Viele Sicherheitsexperten sehen besonders den Ostseeraum durch Russland bedroht. Der Westen reagiert darauf mit einem neuen taktischen Hauptquartier in Rostock. Zur Eröffnung erklärt Verteidigungsminister Pistorius es auch zu einem Puzzleteil der deutschen "Zeitenwende".
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat die Bedeutung des Ostseeraums für die Sicherheit Europas hervorgehoben. Dies sei mit der fortlaufenden Aggression Russlands gegen die Ukraine in unmittelbarer Nachbarschaft noch deutlicher geworden. Es seien mittlerweile fast 1000 Tage seit der russischen Militärinvasion in der Ukraine vergangen, und es sei klar, dass sich der Krieg für Präsident Wladimir Putin nicht nur gegen die Ukraine richte. "Sein wirklicher Feind ist unsere freie, unabhängige und demokratische Lebensweise", sagte Pistorius bei der Eröffnung eines neuen taktischen Hauptquartiers der Deutschen Marine in Rostock laut vorab verbreitetem Redetext. Das sei ein greifbarer "Ausdruck zur Umsetzung der Zeitenwende".
Pistorius verwies darauf, dass sich die "russische Aggression" unterschiedlich manifestiere - etwa in hybriden oder Cyber-Attacken. Derartige Angriffe sollten "die Trennlinie zwischen Krieg und Frieden verwischen", sagte er. "Sie zielen darauf ab, die europäische Sicherheit zu destabilisieren, das Vertrauen zu untergraben und Einfluss zu gewinnen."
Die Sicherheit im baltischen Raum sei untrennbar mit der Sicherheit des gesamten Kontinents verbunden. Mit der neuen Zentrale übernimmt die Marine Aufgaben der NATO, die dadurch ihre Verteidigungsbereitschaft in der Ostsee-Region stärken will. Deutschland, das in dem NATO-Bündnis die größte Marine in der Ostsee stellt, übernahm die regionale Führungsrolle bereits zum 1. Oktober. Pistorius macht klar, dass es kein neues NATO-Hauptquartier sei und auch kein Verstoß gegen den Zwei-plus-Vier-Vertrag.
"Ostsee ist ein wichtiger Korridor"
Mit der Übernahme des Kommandos zeige Deutschland seine Verantwortung als eine führende Nation in der Ostsee, sagte Pistorius. Die Ostsee sei "ein wichtiger Korridor für den Handel, die militärische Mobilität und die Energiesicherheit", sagte Pistorius. Sie sei ein "strategisches Gebiet von großer geopolitischer Bedeutung" und stehe "an vorderster Stelle in unserer kollektiven Verteidigung gegen aufkommende Bedrohungen".
Das neue Hauptquartier hat die Aufgabe, maritime Operationen und Übungsvorhaben zu planen sowie von der NATO zugeteilte Seestreitkräfte in Frieden, Krise und Krieg zu führen. An der Eröffnung nahmen auch Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig und der Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Jan Christian Kaack, teil. Es soll dem Bündnis rund um die Uhr ein aktuelles maritimes Lagebild des Ostseeraums zur Verfügung stellen. Das Hauptquartier mit dem englischen Kürzel "CTF Baltic" nimmt für die NATO auch Führungsaufgaben in der Ostsee wahr und soll dort Marineaktivitäten der Verbündeten koordinieren. CTF Baltic steht für "Commander Task Force Baltic".
Es handelt sich um ein nationales Hauptquartier mit Beteiligung anderer Staaten. Nach Angaben des Ministeriums wird es von einem deutschen Admiral geführt. Ein polnischer Admiral soll ihm als Stellvertreter zur Seite stehen. Neben Deutschland sind noch elf weitere Nationen personell an CTF Baltic beteiligt: Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Lettland, Litauen, Niederlande, Polen und Schweden. In Friedenszeiten können 60 Soldatinnen und Soldaten aus diesen und weiteren Partnerländern 60 multinationale Dienstposten besetzen. Im Krisen- und Konfliktfall kann der Stab auf bis zu 240 Dienstposten aufgestockt werden.