1 month ago

Regierungskrise: SPD-Kommunalpolitiker rechnen mit Ampel-Modus ab



"Verantwortungslos", "ständiges Theater": Unter SPD-Kommunalpolitikern macht sich Entsetzen über das Erscheinungsbild der Ampel breit. Die Kritik betrifft auch den Kanzler.

Kommt die Koalition nochmal zusammen – oder macht sie Schluss? Wieder einmal steht das mögliche Ampel-Aus im Raum, dreht sich der Berliner Politikbetrieb um einen Bruch von SPD, Grünen und FDP. Und nicht um Lösungen für drängende Lösungen, wie mehrere Kommunalpolitiker der Kanzlerpartei beklagen. 

"Die Ampel-Regierung blockiert sich seit sehr langer Zeit gegenseitig bei vielen wichtigen Themen, weil niemand mehr mit den anderen an einem Strang zieht", sagte Steffen Krach, Regionspräsident von Hannover, dem stern. "Habeck macht ein Papier, Lindner macht ein Papier, der Kanzler lädt zum Gipfel – aber ohne seine beiden Koalitionspartner einzuladen. Dafür fehlt vielen Menschen das Verständnis, mir auch."  

Münchner SPD-Oberbürgermeister: "Ein trauriger Höhepunkt"

Seit Christian Lindner, der FDP-Finanzminister, die Regierung mit einem Wirtschaftspapier überrumpelte, steckt die ohnehin abgekämpfte Bundesregierung vor ihrer bislang größten Belastungsprobe. Kanzler Olaf Scholz, der zu einem Industriegipfel ohne seine Koalitionspartner geladen hatte und FDP und Grüne damit düpierte, führt in diesen Tagen mehrere Sechs-Augen-Gespräche mit Lindner und dem grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck. Auch Habeck hatte ein Wirtschaftspapier ohne Abstimmung mit den Ampel-Partnern in die öffentliche Debatte eingespeist und damit für Irritationen gesorgt. 

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Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter hadert mit dem aktuellen Ampel-Modus. "Die beiden Wirtschaftsgipfel der letzten Woche waren leider ein trauriger Höhepunkt der fehlenden Zusammenarbeit in Berlin", sagte der SPD-Mann dem stern. Die Wirtschaft brauche "eindeutiges Handeln und eine Bundesregierung, die sich ernsthaft und vereint Gedanken mache", was es zur Sicherung von Wirtschaft, Wohlstand und Arbeitsplätzen brauche. "Und natürlich hat der Kanzler hier eine herausragende Position". 

Dieter Reiter, Münchner Oberbürgermeister von der SPDDieter Reiter, Münchner Oberbürgermeister von der SPD: "Die beiden Wirtschaftsgipfel der letzten Woche waren leider ein trauriger Höhepunkt"
© Peter Kneffel

Als Oberbürgermeister der größten Kommune Deutschlands hätte sich Reiter gerade von seiner Partei eine "Führungsrolle" etwa beim Mieterschutz oder Vorkaufsrecht bei Kommunen erwartet. Leider sei hier "viel zu wenig" passiert, so Reiter. Zwar äußerte der Münchner Oberbürgermeister Verständnis für die "schwierige" Dreierkonstellation, die mit diversen Krisen und Kriegen konfrontiert sei und deren politischen Inhalte weit auseinandergingen. "Wenn aber Meinungsverschiedenheiten und Diskurse so offen und scharf ausgetragen werden, wie das über weite Strecken innerhalb der Bundesregierung der Fall ist, dann sehen die Menschen vor allem eine Regierung im Streit", beklagte der Kommunalpolitiker. "Und eine Bundesregierung, die die wichtigen Dinge nicht voranbringt." Das verunsichere die Bürger, die Wirtschaft – und stärke die politischen Ränder.

Krisengespräche in Ampel-Koalition

"Die Menschen sind genervt von diesem ständigen Theater und das zeigt sich in einem wachsenden Misstrauen gegenüber den handelnden Kräften", kritisierte Hannovers Regionspräsident Krach. "Egal ob Regierungskoalition oder CDU: Was aktuell politisch in Berlin passiert, ist verantwortungslos." Nur mit Positionspapieren und öffentlichem Schlagabtausch werde den Menschen nicht geholfen. 

Krach sorgt sich dabei auch um das Standing seiner Partei. "Das Problem liegt im Handeln der Bundesregierung", sagte der Sozialdemokrat. Das mache es der SPD schwer, die Menschen von ihren Positionen zu überzeugen. Krach sieht "eine große Unsicherheit", die Menschen würden Lösungen erwarten. "Es ist die gemeinsame Verantwortung von allen demokratischen Parteien, daran wieder konstruktiv zu arbeiten", sagte der Kommunalpolitiker. 

Steffen Krach (SPD), Präsident der Region HannoverSteffen Krach (SPD), Präsident der Region Hannover: "Nur mit Positionspapieren und öffentlichem Schlagabtausch wird den Menschen nicht geholfen"
© Britta Pedersen

Am Montagmittag empfing Scholz Vizekanzler Habeck sowie Finanzminister Lindner im Kanzleramt. Regierungssprecher Steffen Hebestreit zufolge wollen sich die drei Spitzenpolitiker noch mehrfach vertraulich abstimmen. Die Gespräche sind Teil umfangreicher Abstimmungen in der Ampel über die Frage, ob sich die Regierung noch auf gemeinsame Maßnahmen beim Kampf gegen die Wirtschaftsschwäche Deutschlands einigen kann. Am Mittwoch treffen sich dann die Spitzen der Ampel-Parteien, -Fraktionen und -Regierung in einem Koalitionsausschuss. 

Die Regierung sei gewählt und es gebe Aufgaben, die gelöst werden müssten, betonte Bundeskanzler Olaf Scholz. "Dazu muss man seriös arbeiten", schrieb der Sozialdemokrat auf X. "Das erwarte ich von allen." Vizekanzler Habeck wähnt die Regierung in "schwierigem Fahrwasser" und mahnt, dass angesichts multipler Krisen nun die "schlechteste Zeit" sei, dass die Regierung scheitere. Er könne alle Bürger verstehen, so Habeck, die "mit Kopfschütteln auf das Regierungstreiben schauen".

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