Prowestliche Parteien liegen laut Nachwahlbefragungen bei der siebten Parlamentswahl binnen dreieinhalb Jahren vorn. Finden Rivalen zusammen oder dreht sich die Wahlspirale trotz Weltkrisen weiter?
Bei der vorgezogenen Parlamentswahl in Bulgarien liegen ersten Prognosen zufolge prowestliche Parteien vorn. Für das Mitte-Rechts-Bündnis Gerb-SDS stimmten zwischen 25,1 und 26,4 Prozent der Wählerinnen und Wähler, für das liberal-konservative Bündnis PP-DB 15,4 bis 14,9 Prozent. Das teilten die Meinungsforschungsinstitute Gallup International Balkan und Alpha Research basierend auf Nachwahlbefragungen mit.
Beide Bündnisse wollen an Bulgariens euro-atlantischer Orientierung festhalten und die Ukraine im russischen Angriffskrieg weiter unterstützen. Die beiden rivalisierenden Lager hatten jüngst etwas weniger als ein Jahr lang gemeinsam regiert - allerdings ohne Koalitionsvertrag. Ihre Regierung zerbrach in diesem Frühjahr nach Streit über Reformen, Personalien und den Kampf gegen die Korruption.
Beobachter sehen erneut schwierige Regierungsbildung
Ob jetzt eine ähnliche Koalition zustande kommen kann, war am Wahlabend noch offen. Allerdings versicherte Gerb-Chef Boiko Borissow vor der Abstimmung, dass seine Partei alle Kompromisse eingehen werde, damit es eine Regierung gibt. Das PP-DB-Lager lehnt Borissow als künftigen Regierungschef ab, da es ihm korrupte Amtsführung bei seinen drei Regierungen bis 2021 vorwirft.
"Die Bildung einer neuen Regierung wird sowohl mathematisch als auch politisch sehr schwierig sein", sagte der Direktor von Gallup International Balkan, Parwan Simeonow, dem Staatsrundfunk in Sofia. Ins neu gewählte Parlament mit 240 Sitzen dürften den Prognosen zufolge mindestens sieben und höchstens neun Parteien einziehen. Die prorussische, nationalistische und populistische Partei Wasraschdane (Wiedergeburt) könnte mit zwischen 13,8 und 12,9 Prozent der Stimmen auf Platz drei landen und dürfte bei der Regierungsbildung kaum eine Rolle spielen.
Bleibt Bulgarien unregierbar?
Die Bulgarinnen und Bulgaren hatten erst im Juni ein neues Parlament gewählt, doch keine Partei konnte eine reguläre Regierung bilden. Ein Interimskabinett wurde eingesetzt.
Bulgarien ist seit fast 18 Jahren EU-Mitglied. Das Land mit rund 6,7 Millionen Einwohnern hat viele Baustellen, wie etwa Korruptionsbekämpfung und Justizreform. Zudem geriet die Nutzung der Gelder aus dem EU-Wiederaufbauplan wegen der politischen Krise ins Stocken, da wichtige Gesetze fehlten. Ein Scheitern bei der Regierungsbildung könnte auch den jetzt für Mitte 2025 angestrebten Beitritt zur Eurozone komplizieren.
"Eine weitere Neuwahl würde Bulgariens Image als unregierbares Land weiter festigen", sagt die Vize-Direktorin des European Council on Foreign Relations (ECFR), Wessela Tschernewa, der Deutschen Presse-Agentur in Sofia vor der Wahl. Das Balkanland hatte seit 2021 in der Tat nur zwei kurzlebige reguläre Regierungen, dafür aber mehrere Übergangskabinette. Mit aussagekräftigen amtlichen Zwischenergebnissen zur Wahl wird am Montag gerechnet.