6 months ago

Spahn will Grenzen schließen: Migrationsdebatte wird nach Solingen schärfer



Nach dem Terror von Solingen ist allen Parteien klar: Es muss etwas passieren. Uneinigkeit besteht darüber, ob die Flüchtlingspolitik verschärft werden soll, das Waffenrecht oder ob die Polizei mehr Befugnisse benötigt. Meinungsverschiedenheiten gibt es nicht nur zwischen Regierung und Opposition.

Nach dem tödlichen Messerangriff in Solingen reißen die Forderungen nach politischen Maßnahmen gegen Gewalttaten insbesondere von Flüchtlingen nicht ab. Im Mittelpunkt stehen dabei einerseits eine Verschärfung des Waffenrechts und mehr Kompetenzen für Sicherheitskräfte und Justiz sowie andererseits eine Verschärfung der Migrationspolitik bishin zu Grenzschließungen zum Stopp irregulärer Zuwanderung. Ein Syrer, der als Flüchtling nach Deutschland gekommen und einer angesetzten Abschiebung durch kurzfristiges Untertauchen entgangen war, steht in dem dringenden Verdacht, in Solingen drei Menschen mit einem Messer getötet und weitere verletzt zu haben. Die Terrororganisation Islamischer Staat bekannte sich zu dem Anschlag.

Unions-Fraktionsvize Jens Spahn forderte als Reaktion auf die Tat unter anderem Grenzschließungen. Spahn sagte der "Rheinischen Post": "Es kommen seit Jahren jeden Tag hunderte junge Männer aus Syrien und Afghanistan nach Deutschland und Europa". Das müsse enden. "Das Attentat von Solingen mit drei Toten und mehreren Verletzten zeige erneut "schmerzhaft die Konsequenzen dieses Kontrollverlustes", sagte Spahn. "Die deutschen Grenzen müssen für irreguläre Migration geschlossen werden."

Damit ging Spahn noch über die Forderung seines Parteivorsitzenden Friedrich Merz hinaus, der die Aufnahme von Flüchtlingen auf Afghanistan und Syrien stoppen möchte. "Nach Syrien und Afghanistan kann abgeschoben werden, weitere Flüchtlinge aus diesen Ländern nehmen wir nicht auf", hatte Merz gefordert. Der CDU-Chef kritisierte die Regierungskoalition und insbesondere Kanzler Olaf Scholz scharf. Die Ampelparteien stritten und diskutierten über mögliche Messerverbote. Das Problem, so Merz, liege bei Flüchtlingen aus muslimischen Ländern, die die Mehrheit dieser Taten verübe.

Auch SPD will nach Afghanistan und Syrien abschieben

Rufe nach einer Verschärfung der Flüchtlingspolitik und dabei insbesondere nach mehr und konsequenteren Abschiebungen fanden ein breites Echo sowohl bei der Union, aber auch bei den Ampel-Koalitionsparteien SPD und FDP. FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle sagte der "Rheinischen Post": "Wer keinen Schutzgrund geltend machen kann, der muss Deutschland umgehend wieder verlassen und darf nicht auch noch Sozialleistungen erhalten."

Der stellvertretende SPD-Fraktionschef Dirk Wiese bekräftigte die Forderung seiner Partei, Straftäter auch nach Syrien oder Afghanistan abzuschieben. Im Fall der gescheiterten Abschiebung des mutmaßlichen Attentäters von Solingen sieht Wiese allerdings primär ein Versäumnis bei den Behörden in Nordrhein-Westfalen. Hier müsse der christdemokratische NRW-Innenminister Herbert Reul jetzt dringend für Aufklärung sorgen. Wiese wies allerdings Merz‘ Forderung nach einem totalen Aufnahmestopp für Syrer und Afghanen zurück. Viele seien gerade vor dem IS zum Beispiel aus Syrien geflohen, sagte Wiese dem "Tagesspiegel". Es sei weiter richtig, Menschen, die tatsächlich Schutz nötig hätten, diesen auch zu gewähren.

Zugleich forderte Wiese zusätzliche Befugnisse für die Sicherheitsbehörden, um gegen Terrorismus vorzugehen. Er sprach sich für die Speicherung von IP-Adressen und die Gesichtserkennung zu Fahndungszwecken zur Verhinderung und Aufklärung terroristischer Straftaten aus. Zudem wünschte sich Wiese endlich ein neues Bundespolizeigesetz und mehr Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen.

Justizminister in der Kritik

Viele dieser Maßnahmen blockiert nach Ansicht von Wiese derzeit Justizminister Marco Buschmann vom Ampel-Koalitionspartner FDP. "Buschmanns Politikansatz sorgt dafür, dass die Sicherheitsbehörden online fast blind sind und ihnen auch im realen Raum oftmals die Hände gebunden sind", kritisierte Wiese. Zuletzt seien viele Terroranschläge im Vorfeld verhindert worden. Man dürfe sich dabei allerdings nicht immer auf Hinweise von befreundeten ausländischen Diensten verlassen, betonte Wiese.

Unterstützt werden die Forderungen nach mehr Kompetenzen für die Sicherheitsbehörden unter anderem von den Polizeigewerkschaften. Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) für den Bereich Bundespolizei, Andreas Roßkopf, sagte der "Rheinischen Post": "Der Justizminister muss endlich mit seiner Blockade in diesem Bereich aufhören." Die Bundespolizei benötige dringend an Hotspots wie Bahnhöfen gesetzliche Verschärfungen für die Überwachung und die Kontrolle. An diesen gefährlichen Orten würden Straftaten verabredet, vorbereitet oder verübt. Daher sei es zwingend, die Befugnisse der Bundespolizei zur Kontrolle und Identitätsfeststellung von Personen an solchen Orten in die Novelle des Bundespolizeigesetzes einzubringen. "Nur dann haben Verschärfungen oder Verbote auch einen Sinn", sagte Roßkopf. Buschmann stehe diesbezüglich aber auf der Bremse.

Mehr zum Thema

Buschmann hat nach dem Anschlag von Solingen bereits Bereitschaft gezeigt, sich beim zeigte sich beim Thema Messerverbote zu bewegen. So kündigte Ministerin Nancy Faeser bereits an, weitere Messertypen zu verbieten, mehr Waffen- und Messerverbotszonen einzuführen und der Polizei mehr Kontrollen zu ermöglichen. Buschmann, der sich bisher dagegen positionierte, zeigte sich nach dem Messeranschlag von Solingen offener für diesen Vorstoß. "Nach Solingen müssen alle Themen auf den Tisch: Dabei ist das Waffengesetz kein Tabu", schreibt er auf X.

Eine Verschärfung des Waffenrechts forderte derweil auch Vizekanzler Robert Habeck. Es müsse "mehr Waffenverbotszonen und strengere Waffengesetze" geben. "Niemand muss im öffentlichen Räumen in Deutschland Stich- oder Hiebwaffen tragen", sagte der Grünen-Politiker. "Wir leben nicht mehr im Mittelalter."

Adblock test (Why?)

Gesamten Artikel lesen





© Varient 2025. All rights are reserved