifft. Bei der Europameisterschaft der Parlamentsteams wurde der FC Bundestag im Sommer Dritter. Es traten allerdings lediglich vier Mannschaften an.

Die Abgeordneten könnten also jede Unterstützung gebrauchen. Oder? AfD-Mann Brandner sagt: Ja! König und Kaufmann seien "begnadete Fußballer". Eine Einschätzung, die Taher Saleh nicht teilt: "Ein Herr König kann nichts am Ball." Der könne maximal "geradestehen". Malte Kaufmann könne man "einen Pass anvertrauen, mehr aber auch nicht." Sein Urteil: "Die sind nicht hilfreich."

SPD-Kollegin Wallstein gibt sich diplomatischer. Sie möchte über die spielerischen Qualitäten nicht urteilen. "Mich interessieren an der Stelle die Ideen und auch die politische Ausrichtung, die sie haben", sagt sie. Diese seien "menschenverachtend" und daher "nicht tragbar".

Und jetzt? Im FC Bundestag überlegt man, die Satzung zu ändern. Und so die AfD-Kicker auch endgültig rauszuschmeißen.

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