Das Gezerre um die Ukraine-Hilfe im Bundeshaushalt hat Folgen: Deutschlands Partner zweifeln daran, so Sicherheitsexperte Christian Mölling, was die Treueschwüre der Regierung in Berlin wert sind.
Der Haushaltsstreit in der Bundesregierung hat nach Einschätzung des Sicherheitsexperten Christian Mölling das Vertrauen in die Verlässlichkeit der deutschen Ukraine-Hilfe massiv geschwächt. Mölling sagt im stern-Podcast "Die Lage – international": "Was die Bundesregierung aufhorchen lassen muss, ist: Viele, fast alle, trauen es ihr zu, dass sie den Stecker zieht." Der Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik kritisiert, dass Deutschland nicht zugesagt habe, dass es keinen "Strömungsabriss" der Unterstützung geben werde: "Die gesamte Aufregung wäre anders verlaufen, wenn man gesagt hätte, wir zahlen auf alle Fälle, auch wenn die Konstruktion mit den Zinserträgen nicht funktionieren sollte."
"Flurschaden extrem groß"
Diese geplante Finanzierung von Hilfen über die Zinsen auf russisches Vermögen, das im Westen eingefroren ist, sei im Prinzip gut, aber eben eine technokratische Lösung, von der niemand wisse, ob und wann sie funktionieren werde. "Das Problem ist: Das Geld hat noch keiner, und die Konstruktion, wie man es an die Ukraine gibt, ist auch noch nicht so ganz klar", sagt Mölling. "Deutschland ist diese Idee so auf die Füße gefallen, dass auch international der Flurschaden extrem groß ist."
Es sei eine große Unsicherheit nicht nur für die Ukraine entstanden, sondern auch für die Rüstungsindustrie, die zur Ausweitung ihrer Kapazitäten Verlässlichkeit brauche. Mölling bezieht sich darauf, dass in künftigen Haushalten lediglich das Geld für bereits zugesagte Hilfen enthalten ist, nicht aber für neue Lieferungen. Diese sollen insbesondere über einen Kredit der großen westlichen Industriestaaten an die Ukraine ermöglicht werden, der wiederum mit den Zinsen auf das russische Vermögen verzinst und getilgt wird.
Die Lage international #32 Christian Mölling 15.15
"Stehen wir zur Ukraine oder nicht?"
Hinzu komme, so Mölling, dass das von Deutschland und seinen Partnern angestrebte Volumen der Hilfe über die Zinserträge von 50 Milliarden Dollar letztlich nicht besonders groß sei. "50 Milliarden klingt erstmal super", räumt Mölling ein. Wenn man die Zeiträume und die beteiligten Akteure betrachte, sei es aber nicht besonders viel.
Letztlich gehe es um weit mehr als um einige Milliarden im kommenden Haushalt. "Der politische Kern ist die Frage: Stehen wir zur Ukraine oder nicht?", sagt Mölling im stern-Podcast. In dieser Debatte sei wichtig, dass es bei der Hilfe nicht nur um die Ukraine gehe, sondern auch um die Sicherheit Deutschlands. Dies werde oft vernachlässigt, und auch in den Regierungsparteien hätten nicht alle erkannt, dass Russland eine imperialistische Macht sei. Er warnt davor, so zu tun, als ließe sich die Bedrohung durch Russland ohne Folgen für den Wohlstand abwehren. "Das ist die willkommene Lüge", sagt er. "Aber man kann diese Lüge einfach erzählen, deswegen erzählen sie auch alle."