Beobachter fühlten sich bei der ersten Regierungserklärung von Friedrich Merz an Olaf Scholz erinnert. Kein Wunder: Das Manuskript stammte aus der Feder eines Scholz-Mannes.
So sehr nach Olaf Scholz klang Friedrich Merz womöglich noch nie. In der ersten Regierungserklärung des Bundeskanzlers am Mittwoch ging es um den Mindestlohn, Tarifbindungen, den Fleiß der Arbeitnehmer im Land. Auch sein Sound, der Ton der Rede, erinnerte viele Beobachter an seinen Vorgänger, an Olaf Scholz.
Ex-FDP-Fraktionschef Christian Dürr sagte am Donnerstagmorgen bei RTL/ntv: "Diese Rede hätte auch Olaf Scholz halten können, einschließlich des Lobes für Olaf Scholz." Ähnlich äußerten sich manche Kommentatoren.
Die Parallelen zwischen Merz und Scholz haben einen kuriosen Hintergrund. Die erste Regierungserklärung von Friedrich Merz wurde offenbar maßgeblich von einem Redenschreiber von Olaf Scholz verfasst. Das geht aus internen Dokumenten aus dem Kanzleramt hervor, die dem stern vorliegen. Demnach wurde das Manuskript für die Rede von Christian Doktor verantwortet, Chefredenschreiber von Scholz. Merz' Büroleiter Jacob Schrot lobt etwa: "Das Manuskript ist gut geworden."
Friedrich Merz setzt auf einen Vertrauten von Olaf Scholz
Redenschreiber Doktor war in der Vergangenheit unter anderem verantwortlich für das Verfassen der Zeitenwende-Rede von Olaf Scholz, kurz nach Ausbruch des Ukraine-Krieges. Er prägte den entsprechenden Begriff für diesen Moment. Merz hatte Scholz in der Vergangenheit zwar scharf angegriffen, ihn zum schlechtesten Kanzler aller Zeiten erklärt. Doch diese eine Scholz-Rede hatte der CDU-Politiker immer auch gelobt.
Nach einer Amtsübergabe wird in der Regel nicht der gesamte Beamtenapparat ausgetauscht. Dass Merz in den ersten Wochen noch auf das alte Reden-Team seines Vorgängers zurückgreift, gilt allerdings als ungewöhnlich. Bisher habe erst eine Redenschreiberin aus der CDU-Parteizentrale im Kanzleramt angefangen, heißt es im Haus. Ihr Kollege Doktor wird dem Vernehmen nach das Kanzleramt Richtung Sommer verlassen. Dort wird betont, dass der Bundeskanzler bei seinen Reden natürlich Entwürfe aus dem Haus entgegennehme, aber daraus eigene Reden mache. Friedrich Merz ist dafür bekannt, dass er große Teile seiner Reden gern selbst schreibt, Manuskripte auch umschreibt.
Ex-Grünen-Chefin Ricarda Lang befand nach der Rede von Merz auf X, Merz klinge so sehr nach Angela Merkel wie nie zuvor. Am Donnerstag sagte Lang dem sternzu dem Vorgang: "Bei Friedrich Merz und der neuen Regierung entsteht der Eindruck, man müsse sich entscheiden: entweder nach untentreten, aber mit Leidenschaft, oder versöhnlich, aber auch ziemlich einschläfernd, ein bisschen wie bei Olaf Scholz." Die ehemalige Grünen-Chefin ergänzte: "Ich glaube, es braucht mehr Politiker, die mit Leidenschaft für positive Visionen und das Gemeinsame einstehen."
Ein bisschen wie bei Olaf Scholz. So bleibt es im Kanzleramt offenbar vorerst.