1 month ago

Russland und Assad bei "Miosga": "Syrien ist eine klare Niederlage für Putin"



In Syrien jubeln Menschen über den Sturz von Diktator Assad, doch bei „Caren Miosga“ spricht Armin Laschet eine Warnung für das Land aus. Die ARD-Talkrunde erkennt negative Auswirkungen für die Ukraine - und ringt um Möglichkeiten für Friedensgespräche von Trump bis hin zu deutschen Soldaten.

Mehr als 50 Jahre diktatorische Herrschaft der Assad-Familie sind zu Ende, das Regime in Syrien wurde von verschiedenen islamistischen Gruppen gestürzt und Exil-Syrerinnen und -Syrer jubeln weltweit. Bei "Caren Miosga" soll es am Sonntagabend eigentlich um den Angriffskrieg gegen die Ukraine gehen, den Russland seit 1000 Tagen führt (seit der Annexion der Krim im Jahr 2014 sind bereits beinahe viermal so viele Tage vergangen). Aber die ARD-Talkmasterin baut die aktuellen Geschehnisse in Syrien in ihre Sendung ein, schließlich fallen in beiden Kriegsschauplätzen seit Jahren russische Bomben.

Syrien-Experten sind leider nicht geladen, dafür freut sich Armin Laschet, dass "die Diktatur der Assads zu Ende gegangen ist". Der CDU-Bundestagsabgeordnete und ehemalige Kanzlerkandidat warnt sogleich, dass der Regimesturz von Abu Mohammed al-Dscholani angeführt wurde, "einem, der zu Beginn des Bürgerkrieges noch bei der Al-Nusra-Front war, einer Nebengruppe von Al-Kaida". Die Frage sei, ob der Chef der islamistischen Miliz HTS sich wirklich geändert habe. "Wenn man jetzt glaubt, alles wird gut in Syrien: Davor würde ich warnen, da steht vieles auf der Kippe", sagt Laschet.

Was der Sturz von Baschar al-Assad für Russland bedeutete, will Miosga von Moritz Gathmann wissen. "Das ist eine klare Niederlage für Putin", erklärt der Journalist, der als langjähriger Russland-Korrespondent für den "Stern" arbeitet: "Russland hat sich überdehnt." Das Land wolle als Weltmacht überall, auch im Nahen Osten und in Afrika mitwirken, müsse nun aber einsehen, dass es doch nur eine begrenzte militärische und wirtschaftliche Macht besäße. Russische Telegram-Kanäle seien "konsterniert", so Gathmann, weil Russland in Syrien nun wohl strategisch wichtige Militärbasen verliert.

Major: Russland hat jetzt mehr Kapazitäten für Ukraine

Hoffnungen, dass Russland ähnlich wie in Syrien sich auch aus der Ukraine zurückziehen könnte, dürfe man sich nicht machen, meint Claudia Major. Das Nachbarland habe für Putin eine ganz andere Bedeutung für Putin, "eine existenzielle Bedeutung", sagt die Politikwissenschaftlerin und Leiterin der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Doch auch sie glaubt, dass Moskau sich zu viel zugemutet hat. "Wenn man sieht, wie schnell Russland verjagt wurde: Das ist eine Beschneidung der russischen Macht, eine Beschneidung des russischen Militäranspruchs." Andere Länder, etwa in Afrika, würden sich jetzt fragen: "Wie belastbar ist eine russische Unterstützung, wenn die sich in Syrien so schnell zurückziehen?"

L aschet sieht "wenig Möglichkeiten" für Europa, um Syrien momentan zu helfen. Mann müsse aber signalisieren, dass es für den Wiederaufbau die volle Unterstützung der EU gäbe, wenn ein Staat entstehe, "der zur Kooperation bereit ist und bestimmte Standards einhält". Wenn das schiefgehe, wären neue Flüchtlingsbewegungen für Europa die Folge. Außerdem müsse man auf den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan "einwirken", der "die Kurden schwächen" wolle, die man "in ihrem Freiheitskampf nicht schon wieder alleine lassen" dürfen.

Major erkennt in der Niederlage Russlands in Syrien eher negative Auswirkungen auf den Ukraine-Krieg. "Wir müssen davon ausgehen, dass Russland Teile der Kräfte aus Syrien zurückführen und in der Ukraine einsetzen wird", sagt die Sicherheitsexpertin, die "jetzt ein noch stärkeres Engagement in der Ukraine" und gerade aufgrund der Niederlage ein bestärktes Russland mit Bezug auf die Ziele in der Ukraine erwartet.

Fortan werden in der Talkrunde mögliche Verhandlungen zwischen Kiew und Moskau und die Sicherung eines Waffenstillstands diskutiert. "Eines ist klar: Donald Trump wird diesen Krieg beenden", erklärt Laschet. Major ist sich da nicht so sicher. "Wir sehen, dass Russland gerade unter sehr hohen Verlusten systematische Landgewinne macht", sagt die Politikwissenschaftlerin. Putin zeige momentan keinerlei Interesse an Verhandlungen, weil er sich auf der Gewinnerstraße befinde. Zumindest versuche er, bis zum 20. Januar, wenn Trump zum neuen US-Präsidenten ernannt wird, so viele Gebiete wie möglich zu erobern, denn dann "könnte die Frontlinie zur Waffenstillstandslinie werden".

Die Idee, durch militärische Stärke Russland an den Verhandlungstisch zu zwingen, wurde laut Major "nie wirklich ausbuchstabiert", weil die Waffenlieferungen immer zu spät kamen, und nicht das beinhaltet haben, was die Ukraine wirklich gefordert hatte. Auch Laschet fragt sich, was ist, "wenn Russland einfach weiter macht?". Dann müssten Europa und die USA "militärisch so stark eskalieren, dass Russland doch bereit ist", gibt der CDU-Mann sogleich die Antwort. "Ich bin gespannt, woher diese Unterstützung kommen soll", kontert Major, gerade mit Blick auf Trump, der die Ukraine-Lieferung kürzen will.

Wer würde den Waffenstillstand sichern?

Schnell wird in Miosgas Talkrunde deutlich, dass noch gar nicht klar ist, worüber genau überhaupt verhandelt werden soll. Putins Maximalforderungen, also ein Regime Change in Kiew und die Entmilitarisierung der Ukraine, "sind nicht akzeptabel", sagt Laschet. Die Diskutanten einigen sich auf einen zentralen Punkt bei den Verhandlungen, auf den aber niemand eine Antwort hat: Wer ist bereit und fähig, einen Waffenstillstand abzusichern?

"Für Ukrainer ist es nur interessant, in Gespräche zu gehen, wenn sie wissen, dass sie irgendjemand schützt", sagt Major. Es gäbe keine vergleichbaren Garantien zur NATO-Mitgliedschaft, und die werde die Ukraine wohl nicht erhalten. "Wenn wir ehrlich sind", sagt die Sicherheitsexpertin, "diese ultimative Lebensversicherung, die sich Selenskyj wünscht, wird es nicht geben." Für eine Grenze von 3000 Kilometer, Belarus eingeschlossen, habe "Europa gar nicht die Streitkräfte, um solch eine Grenze zu sichern".

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"Europa kann es nicht alleine", glaubt auch Laschet: "Wir müssen stärker werden und mehr tun, aber ich halte ohne die Vereinigten Staaten eine dauerhafte Sicherheitsgarantie für die Ukraine ausgeschlossen." Deutsche Soldaten als Teil einer Friedensmission schließt der CDU-Politiker nicht aus, darüber dürfe aber nicht vorschnell und leichtfertig entschlossen werden. Major teilt daraufhin ihre Sorge mit, dass Deutschland noch nicht verstanden habe, dass sich das Land auch bei einem Waffenstillstand in den kommenden Jahren nicht zurücklehnen könne und die eigene Aufrüstung und militärische Unterstützung für Ukraine weiter ausgebaut werden müssten. Zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung "ist ein Ziel von gestern", sagt sie. Laschet erkennt daraufhin an, dass man "umschichten" müsse im regulären Haushalt und auch mit weiteren Sondervermögen die Verteidigung unterstützen könne.

Während in Syrien zumindest momentan viele Bürgerinnen und Bürger jubeln, erleben die Ukrainer einen weiteren bitter umkämpften Winter. "Im letzten gab es den absoluten Tiefpunkt, seitdem hat sich die Stimmung in der Ukraine auf niedrigem Niveau eingependelt", sagt Gathmann, der oft im Land journalistisch unterwegs ist. "Der Glaube an einen Sieg ist nur noch bei wenigen Leuten zu finden, besonders wenig bei Soldaten an der Front." Die Ukraine sei kriegsmüde, weil die "bewusste Zermürbungsstrategie Russlands" die Zivilbevölkerung attackiere, ergänzt Major. Das heiße aber nicht, dass die Ukrainer in Verhandlungen einfach die Bedingungen Putins akzeptieren wollen.

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