1 week ago

Petition EU-Linux



Petition Nr. 0729/2024, eingereicht von N. W., österreichischer Staatsangehörigkeit, zur Einführung eines EU-Linux-Betriebssystems in den öffentlichen Verwaltungen aller EU-Mitgliedstaaten.

Zusammenfassung der Petition:

Der Petent fordert die Europäische Union auf, ein auf Linux basierendes Betriebssystem namens „EU-Linux“ aktiv zu entwickeln und es in den öffentlichen Verwaltungen aller EU-Mitgliedstaaten einzuführen. Ziel dieser Initiative sei es, die Abhängigkeit von Microsoft-Produkten zu verringern, die Einhaltung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sicherzustellen und die Transparenz, die Nachhaltigkeit und die digitale Souveränität in der EU zu fördern. Der Petent erachtet es als wichtig, quelloffene Alternativen zu Microsoft 365 wie LibreOffice und Nextcloud zu nutzen, und schlägt die Einführung des mobilen E/OS-Betriebssystems für staatliche Geräte vor. Außerdem hebt er das durch diese Initiative entstehende Potenzial für die Schaffung von Arbeitsplätzen im IT-Sektor hervor.

Die Ausgaben für proprietäre Software-Lizenzen sind in der deutschen Bundesverwaltung in den letzten Jahren steil angestiegen. Obwohl der ehemalige Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) dieses Jahr die Bekanntgabe der Zahlen verhindern wollte, kamen sie doch heraus. Die Ausgaben für Lizenzen für Computerprogramme und IT-Services sind im Jahr 2002 von 771 Millionen Euro auf über 1,2 Milliarden im Jahr 2023 gestiegen. Das entspricht einer Zunahme von 57 Prozent. Rechnet man das auf das Jahr 2024 hoch, ergeben sich Kosten von knapp 1,9 Mrd. Euro. Gleiche Verhältnisse vorausgesetzt, ergibt das für ganz Europa einen Betrag von ca. 10 Mrd. Euro. Von diesem Betrag erhält die Firma Microsoft ungefähr 200 Mio. Euro (Deutschland), was hochgerechnet gut 1 Mrd. Euro für Europa ergibt.

Von den Gesamtausgaben entfallen laut Netzpolitik.org 99,5 % auf proprietäre Software und 0,5 % auf Freie Software. Diese Zahlen müssen mit Vorsicht betrachtet werden, weil sie von FDP-Ministern (im letzten Beispiel von Volker Wissing) als Verschlusssache deklariert wurden. Wie dem auch sei, zeugen die Zahlen nicht von der im letzten deutschen Koalitionsvertrag geäusserten Absicht, gemäss der man sich zugunsten der digitalen Souveränität von proprietärer Software unabhängig machen und stattdessen vermehrt auf Open-Source-Lösungen setzen wollte.

Nun ja, die aktuelle deutsche Bundesregierung ist Geschichte und wird sehr wahrscheinlich bei den Neuwahlen im nächsten Jahr durch eine CDU-dominierte Regierung abgelöst werden. Ich habe meine Zweifel, ob die 0.5 % für Freie Software noch weiter gedrückt werden können, befürchte es jedoch. Tatsächlich ist die Abhängigkeit von den grossen Tech-Firmen so weit gediehen, dass ich mir keinen mittelfristigen Ausweg daraus vorstellen kann.

Was passiert eigentlich, wenn Deutschland oder Europa beim Trio Trump/Vance/Musk in Ungnade fällt? Sie könnten Exportbeschränkungen für Software gegenüber Europa erlassen. Nicht unbedingt um die heimische Softwarewirtschaft zu fördern (was nicht der Fall wäre), sondern um andere politische Interessen durchzusetzen.

Habt ihr Behörden und Unternehmen in Europa, die Microsoft 365 einsetzen? Wäre doch schade, wenn die von heute auf morgen mit EU-Linux arbeiten müssten. Möchtet ihr nicht lieber die Import-Zölle für US-Waren aufheben?

Abgesehen vom krassen Missverhältnis bei den Software-Ausgaben, welche das Bekenntnis zu Freier Software und digitaler Souveränität zum Lippenbekenntnis machen, ... oh, wait ... ist das vielleicht das Eingeständnis, dass man gar nicht mehr anders kann, weil die Abhängigkeit bereits zu gross geworden ist?

Was ist nun von der Petition zu halten? Ich denke, gar nichts. Was soll denn ein EU-Linux sein? Das
Abilian Innovation Lab sieht folgende Vorteile:

Ein souveränes EU-Linux würde mehrere Vorteile bieten:

  1. Bereitschaft und Flexibilität: Durch die Nutzung der ausgereiften, anpassungsfähigen Linux-Architektur könnte eine EU-spezifische Distribution auf die besonderen rechtlichen Anforderungen zugeschnitten werden.
  2. Wirtschaftliche Effizienz: Die Umstellung von kostspieligen proprietären Lizenzen auf Open-Source könnte die Ausgaben senken und die Mittel in Innovation und lokales IT-Wachstum umlenken.
  3. Erhöhte Sicherheit: Als quelloffenes System bietet Linux Transparenz und Nachvollziehbarkeit, sodass EU-Experten für Cybersicherheit proaktiv Schwachstellen erkennen und beheben können.
  4. Interoperabilität: Die Kompatibilität von Linux mit offenen Standards würde eine effiziente grenzüberschreitende Zusammenarbeit und den Austausch von Daten innerhalb der EU ermöglichen.
  5. Digitale Souveränität und Datenschutz: Durch die Kontrolle des Betriebssystemcodes könnte die EU die Daten ihrer Bürger besser schützen und die Abhängigkeit von ausländischen Systemen verringern.

Die genannten Gründe sind keine Besonderheit einer EU-Linux-Distribution, sondern treffen generell auf Linux-Distros zu. Man könnte argumentieren, dass der Linux-Kernel, bzw. bestimmte Linux-Distribution nicht frei von staatlicher Einflussnahme sind. Erst kürzlich hatten wir den Fall des Ausschlusses von Maintainern, die für bestimmte russische Firmen arbeiten. Wenn das die Angst ist, könnte man sich auf existierende europäische Distributionen beschränken oder auf solche, die gegen staatliche Einflussnahme immun sind. Falls es die gibt: Hallo Debian, Fedora, Arch, Ubuntu.

In der Petition wird auch die Einführung des mobilen /e/OS-Betriebssystems für staatliche Geräte vorgeschlagen. Hut ab, dass sich überhaupt jemand traut, ein alternatives Betriebssystem für Smartphones vorzuschlagen. Ob /e/OS die richtige Wahl ist, wage ich stark zu bezweifeln. Insbesondere, weil das Murena-Angebot seit einem Monat mit massiven Problemen kämpft. Die Frage nach einem souveränen Smartphone-Betriebssystem halte ich für wesentlich schwieriger als die Frage nach einer europäischen Linux-Distribution.

Die Petition hat zurzeit knapp 1300 Unterstützer, also fast Null. Dennoch werde ich die Petition unterstützen, weil sie in die richtige Richtung zeigt.

Bildquelle: ChatGPT "Erstelle ein Bild mit einem Tux Pinguin auf der EU-Flagge"

Quellen:

https://www.europarl.europa.eu/petitions/de/petition/content/0729%252F2024/html/-

https://www.heise.de/news/Bund-Lizenzkosten-fuer-Microsoft-auf-hohem-Niveau-insgesamt-neuer-Rekord-9744319.html

https://netzpolitik.org/2023/digitale-souveraenitaet-milliarden-fuer-oracle-microsoft-und-co-statt-fuer-open-source/

https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/koalitionsvertrag-2021-1990800

https://lab.abilian.com/Tech/Linux/Sovereign%20OS%20-%20%22EU%20Linux%22/

https://e.foundation/e-os/

https://murena.com/de/

https://community.e.foundation/t/update-on-murena-io-service-outage/61781


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