Das Wasser der Seine ist zu dreckig, der Triathlon muss verschoben werden – das ist ärgerlich für die Athleten. Und doch hat es auch etwas Gutes: Es richtet den Blick auf das eigentliche Problem.
Die Seine werde zu den Olympischen Spielen sauber sein – das versichern die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo und ihr Gefolge zuverlässig seit über einem Jahr. Jetzt macht das Wetter einen Strich durch die Rechnung. Die starken Regenfälle der vergangenen Tage haben zu viel Dreck und Bakterien in den Fluss gespült, die Triathleten dürfen nicht ins Wasser. Der Wettbewerb ist verschoben – möglicherweise muss er zu einem Duathlon schrumpfen, Laufen, Radfahren, Laufen.
Das ist ärgerlich für die Sportlerinnen und Sportler. Zumal es offenbar in Paris noch keinen alternativen Austragungsort zu geben scheint. Andererseits ist das auch nicht ganz einfach: Die Sportart verlangt bekanntlich nach einem Gelände, in dem alle drei Disziplinen vereinbar sind.
Wir sollten dem Triathlon dankbar sein
Sicher, man kann jetzt darüber lamentieren, ob es den Veranstaltern wichtiger war, an der Idee vom Schwimmen vor schönster Kulisse festzuhalten, als über einen Plan B nachzudenken. Aber eigentlich sollten wir dem Triathlon dankbar sein. Seit Jahren macht er uns auf einen Skandal aufmerksam, der sonst kaum Beachtung findet: Unsere Gewässer sind inzwischen rund um den Globus so stark verschmutzt, dass Schwimmsport im Freien immer schwieriger wird. Vergangenes Jahr in England fingen sich die Sportler im Meer Magen-Darm-Erkrankungen ein. Auch bei den Spielen in Tokio sorgten Bakterien für Probleme. Die Liste ließe sich fortsetzen.
Paris hat 1,4 Milliarden Euro in die Verbesserung der Wasserqualität investiert. Gut angelegtes Geld, gewiss. Doch Experten warnten von Beginn an: Starkregen oder Gewitter können die Messwerte von einem Tag auf den anderen verhageln. Die Eröffnungsfeier auf der Seine machte ein anderes Problem sichtbar: Paris hatte nicht bloß ein verregnetes Wochenende. Seit März leidet Frankreich unter Hochwasser und Überschwemmungen. Bereits im vergangenen Jahr war der Niederschlag ungewöhnlich stark. In diesem Jahr erlebte das Land den nassesten Frühling seit 15 Jahren.
Flüsse sind keine Schwimmbäder
Der Klimawandel ist da. Und wenn er jetzt Großereignisse wie die olympischen Spiele "stört", kann man nur sagen: Gut so. Das gleiche gilt für die Seine. Flüsse sind keine Schwimmbäder. Wenn an einer Stelle Dreck reingekippt wird, landet er zwangsläufig irgendwo. Seit Jahren fordern Umweltschutzorganisationen darum, Flüssen das "Recht auf Sauberkeit" zuzusprechen. Der Mensch, die Industrie und vor allem die Politik wären dann gesetzlich dazu verpflichtet, dieses Recht zu gewährleisten. Der Skandal ist nicht, dass Paris es nicht geschafft hat, pünktlich zu Olympia seinen Fluss zu säubern. Der Skandal ist, dass es diese Gesetz nicht längst gibt.
"Imagine" – bei der Eröffnungsfeier summten IOC-Funktionäre, Regierungschefs und Sponsoren aus aller Welt einträchtig John Lennons Hymne mit. Stellen wir uns also vor: Die Gewinne der Olympischen Spiele würden dem Klima- und Umweltschutz der Austragungsorte zugutekommen, muss ja nicht alles sein, ein Teil reicht. Dazu noch die Millionen-Gehälter – pardon, Aufwandsentschädigungen – der IOC-Mitglieder. Stellen wir uns vor: Großkonzerne würden ihre ökologische Verantwortung endlich ernst nehmen und sich nicht mit Pappbechern und anderem Green-Washing-Zeug freikaufen. Stellen wir uns vor: Die Politik würde sie dazu finanziell verpflichten. Stellen wir uns vor, nicht nur Klimaabkommen würden verabschiedet, sondern gleichzeitig auch Gesetze, die wirken. Nicht nur die Triathleten hätten weniger Probleme, saubere Flüsse zu finden. Imagine.