Im Gazastreifen bergen israelische Soldaten sechs tote Hamas-Geiseln. Nun entschuldigt sich Ministerpräsident Netanjahu bei den Angehörigen und drückt "tiefes Bedauern" aus. Unterdessen werfen Kritiker dem Premier vor, er habe das Leben der Geiseln durch einen verweigerten Truppenabzug aufs Spiel gesetzt.
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat sich bei der Familie der getöteten Geisel Alexander Lobanov dafür entschuldigt, dass dieser nicht lebend gerettet wurde. Der Regierungschef wolle im Verlauf des Tages mit weiteren Familien sprechen, teilte sein Büro mit. "Der Ministerpräsident hat tiefes Bedauern ausgedrückt und sich bei seiner Familie dafür entschuldigt, dass es dem Staat Israel nicht gelungen ist, Alexander und die fünf weiteren Geiseln lebend zurückzubringen", hieß es weiter in der Stellungnahme.
Netanjahus Militärberater sei am Morgen von einem Besuch in Moskau zurückgekommen, dessen Ziel es gewesen sei, die Bemühungen um eine Waffenruhe im Gaza-Krieg voranzubringen. Dabei seien auch Alexander Lobanov und andere Geiseln Thema gewesen. Der zweifache Vater Lobanov hatte neben der israelischen auch die russische Staatsbürgerschaft.
Das Sicherheitskabinett hatte in der Nacht zum Freitag entschieden, israelische Truppen am sogenannten Philadelphi-Korridor im Süden des Gazastreifens zu belassen. Kritiker Netanjahus warfen ihm vor, er habe sich damit de facto dafür entschieden, die Geiseln zu opfern.
Die Forderung Israels nach einer dauerhaften Kontrolle des etwa 14 Kilometer langen Streifens ist einer der Hauptstreitpunkte bei den indirekten Verhandlungen über eine Waffenruhe mit der Hamas. Die Hamas fordert einen vollständigen Abzug Israels aus dem Küstenstreifen.
Eltern von Hersh Goldberg-Polin auf Demokraten-Parteitag
Am frühen Morgen hatten die israelischen Streitkräfte in einem Tunnel unter der Stadt Rafah sechs Leichen von Geiseln geborgen. Diese waren nach Militärangaben nur kurz zuvor von Hamas-Terroristen ermordet worden. Unter den Toten ist auch der US-israelische Doppelstaatler Hersh Goldberg-Polin. Die Eltern des 23-Jährigen hatten kürzlich auch auf dem demokratischen Parteitag gesprochen. "Unter den Geiseln sind acht amerikanische Staatsbürger und einer von ihnen ist unser einziger Sohn", sagte Rachel Goldberg in ihrer Rede, die mehrere Delegierte zu Tränen rührte.
Noch am Donnerstag versammelte sich das Paar mit anderen Geisel-Angehörigen an der Grenze zum Gazastreifen. Die Angehörigen versuchten, die Geiseln im Gazastreifen mit lauten Lautsprecher-Durchsagen direkt zu erreichen. "Hersh, hier ist Mama", wandte sich Goldberg-Polins Mutter an ihren Sohn. "Ich bete zu Gott, dass er dich zurückbringt. Jetzt sofort. Ich liebe dich, bleib stark."