Wie hält es Italiens Ministerpräsidentin mit dem historischen Faschismus in ihrem Land? Eine Distanzierung von Benito Mussolini und seinen Erben steht weiter aus. Ein Zeitungsbericht gibt Anhaltspunkte, wie eng Melonis Partei Fratelli d'Italia weiter mit militanten Rechtsextremisten verbunden ist.
Wer sich fragt, was Italiens Premierministerin Giorgia Meloni davon abhält, sich ein für alle Mal unmissverständlich vom Faschismus zu distanzieren, dem könnte ein Ende August auf der links-liberalen Zeitung "Domani" erschienene Bericht, wenn nicht eine Antwort geben, doch zu einer Vermutung veranlassen.
Vorweg sei daran erinnert, dass Meloni auch Chefin der rechten Partei Fratelli d'Italia (FdI) und dass diese wiederum Nachfolgerin der Partei Movimento Sociale Italiano (MSI) ist. Diese wurde 1946 von ehemaligen Faschisten gegründet. An sie erinnert die auch im Parteisymbol von FdI präsente Flamme.
Die ermordeten Kameraden
Und jetzt zu den Fakten: Ende August veröffentlichte die Tageszeitung "Domani" einen Bericht, in dem es um den Kauf des ehemaligen Parteisitzes der MSI ging. In diesen Räumlichkeiten hatte sich seit etlichen Jahren der rechtsradikale Verband Acca Larenzia niedergelassen.
Der Name Acca Larenzia weist auf die Adresse Via Acca Larentia hin, aber vor allem auf einen tragischen Vorfall, der sich am 7. Januar 1978 ereignete. Vor dem damaligen Parteisitz der MSI wurden drei Mitglieder der rechtsextremen Jugendorganisation Fronte della Gioventù, alle um die 20 Jahre alt, von Mitgliedern einer linksextremen Splittergruppe erschossen.
Der Verband Acca Larenzia gedenkt jedes Jahr am 7. Januar der drei ermordeten Camerati, wie sich die militanten Rechtsextremisten selbst bezeichnen. Dieses Jahr scheuten sie sich nicht, dabei auch die rechte Hand zum Gruß zu erheben und in typischer Fascio-Manier dreimal "presente", anwesend, zu brüllen. Die Fotos der von Scheinwerfern beleuchteten Menge erhobener Arme waren beängstigend und es hieß, die Staatsanwaltschaft habe Ermittlungen wegen Verherrlichung des Faschismus eingeleitet. Was daraus geworden ist, weiß man aber nicht.
Auf der Hauswand des Verbandes liest man im Gedenken an die drei Opfer von 1978: "Vom Hass der Kommunisten ermordet". In den Räumlichkeiten sollen Medienberichten zufolge Memorabilien aus der Zeit des Faschismus aufbewahrt sein.
30.000 Euro Finanzspritze
Offiziell haben die Partei Fratelli d’Italia und der Verband Acca Larenzia nichts miteinander zu tun. Als es aber hieß, die Räumlichkeiten würden zum Verkauf stehen, sprang man dem Verband zur Seite. Beziehungsweise war es die Parteistiftung Fondazione Alleanza Nazionale, wie "Domani" berichtete. Die Stiftung ist Hüter der Geschichte der postfaschistischen Rechten, von der Gründung der MSI bis hin zu den heutigen Tagen. Für die Räumlichkeiten (55 Quadratmeter) wurden 68.500 Euro verlangt, die Stiftung beteiligte sich mit 30.000 Euro, den Rest zahlte der Verband. Im Juli 2023 wurde der Kaufvertrag besiegelt.
Giuseppe Valentino, Vorsitzender der Stiftung Alleanza Nazionale, bestätigte unlängst, dass alles "im Einklang mit dem Verbandsstatut" erfolgt sei. Auch Acca Larenzia bestritt die finanzielle Spritze nicht, bezeichnet jedoch das vom "sogenannten investigativen Journalismus" erreichte Niveau als "niederträchtig und erbärmlich".
Lieber nicht die Verbündeten vergraulen
Wie geschrieben, Stiftung und Partei sind offiziell unabhängige Subjekte. Was aber nicht ganz stimmt. Abgesehen davon, dass die Fondazione Alleanza Nazionale und die Parteizeitung "Secolo d'Italia" den Sitz in der Via della Scrofa haben und somit Tür an Tür mit der Parteizentrale von FdI sind, gehören dem Verwaltungsrat der Stiftung auch hochrangige Parteifunktionäre an. Darunter die Schwester der Premierministerin, Arianna Meloni, und der stellvertretende Präsident des Abgeordnetenhauses, Fabio Rampelli.
Will man sich selbst ein Bild von Acca Larenzia machen, kann man die Facebookseite durchforsten. Hier trifft man auf Begriffe wie Blut und Vaterland; hier wird nicht nur der Camerati mit einem "presente" gedacht. Auch dem SS-Offizier Léon Degrelle und dem im März verstorbenen Neofaschisten und Terroristen Pierluigi Concutelli wird gehuldigt. Letzterem mit dem Satz "Etsi mortuus urit", was frei übersetzt bedeutet, dass sein Gedankengut seinen Tod überlebe.
Abschließend noch einmal zur Anfangsfrage: Warum distanziert sich Meloni nicht unmissverständlich von Faschismus? Vielleicht, weil sie ihre Wähler und Verbündeten nicht vergraulen will. Zu diesen zählen offenkundig auch die Mitglieder von Acca Laurentia.