Die amerikanische Hilfe für die Ukraine läuft in naher Zukunft aus. Ob Kiew neuen Waffennachschub bekommt, hängt von den Nato-Partnern ab, erklärt Militärexperte Christian Mölling.
Die ungeklärte Frage, wie die Militärhilfe für die Ukraine finanziert werden soll, wenn das im Mai verabschiedete, 60 Milliarden Dollar schwere Hilfspaket der USA ausläuft, bereitet der Regierung in Kiew nach Einschätzung des Militärexperten Christian Mölling zunehmend Sorge. Das sei der Hauptgrund für den angekündigten Besuch des ukrainischen Präsidenten beim Treffen der westlichen Alliierten der Ukraine heute auf dem US-Militärflughafen Ramstein in Rheinland-Pfalz.
Mölling sagte am Freitag im stern-Podcast: "Klar ist, dass es absehbar keine neuen Hilfspakete aus den USA geben wird. Spätestens Ende des Jahres werden die Europäer gefordert sein, wieder große Hilfspakete bereit zu stellen." Der Direktor des Programms "Zukunft Europas" bei der Bertelsmann Stiftung hält die Pläne der Bundesregierung zu zukünftigen Waffenlieferungen für nicht tragfähig. Diese sehen vor, künftige Ukraine-Hilfen statt aus dem Bundeshaushalt mithilfe der G7 zu finanzieren.
"Ich kann verstehen, dass man in Kiew nervös wird," so Mölling. Vor diesem Hintergrund sei auch das in Ramstein geplante Vier-Augen-Treffen Selenskyjs mit Bundeskanzler Olaf Scholz zu sehen. Gerade in Deutschland müsse man sich darüber klar sein: Die bisherigen Investitionen zugunsten der Ukraine wären umsonst gewesen, wenn es jetzt nicht gelänge, die Hilfe an Kiew konsequent weiterzuführen, so Mölling.
Christian Mölling über Putins psychologische Kriegsführung
Seit wenigen Tagen kursieren Satelliten-Aufnahmen in westlichen Medien von einer nördlich von Moskau neu errichteten Anlage, die offenbar zum Abschuss nuklear betriebener Marschflugkörper genutzt werden kann. Diese Anlage sei kein Grund zu erhöhter Sorge für die Nato, glaubt der Experte.
"Wie kann es sein," fragt Mölling, "dass eine Anlage, die so geheim ist, jetzt auf einmal öffentlich wird? Das ist Angstmacherei." Diese aktuellen Meldungen zeigten, wie Russlands Präsident Wladimir Putin mit unseren Ängsten spiele. Ob der russische Marschflugkörper vom Typ "Burewestnik", zu Deutsch: "Sturmvogel", tatsächlich in der Lage sein werde, die Nato-Flugabwehr besser zu überwinden als bisherige russische System, sei fraglich.
Selenskyj sichert Macht in Ukraine ab
Die radikale Umbildung seines Kabinetts, die Selenskyj diese Woche bekannt gegeben hat, erklärt sich nach Möllings Einschätzung aus dem Kontext der aktuellen Kriegsphase. "Wenn Sie ein Präsident im Krieg sind, dann müssen Sie sich immer wieder darum kümmern, wo Ihre Machtbasis herkommt."
Selenskyj Regierung entlassen 15:00
Es gehe Selenskyj zum Teil darum, unter den schwierigen Bedingungen des Kriegsrechts die demokratische Legitimierung der Regierung aufrecht zu erhalten. Andererseits wolle der ukrainische Präsident wohl auch potenzielle Konkurrenten in die Schranken weisen. "Er bleibt das wesentliche Gravitationszentrum der Macht." Die innerukrainische Debatte um den richtigen Kurs im Krieg werde aber auch nach der Kabinettsumbildung weitergehen.