Thüringens Noch-Ministerpräsident Ramelow will einer von der CDU geführten Koalition nicht zu einer Mehrheit verhelfen. In der ARD-Talkshow "Maischberger" zieht der Linken-Politiker ein entsprechendes Angebot zurück. Die Mehrheit einer Koalition könne es nur mit allen Abgeordneten seiner Fraktion geben, sagt Ramelow.
Thüringen dürfe nicht erneut von einer Minderheitsregierung geführt werden. Er könne sich vorstellen, eine Koalition aus CDU, BSW und SPD zu unterstützen, wenn ihr zum Regieren eine Stimme fehle. Das hatte Thüringens Noch-Ministerpräsident Bodo Ramelow von den Linken nach den Landtagswahlen in seinem Bundesland angekündigt. Am Abend zieht Ramelow in der ARD-Talkshow "Maischberger" das Angebot zurück.
Die CDU in Thüringen hat bisher Gespräche mit BSW und SPD geführt, um eine mögliche Regierungsbildung zu prüfen. Gemeinsam kommen die drei Parteien auf 44 Landtagsabgeordnete. Das wären genau so viele Abgeordnete wie die Oppositionsparteien. "Es reicht", sagt Ramelow bei Maischberger. "44 Stimmen reichen, Das ist keine Minderheitsregierung. Das ist die Hälfte", sagt Ramelow. Das stimmt zwar, aber die Mehrheit haben CDU, BSW und SPD zusammen auch nicht.
Laut der Verfassung seines Bundeslandes könne die CDU-geführte Koalition im dritten Wahlgang einen Ministerpräsidenten wählen, so Ramelow. "Ich bin da sehr nüchtern und habe deswegen Gespräche mit Herrn Voigt geführt, wie ich mir die Amtsübergabe vorstelle, wie ich die Häuser vorbereiten lasse, wie wir den Landeshaushalt vorbereiten lassen für das Jahr 2025." Würde der mögliche neue Ministerpräsident Mario Voigt von der CDU mit den Linken verhandeln, hätte er eine komfortable Mehrheit von 50 Abgeordneten, stellt Ramelow fest. Verhandlungen mit der Linken lehne die CDU jedoch bundesweit ab. "Kurios" nennt das Ramelow.
"Sehe mich als Ministerpräsidenten"
Die Partei habe einen Unvereinbarkeitsbeschluss mit den Linken gefordert, als Sahra Wagenknecht zu seiner Partei gehört habe und Mitglied der Kommunistischen Plattform gewesen sei. Jetzt sei Wagenknecht nicht mehr in der Linken, die die letzten fünf Jahre in Thüringen die Verantwortung getragen habe. Tatsächlich hatte die Linke jahrelang gemeinsam mit SPD und Grünen regiert. In Einzelfragen wurde sie dabei von der CDU unterstützt. Die CDU und die CSU hatten Ramelow zudem zum Bundesratspräsidenten gewählt. "Und jetzt kommt die gleiche Union und sagt: Mit dieser Partei von Herrn Ramelow dürfen wir nicht mal richtig verhandeln", ärgert sich der Politiker.
Ramelow sieht seine Rolle jetzt als die des Ministerpräsidenten. Damit habe er täglich viel zu tun. "Das Amt muss geführt werden. Das Land erwartet auch, dass die Führung eingehalten wird", so Ramelow weiter. Seine Hauptaufgabe sieht er darin, den Landeshaushalt vorzubereiten. "Und danach muss Herr Voigt seine Koalition stehen haben." Wenn Voigt Ministerpräsident sei, werde Ramelow ihm die Geschäfte ordnungsgemäß übergeben.
"Schlage mich nicht einfach in die Büsche"
Ob er Voigt eine Mehrheit anbiete, wenn der sie brauchen würde, fragt Moderatorin Maischberger Ramelow. Der macht klar: "Die Fraktion der Linken hat 12 Stimmen. Die 12 zusammen sind zu haben. Es gibt keine Privatisierung einer einzelnen Stimme." Er werde auch nicht aus seiner Partei aussteigen, um einer Koalition seine Stimme zu geben. "Ich gehöre nicht zu denen, die sich einfach in die Büsche schlagen." Er nehme auch keine Mandate mit, die eine Partei vorher erkämpft habe, um dann eine neue Partei entstehen zu lassen.
Hintergrund: Experten hatten nach den Landtagswahlen in Thüringen vermutet, Ramelow könne aus dem Landesverband der Linken eine neue Partei bilden, für die der Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU nicht gelte. Das könnte Koalitionsverhandlungen mit der CDU ermöglichen.
Mit seiner Entscheidung nimmt Ramelow in Kauf, dass eine Koalition aus CDU, BSW und SPD zwar einen Ministerpräsidenten wählen, aber keine Gesetze beschließen kann. Dazu reicht ein Stimmengleichstand mit der Opposition nicht aus. Sie braucht dazu eine Mehrheit von mindestens einer Stimme. Zudem weiß Ramelow, dass ein möglicher Thüringer Ministerpräsident von der CDU sich nicht hundertprozentig auf seinen Landesverband verlassen kann. Dort liebäugeln einige Vertreter angeblich mit einer Beteiligung an einer von der AfD geführten Regierung. Das aber will Ramelow auch nicht: "Was mit mir zu haben ist: Verlässlichkeit. Obstruktionspolitik mit der AfD wird es mit uns nicht geben", sagt er.
Streit mit Maischberger
Schaut man sich frühere Talkshows mit Bodo Ramelow an, bekommt man ein Bild: Ramelow sagt, was er denkt, er ist kämpferisch, bleibt dabei aber immer freundlich. An diesem Mittwoch ist das anders. Ramelow wirkt verärgert, steigert sich manchmal in eine Art Wut hinein. Er schimpft auf die Medien, die an dem Erstarken des BSW eine Mitschuld trügen, weil dessen Gründerin Wagenknecht in jeder Talkshow zu Gast sei. Er ist sauer auf die CDU, die sich um Termine für eine Audienz bei Sahra Wagenknecht dränge. Und - völlig untypisch für ihn: Er streitet sich mit der Moderatorin, die am Ende einlenkt. Eigentlich will Maischberger nur wissen, warum die AfD seiner Ansicht nach in Thüringen nicht regieren soll.
Sie fängt etwas umständlich an: 2014 hätten einige Zeitungen geschrieben, Ramelows Wahl zum Thüringer Ministerpräsidenten sei eine Gefahr für die Demokratie. Trotzdem habe die CDU gemeinsam mit ihm regiert. Dann fragt sie: "Warum sollte das bei der AfD jetzt anders sein?" Ramelow, ziemlich sauer: "Ich verbitte mir die Gleichstellung, Frau Maischberger. Ich gehöre nicht zu einer Organisation, die als Beleg rechtsextrem….." Maischberger unterbricht: "Ist okay. Aber Sie kennen das Argument. Es ist die Frage, die ich gerne….." Nun unterbricht Ramelow: "Verzeihen Sie: Wenn Sie eine Partei, die bekanntermaßen in Thüringen eine rechtsextreme Partei ist….." Maischberger: "Es ist keine Gleichstellung."
Ramelow wird laut: "Ich akzeptiere das nicht, wenn Sie das in einem Atemzug nennen, denn damit dämonisieren Sie die Linke und verharmlosen die AfD." Maischberger merkt, dass ihr die Diskussion aus der Hand zu gleiten droht: "Wenn man das Eine und das Andere in den Schlagzeilen vergleicht, heißt das nicht, dass ich Sie verglichen habe mit der AfD." Ramelow: "Ich habe nicht von mir geredet, ich rede von meiner Partei." Maischberger versucht, die Frage anders zu formulieren: "Was soll die CDU oder andere Parteien daran hindern, mit der AfD….."
Ramelow wird Opa
Ramelow ist noch wütend: "Warum fragen Sie das nicht die CDU?" Maischberger: "Ich frage Sie das." Ramelow: "Aber ich bin nicht die CDU, ich bin auch nicht der Pressevertreter von Herrn Voigt. Verzeihen Sie, aber ich finde das jetzt kurios, dass ich für die CDU antworten soll." Maischberger: "Ja, aber ich habe gedacht, Sie haben eine Haltung zur AfD." Ramelow: "Ja, aber Sie fragen mich nach der CDU. Ich erteile da keinen Beitrag." Maischberger gibt auf. Endlich.
Ramelow kommt dann doch noch auf die AfD zu sprechen. "Höcke ist einer, der SA-Parolen brüllt", sagt er. Und die von der AfD vorgeschlagene Landtagspräsidentin sei verurteilt worden, weil sie Arbeitsverträge von Wahlkreismitarbeitern gefälscht habe. Außerdem habe sie Steuergelder abgezweigt. "Wer mit den Regeln eines Parlaments so umgeht, der darf nicht in die Nähe von Verantwortung kommen", so Ramelow.
Als Maischberger ihn fragt, was er denn in der nächsten Zeit zu tun gedenke, ist Ramelow wieder ganz er selbst. Sein Abgeordnetenmandat werde er wahrnehmen, sagt er. Und vielleicht, wenn man ihn mal wieder braucht, einen Streik schlichten. Und dann ist da ja noch sein Enkelkind. Das wird im Januar geboren. Spätestens dann wird der frisch gebackene Opa vermutlich wieder so friedlich sein, wie wir ihn kennen - und wie es sich für einen Großvater eben gehört.