SPD-Kabinett: Und was wird aus ihr? Das Esken-Drama der SPD

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Die SPD stellt sich neu auf, präsentiert ihr Personal für Schwarz-Rot. Saskia Esken, die Parteivorsitzende, geht leer aus. Co-Chef Lars Klingbeil bastelt an einem eigenen Plan.

Es wird nur ein Zufall sein, doch die Szene steht symbolisch für die aktuellen Verhältnisse in der SPD – und ihr neues Machtzentrum.  

Als sich das Regierungsteam der Sozialdemokraten vor dem Gasometer in Berlin aufreiht, strahlt ausschließlich Lars Klingbeil die Sonne ins Gesicht. Der Rest der SPD-Spitzenriege steht im Schatten, auch seine Co-Parteivorsitzende. Saskia Esken lässt sich nichts anmerken. Sie grinst an diesem Montagvormittag ein eisernes Grinsen. Dann schlendert sie wie alle anderen zur Unterschrift des schwarz-roten Koalitionsvertrags.  

Das SPD-RegierungsteamDas SPD-Regierungsteam
© Bernd von Jutrczenka

Saskia Esken, 63, wird nicht Teil des SPD-Kabinetts sein. Das steht jetzt fest. Unklar ist noch, ob sie als Parteivorsitzende weitermachen wird. Im Zweifel weitermachen kann; es überhaupt möchte. 

Kaum eine Personalie hatte im Vorfeld für so viel Diskussionen gesorgt. Monatelang rätselten, raunten und, ja, spotteten sie in der SPD, ob die Parteichefin tatsächlich ins Kabinett einziehen könnte: Esken, echt jetzt? Während Lars Klingbeil immer mehr Macht auf seine Person konzentrierte.

Im SPD-Parteivorstand am Montagmorgen soll Esken einen professionellen Eindruck gemacht und nach stern-Informationen betont haben, dass sie Vorsitzende sei, weil ihr etwas an der Partei liege. Nicht an Ämtern, schwingt da mit. 

Derweil wird aus SPD-Kreisen verbreitet, dass Esken nach dem Wahlergebnis ein junges, kompetentes und vor allem weiblichen Tableau wichtig gewesen sei. Sie mit Klingbeil eine gute Minister-Mischung, auch mit einigen überraschenden Namen, erreicht habe. Wie in ihrer gesamten Zeit als Parteivorsitzende stelle sich Esken in den Dienst der Partei, von Zusammenhalt und stetiger Erneuerung – und habe auf einen Kabinettsposten verzichtet. 

Esken, die Erneuerin: Das soll offenbar ihr politisches Vermächtnis sein, die Erzählung. Laut "Politico" soll Esken jedoch bis zuletzt mit dem Amt der Entwicklungsministerin geliebäugelt haben – offenbar vergebens. 

Lars Klingbeil, das neue Machtzentrum der SPD

Nun steht also das SPD-Personaltableau für Schwarz-Rot – die sieben designierten Ministerinnen und Minister, zwei Staatsministerinnen, so auch die Parlamentarischen Staatssekretäre. Die künftige Führung der Bundestagsfraktion ist ebenfalls geklärt: Matthias Miersch wird den Posten übernehmen, ein enger Vertrauter Klingbeils.

Die neue Regierung brauche "mehr denn je echtes Teamplay", heißt es in einem gemeinsamen Statement der SPD-Parteispitze. Als Konsequenz aus dem schlechten Wahlergebnis habe man gemeinsam eine personelle und inhaltliche Neuaufstellung angekündigt, mit dem Regierungsteam den nächsten Schritt getan. Mehr Frauen als Männer, neuen Gesichtern, verschiedenen Biografien. 

Klingbeil legt einen steilen Aufstieg hin, hat sich machtpolitisch geschickt an die Spitze der SPD gesetzt und wichtige Posten mit Vertrauten besetzt – das gestehen ihm sogar Genossen zu, die sein Durchmarsch mindestens verblüfft. 

Schon nach der historischen Niederlage bei der Bundestagswahl, die Klingbeil als Parteichef ebenso mitzuverantworten hatte, griff er nach dem Fraktionsvorsitz. Abgezockt, aber effektiv: In den Verhandlungen mit der Union hat er für die Sozialdemokraten mehr herausgeholt, als das maue Ergebnis rechtfertigen würde.

Nach der SPD-Mitgliederbefragung, die sich mehrheitlich für Schwarz-Rot aussprach, soll sich Klingbeil von den Parteigremien erbeten haben, die Regierungsmannschaft federführend aufzustellen. Nach offizieller Lesart auch auf Empfehlung von Co-Chefin Esken. Gleichzeitig kündigte Klingbeil an, als Vizekanzler und Finanzminister ins Kabinett wechseln zu wollen. Der SPD-Chef überrumpelte damit viele Genossen – wieder einmal. 

Plant Klingbeil den Angriff aufs Kanzleramt 2029?

Esken hatte dabei in letzter Konsequenz offenbar das Nachsehen. Nach der vergeigten Bundestagswahl (16,4 Prozent) hat sich der Unmut der geknickten Genossen insbesondere auf sie kanalisiert – auf ihre als ungeschickt wahrgenommenen Auftritte im Fernsehen, ihre Performance im eigenen Wahlkreis. 

Offiziell wird zwar betont, dass es sich um das "gemeinsame Personaltableu" der Parteispitze handle. Beim Blick auf die künftigen Köpfe der SPD spricht jedoch einiges dafür, dass bei Klingbeil die Fäden zusammenlaufen, er das neue SPD-Machtzentrum in Schwarz-Rot sein wird. 

Zu Carsten Schneider, dem designierten Bundesumweltminister, hat Klingbeil ein enges Band. Ebenso Verena Hubertz, die künftige Bauministerin, zählt zu seinen Vertrauten. Auch die SPD-Bundestagsfraktion, die Klingbeil während der Koalitionsgespräche angeführt hat, dürfte ihm mit Miersch an der Spitze kaum in die Quere kommen. Auch er ist Niedersachse, auch er gilt als enger Vertrauter von Klingbeil. Klingbeil schart ein Team aus Loyalisten um sich. Plant da einer den Angriff aufs Kanzleramt im Jahr 2029?

Ende Juni findet der SPD-Parteitag statt, dann soll auch die Parteispitze neu gewählt werden. Während ranghohe Sozialdemokraten dafür werben, dass Klingbeil SPD-Chef bleibt, sind Eskens öffentliche Fürsprecher rar gesät. Die SPD-Chefin, die 2019 von der Parteibasis gewählt wurde, steht intern massiv unter Druck und nach der zunehmend unrühmlichen Debatte um ihre Person beschädigt da. 

Er finde es "beschämend", beklagte Klingbeil in der "Bild am Sonntag", wie die Diskussionen in den letzten Wochen gelaufen seien. In der Öffentlichkeit sei in einem Stil debattiert worden, den er in der SPD überhaupt nicht möge, wofür er immer gekämpft habe, dass es den nicht gebe. Tja.