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Schausteller auf Weihnachtsmärkten leiden unter Kostendruck



Stand: 26.11.2024 06:00 Uhr

Nach Totensonntag öffnen nach und nach die Weihnachtsmärkte in Deutschland. Die Branche leidet unter hohen Kosten, gibt sich zum Saisonauftakt aber trotzdem zuversichtlich.

Tina von Löhneysen

Selbst die Bratwurst bekommt in diesem Jahr den Dubai-Stempel aufgedrückt: Einen halben Meter ist sie lang und hat selbstverständlich Pistazien in ihrem Innern - angelehnt an die derzeit gehypte Dubai-Schokolade. Schausteller Martin Blume hat das Geschäft von seinem Vater übernommen und ist stolz auf seine Idee. Die Dubai-Bratwurst hat ihren Preis: Acht Euro kostet sie. Blume spricht von einem unerhörten Preisanstieg.

Was er damit meint, sind die Kosten, die er als Standbetreiber schultern muss, die Mieten, um auf dem Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz verkaufen zu können. Der Glühwein kostet bei ihm fünf Euro, das sei derselbe Preis wie im vergangenen Jahr, sagt er. Blumes Mitarbeiter hat schon ein paar Dubai-Würste fertig gegrillt, seine Kollegin steht am dazugehörigen Glühweinstand und wartet auf Kundschaft.

Dubai-Schokolade kann ja jeder: Bei Martin Blume gibt es einen halben Meter mit Pistazien gefüllte Bratwurst.

Massiver Kostendruck, schrumpfende Margen

Kurz nach 11 Uhr am Montagvormittag. Noch ist es ruhig auf dem Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz, gerade erst sind die Schausteller und Schaustellerinnen zum Eröffnungsgottesdienst zusammengekommen. Seit dem Terroranschlag im Jahr 2016 ist er hier zur Tradition geworden. "Ich wünsche uns allen einen guten und friedlichen Weihnachtsmarkt", sagt der Pfarrer am Ende seiner Predigt, und in den Fürbitten geht es auch um einen wirtschaftlichen Erfolg, "dass die Mühe sich auszahlt".

Das Thema treibe hier alle um, sagt Veranstalter Michael Roden vom Berliner Schaustellerverband. Das Kostenvolumen für den Markt am Breitscheidplatz sei mit allem Drum und Dran circa 1,5 Millionen Euro. Das müsse auf etwas mehr als 200 Händler umgelegt werden. "Da geht es dann schon um 30.000 oder 40.000 Euro für einen Glühweinstand. Das sind eben Standmieten, bei denen es für kleine Händler schwer wird, eine annehmbare Rendite zu erreichen. Es gibt auch schon welche, die abgesagt haben, weil sie sich das nicht mehr leisten können. Beziehungsweise die sagen, wenn die Rendite so schwach ist, dann muss ich mich nicht sieben Wochen da hin stellen."

Die Schausteller auf dem Berliner Breitscheidplatz hoffen auf gute Geschäfte, damit sich ihre wochenlange Arbeit auszahlt.

Hohe Standmieten, gestiegene Energie- und Personalkosten

An vielen Ständen sind die Betreiber am Eröffnungsvormittag noch mit den letzten Handgriffen beschäftigt. Ketchup-Spender müssen auf den richtigen Platz, die Tannenzweig-Dekoration wird noch in Position gebracht. Auftakt für ein paar Wochen, von denen niemand weiß, wie viel sie wirklich einbringen werden. Die hohen Standmieten sind das eine, dazu kommen die gestiegenen Energie- und Personalkosten. Überhaupt, das Thema Personal: Wie auch in anderen Branchen sei es nicht leicht, gute Leute zu bekommen. "Aber wenn man gut bezahlt, dann sind die Leute auch noch willig. Wir zahlen weit über dem Mindestlohn, dafür käme keiner mehr. Wir liegen zwischen 15 und 20 Euro die Stunde netto", so Roden.

Der Kostendruck sei überall groß, sagt Frank Hakelberg vom Deutschen Schaustellerbund mit Blick auf die deutschlandweite Situation. "Aber die Schausteller sind bemüht, die Preise ein Stück weit volkstümlich zu halten, um das Publikum zu halten. Die Kosten steigen, aber wir können sie nicht einfach durchreichen, das geht nicht." Der teuerste Glühwein auf dem Breitscheidplatz kostet acht Euro: Bratapfelglühwein mit Calvados-Schuss. Der Standard-Glühwein liegt bei fast allen Anbietern hier bei fünf Euro.

"Das ist nicht gerade billig", sagt Kundin Christina Tamms. "Aber ich komme nur ein, zweimal die Saison, da merke ich das kaum. Aber für eine Familie sieht das schon anders aus. Gute Nacht, Marie." Auch Ulrich Artel, der sich einen Eierpunsch gönnt, während seine Frau beim Arzt ist, findet die Preise hoch. "Aber wenn man es im Kontext sieht zu allem anderen, geht es fast."

Die meisten Schausteller in Berlin nehmen für einen Glühwein ohne "Schuss" fünf Euro.

Preise je nach Standort und Produkt unterschiedlich

Die Preisspanne sei enorm groß, sagt Verbandsvertreter Hakelberg. Vom Winzerwein, der zum Teil auch Bio sei, bis zu preiswerteren Varianten; von Weihnachtsmärkten im Zentrum großer Städte bis zu kleineren Märkten, die vielleicht nur am Wochenende stattfinden.

Blick von Berlin über die Landesgrenze nach Brandenburg: Auch in Potsdam eröffnete der Weihnachtsmarkt wie in vielen deutschen Städten am Montag nach Totensonntag. Elke Probst verlangt an ihrem Stand nur 3,50 für den Becher Glühwein: "Wir versuchen natürlich, die Preise stabil zu halten - das kann ich mir nur leisten, wenn mich meine Stammkunden wieder besuchen, seit 30 Jahren. Hoffen wir mal das Beste."

Nach Schätzungen gibt es 3.500 Weihnachtsmärkte in Deutschland, sagt Hakelberg. Bei der letzten Zählung 2018 kamen 160 Millionen Besucher. In diesem Jahr sollen neue Zahlen erhoben werden. Hakelberg ist sich sicher, dass es sogar noch mehr sein werden: "Die Menschen wollen wieder raus aus dem Haus, runter vom Sofa, sich treffen."

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