5 Prozent Verteidigungsausgaben in der Nato: Diese Forderung Donald Trumps will Deutschland künftig erfüllen, sagt der Außenminister. Nur: Was hat er für diese Zusage bekommen?
Ein strahlender Morgen in Belek an der türkischen Riviera, Pinien um das Konferenzzentrum wiegen sich in der Mittelmeerbrise, der neue deutsche Außenminister macht gute Miene zur chaotischen Weltlage. Auch zur Verwirrung in Berlin, zu der Johann Wadephul selbst ein wenig beigetragen hat.
Die News dieses Morgens hat er wie einen Nachgedanken am Ende seines Pressestatements fallen gelassen. US-Präsident Donald Trump habe von den Nato-Alliierten gefordert, die Verteidigungsausgaben auf fünf Prozent hochzufahren. "Wir folgen ihm da." Ob die Amerikaner damit zufrieden sind? Wadephul: "Ich gehe davon aus, dass der Vorschlag mit der US-Seite abgestimmt ist."
Verwirrung in Berlin: nicht abgestimmt
Fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts als Ziel für den deutschen Militärhaushalt? Zuletzt hatte die Bundesregierung regelmäßig große Not, das bisherige Nato-Ziel von zwei Prozent zu erreichen, über drei oder auch dreieinhalb Prozent wird diskutiert – aber fünf?
Wer in Antalya, wo sich die Außenminister der Nato-Staaten zum informellen Austausch treffen, davon ausgeht, dass Wadephuls Statement mit Berlin abgestimmt ist – der irrt. Dort sorgen seine Sätze schon Minuten später für einen echten Paukenschlag.
Der Vorschlag ist natürlich nicht mit dem Mann besprochen, der qua Jobbeschreibung zuständig für den Wehretat ist: Verteidigungsminister Boris Pistorius, SPD. Ach so, und ebenso wenig mit Vizekanzler Lars Klingbeil, SPD, der an diesem Morgen im Bundestag seine Pläne für das Finanzministerium vorstellt. Dass er nun offenbar für den Wehretat mehr als 200 Milliarden bereitstellen soll, was nebenbei um die 40 Prozent des Gesamthaushalts ausmachen würde, hätte er sicher gern früher erfahren. Und nicht nur er, denn mit dem Chef ist die Idee offenbar auch nicht abgestimmt. Friedrich Merz weiß von nichts. "Für den Bundeskanzler gilt, was im Koalitionsvertrag steht", heißt es aus Regierungskreisen.
Und so wabern – nach dem Rentenvorstoß von Arbeitsministerin Bärbel Bas am Wochenende – schon zum zweiten Mal in dieser Woche altbekannte Ampel-Vibes durch die Hauptstadt.
SPD-Politiker nennt Wadephul-Vorstoß "glatter Irrsinn"
Der SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner empört sich: "Es wäre glatter Irrsinn, wenn wir bei solchen Beträgen landen würden." Stegner, der auch abrüstungspolitischer Sprecher seiner Fraktion ist, räumt ein, dass Deutschland bei den Verteidigungsausgaben Nachholbedarf habe. "Wir müssen mehr tun, das ist klar." Fünf Prozent hielte er aber für "falsch".
"Europa wird in Zukunft massiv für seine eigene Sicherheit sorgen müssen", sagt SPD-Außenpolitiker Adis Ahmetovic. "Ich rate allen, dass niemand jetzt allein vorprescht. Der Etat wird gemeinsam im Bündnis zu klären sein. Zudem möchte ich den Außenminister Wadephul an den Koalitionsvertrag erinnern."
An der türkischen Riviera scheint die Sonne. Hier sind die Sorgen andere, größere. Und überhaupt sind die fünf Prozent, die Wadephul meint, keine reinen Militärausgaben. Vielmehr sollen neben den 3,5 Prozent für rein militärische Zwecke wie Panzer und Munition auch weitere 1,5 Prozent für Sicherheitsausgaben im weiteren Sinne zählen. Teuer bleibt der Vorschlag so oder so.
Johann Wadephul hat eine kurze Nacht hinter sich. Kurz vor Mitternacht war er aus dem Luftwaffen-Airbus gestiegen. Das Willkommensabendessen mit seinen Ministerkollegen unter freiem Himmel im Schatten eines antiken Apollotempels hatte Deutschlands Chefdiplomat da schon verpasst. Offizielle Ministervorstellung im Bundestag geht vor Diplomaten-Dinner mit Streichquartett.
Wadephuls heikelster Termin kommt gleich zu Beginn des Nato-Treffens
Für Wadephul ging es in der Türkei ohne Wohlfühlprogramm direkt zu den schwierigen Fragen. Der erste Termin seiner Reise war gleich der wichtigste – und wohl auch heikelste. Das Treffen mit seinem US-Amtskollegen Marco Rubio, früh um 8.30 Uhr, im Golfhotel "Cornelia Diamond".
Die Presse war nicht dabei. Aber man darf sich das als eine Art delikates Abtasten ausmalen, auf gleich zwei Ebenen. Der persönlichen natürlich: Wadephul hat mit Rubio zwar schon telefoniert, aber begegnet waren sich die beiden noch nie. Nun geht es darum, den richtigen Ton zu treffen im direkten Gespräch – mit dem Mann, der Deutschland gerade der "verdeckten Tyrannei" bezichtigt hat, nach der Neueinstufung der AfD durch den Verfassungsschutz.
Noch zentraler aber war für Wadephul die strategische Frage: Stehen die USA noch verlässlich an der Seite Europas und der Ukraine ? Und, wenn ja: Was müssen Deutschland und Europa tun, damit das so bleibt? Auch dazu wird sich der neue Mann im Auswärtigen Amt von Rubio Signale erhofft haben. Und vielleicht fühlte sich Wadephul im Gegenzug dazu ermuntert, ein bisschen deutsches Entgegenkommen zu signalisieren.
Was man wissen muss: Mit "Vorschlag" meint Wadephul die Idee von Nato-Generalsekretär Mark Rutte, die helfen soll, die Kluft zu schließen zwischen den bündnismüden USA und den um ihre Sicherheiten besorgten, aber säumigen Nato-Partnern.
Man kann den Rutte-Plan kurz gefasst auf folgende Formel bringen: 3,5 Prozent für Verteidigung + 1,5 Prozent für Infrastruktur = 5 Prozent. Dieses Ziel bis 2032 zu erfüllen, dazu sollen sich die Europäer und Kanada nächsten Monat beim Nato-Gipfel in Den Haag verpflichten. Um Trump damit einen Sieg zu bescheren, der helfen soll, die US-Zusagen für den Schutz Europas langfristig zu sichern. Und die US-Unterstützung für die Ukraine gleich mit.
Demonstrative Zuversicht – und ein großes Versprechen
Nach dem Treffen mit Rubio, stellt Wadephul mit demonstrativer Zuversicht fest: "Wir haben eine fast vollständige Übereinstimmung in allen wichtigen Fragen, nicht nur die Nato, sondern auch die weltpolitische Lage betreffend feststellen können." Es gebe, sagt der deutsche Außenminister, eine große Entschlossenheit in Europa, über weitere Sanktionen gegen Russland zu entscheiden. "Und ich gehe davon aus, dass auch in den Vereinigten Staaten darüber nachgedacht wird."
Geht die Rechnung auf? Wird die Trump-Regierung gemeinsam mit den anderen Nato-Partnern den Druck auf Russland erhöhen? Nun, wo Putin die Forderung des Westens, an den Verhandlungstisch zu kommen, einmal mehr unterläuft. Wo Präsident Trump – so hoffen sie es zumindest in Berlin, Warschau, Paris und London – doch einsehen muss, dass seine Charme-Offensive bei Putin nicht verfängt. Dass Russland nimmt, ohne zu geben. Dass der Krieg weitergehen wird, wenn es nach Moskaus Vorstellungen geht.
An dieser Hoffnung schmieden sie hier in Belek hinter verschlossenen Türen.