Überall fehlen Handwerker – und vielen Betrieben demnächst auch die Führung. Und das sind nicht die einzigen Sorgen, die die Branche plagen.
Im Handwerk fehlt trotz jahrelanger Wirtschaftskrise immer noch eine sechsstellige Zahl von Fachkräften. Ende Dezember waren laut Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) bei den Arbeitsagenturen 125.500 offene Stellen in der Branche gemeldet, wie eine Sprecherin zur Eröffnung der Münchner Handwerksmesse sagte.
Da die Betriebe nicht alle offenen Stellen an die Bundesagentur melden, liegt der tatsächliche Bedarf an Fachkräften nach ZDH-Schätzung noch erheblich höher, und zwar bei deutlich über 200.000. Handwerkspräsident Jörg Dittrich forderte bei der Eröffnung der Messe von der künftigen Bundesregierung durchgreifende Reformen, um die anhaltende Wirtschaftskrise zu überwinden.
Chefs für über 100.000 Betriebe gesucht
Im vergangenen Jahr blieben mehr als 19.000 Lehrstellen im Handwerk mangels geeigneter Bewerberinnen und Bewerber unbesetzt. Gesucht werden jedoch nicht nur Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beziehungsweise Azubis, sondern eine mittlerweile sechsstellige Zahl künftiger Chefs: In Deutschland gibt es über eine Million Handwerksbetriebe. In den kommenden fünf Jahren steht laut ZDH bei rund 125.000 dieser Betriebe – also mehr als zehn Prozent – der Generationswechsel mit der Übergabe an den nächsten Betriebsinhaber an. "Schaut auf's Handwerk, das hat goldenen Boden", sagte der scheidende Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bei der Eröffnungsveranstaltung.
Handwerk beklagt "stilles Sterben"
Das Handwerk ist von der Krise zwar weniger hart getroffen als die Industrie. So schätzte die große Mehrheit der Betriebe ihre Lage Ende vergangenen Jahres noch als zufriedenstellend oder sogar gut ein. Doch sind die Erwartungen für die nähere Zukunft laut dem jüngsten ZDH-Konjunkturbericht gedämpft. Viele Betriebe leiden nicht nur unter Fachkräftemangel, sondern auch unter den Kostensteigerungen der vergangenen Jahre. Insgesamt waren im Handwerk im Jahr 2023 rund 5,6 Millionen Menschen beschäftigt, die Zahl für 2024 liegt noch nicht vor.
Der Zentralverband beklagt ein "stilles Sterben" von Handwerksbetrieben. Nicht wenige Inhaberinnen und Inhaber geben demnach finanziell eigentlich gesunde Betriebe auf – entweder wegen Kostensteigerungen und Belastungen durch Bürokratie, Steuern und Abgaben, oder weil sie keine Nachfolger finden. Der ZDH schätzt, dass im vergangenen Jahr etwa 80.000 Arbeitsplätze im Handwerk verloren gegangen sind – nicht nur, aber auch wegen dieses Sterbens.
"Müssen sein wie die Axt im Walde"
ZDH-Präsident Jörg Dittrich kritisierte die jahrelangen und bislang ergebnislosen politischen Diskussionen um die Verbesserung der deutschen Wettbewerbsfähigkeit: "Ich sehe in der Politik häufig die betroffenen Gesichter, aber von betroffenen Gesichtern können wir uns nix kaufen." Der gelernte Dachdeckermeister forderte von der künftigen Bundesregierung entschlossene Reformen, um den Bürokratiedschungel zu lichten: "Wir müssen sein wie die Axt im Walde."
Doppeltes Spitzengespräch mit Scholz und Merz
Die alljährliche Messe in der bayerischen Landeshauptstadt ist mit knapp 850 Ausstellern die wichtigste Veranstaltung des Handwerks in Deutschland und traditionell Besuchsziel zahlreicher Politiker. Am Freitag treffen der scheidende Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und sein voraussichtlicher Nachfolger Friedrich Merz (CDU) nacheinander die Spitzen der vier wichtigsten deutschen Wirtschaftsverbände.
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