Michelle und Barack Obama erklären beim Parteitag der Demokraten glasklar, was sie von Donald Trump halten: weniger als nichts. Harris arbeite für das Wohlergehen der anderen, der Republikaner nur für sich selbst. Begeisterung greift um sich.
Etwas Magisches liege in der Luft. So beginnt Michelle Obama ihre Rede und fügt hinzu: "Hoffnung hat ein Comeback." Die Halle liegt ihr da schon fast zu Füßen. Die Ehefrau des Ex-Präsidenten bekommt einen großen Auftritt beim Parteitag der Demokraten und zeigt, warum. Als hätte sie nie etwas anderes getan, als solche Reden vor Tausenden von Menschen zu halten. Dass sie Kamala Harris als "eine der qualifiziertesten Personen überhaupt" für die Präsidentschaftskandidatur lobt, als "Verkörperung des Landes", das sind Nebensächlichkeiten. Aber wie sie Trump vollkommen souverän aufs Korn nimmt, sticht heraus.
Überall blinken farbige LED-Lichter an den Sitzen der Halle, zuvor hatten die Bundesstaaten symbolisch ihre Vorwahlstimmen für Harris verkündet. Schon da wird deutlich: Der Optimismus, der die Kandidatin durch ihre ersten Wochen trug, hat sich auf den Parteitag übertragen und am zweiten Tag sogar noch verstärkt. Als hätte der Auftritt von Präsident Joe Biden, der so etwas wie ein Adieu an die Partei war, die Emotionen bis ans Äußerste aufgeladen. Michelle Obama kanalisiert sie. Mit einer ausgeruhten und messerscharfen Rede.
Jahrelang habe Donald Trump alles in seiner Macht Stehende versucht, damit die Menschen die Obamas fürchteten. "In seiner eingeschränkten Weltsicht fühlte er sich bedroht von erfolgreichen, gut gebildeten Menschen, die zufällig Schwarz waren." Eben das hatte Trump vor wenigen Wochen über Harris gesagt, sie sei "zufällig Schwarz" geworden. Michelle nimmt einen geschickten Weg, über ihre Hautfarbe zu reden, ohne über Rassismus zu reden.
Die Delegierten lachen, jubeln, aber Michelle setzt noch eine Pointe obendrauf, betont beiläufig: "Ich will wissen, wer ihm sagen wird, dass der Job, den er will, einer dieser Schwarzen Jobs sein könnte." Die Halle flippt geradezu aus. Es ist eine Anspielung: Trump hatte gesagt, Einwanderer würden "Schwarze Jobs" wegnehmen, von der "Invasion" sei die Schwarze Bevölkerung besonders betroffen. Michelle agiert danach auch als Antreiberin, erinnert die Demokraten daran, dass sich ein Wahlsieg erarbeitet werden müsse. Ihre Aufforderung "Macht etwas!" keimt zum Schlachtruf im Wechsel von Michelle und den Delegierten. Schlussendlich kündigt sie ihren Mann an, den Präsidenten und "die Liebe meines Lebens".
Ergraut im Groove
Der ergraute Barack gibt ihr Küsschen, bringt sie zum Lachen, sie verabschieden sich. Dann steht er da, einer der Großen der Partei, der erste Schwarze Präsident der Vereinigten Staaten, dem nun eine besondere Rolle zukommt: Er soll erklären, warum Kamala Harris nach ihm die erste Schwarze und die erste Frau werden soll, die ins Weiße Haus einzieht. Der Jubel der Delegierten steigert sich bis ins Klirren, und der sichtlich ergriffene Barack winkt mehrmals ab. "Das reicht jetzt!", sagt er.
Auch Barack dachte, dass er an dieser Stelle für seinen früheren Vizepräsidenten sprechen würde, aber die Dinge haben sich geändert. Biden verzichtete. "Er hat seinen Ehrgeiz für das Land beiseitegelegt", lobt Barack. Er preist Bidens Empathie und Anstand, der zudem die Demokratie in schweren Zeiten verteidigt habe. "Ich bin stolz darauf, ihn meinen Freund zu nennen." Die Delegierten skandieren: "Thank you, Joe!"
Obama ist erst 63 Jahre alt, aber schon seit acht Jahren auf dem politischen Altenstand. Im Jahr 2004 hatte er in einer emotionalen Rede für den damaligen Präsidentschaftskandidaten John Kerry geworben. Er sprach von den "possibilities", welche die Vereinigten Staaten böten; etwas, das Joe Biden zu einem seiner Schlüsselsätze machen würde. Obama sprach von seinem Glauben daran, dass es um das ganze Land gehe, nicht nur um den Einzelnen. "Machen wir bei einer zynischen Politik mit? Oder einer Politik der Hoffnung?"
Diese Fragen hätte er auch 20 Jahre später in Chicago stellen können. Dort gibt Obama seiner Rede eine eigene Dynamik. Er brüllt nicht, wird nicht monoton. Er spricht verständlich, unterfüttert Sachargumente mit Menschlichkeit und Werten des Zusammenhalts. Je länger sein rund 40-minütiger Auftritt dauert, desto mehr findet er in seinen typischen Groove, macht Kunstpausen, lässt Dinge sacken. "Die Menschen, die diese Wahl entscheiden werden, fragen sich: Wer wird für mich kämpfen? Wer denkt über meine Zukunft nach?", mahnt er. "Trump hat wegen dieser Fragen keine schlaflosen Nächte." Er sei ein "78-jähriger Milliardär, der nicht aufhört, über seine Probleme zu heulen".
"Wir haben diesen Film schon gesehen"
Obama ist auch Unterhalter. Als er sagt, Trump habe eine "seltsame Besessenheit mit der Größe von Menschenmengen", pausiert er kurz - und zeigt mit seinen Händen die Länge eines imaginären Objekts oder Körperteils; die Anwesenden amüsieren sich. Der Republikaner sei wie ein Nachbar, der jede Minute des Tages mit dem Laubbläser vor dem Fenster steht, habe er jemanden sagen gehört: "Das ist ermüdend." Die Amerikaner bräuchten nicht vier weitere Jahre von Unbeholfenheit und Chaos, meint Obama. "Wir haben diesen Film schon gesehen und wir alle wissen, dass die Fortsetzung meist schlechter ist."
Die USA seien "bereit für eine neue Geschichte", und die sei Harris. Die sei nicht privilegiert geboren worden, komme aus der Mittelschicht. Harris werde "nicht diejenigen bestrafen, die nicht ihren Ring küssen oder niederknien". Auch das ist ein Hieb in Richtung Trump. Obama hatte seine Unterstützung für Harris bis zuletzt zurückgehalten, ganz nach seinem Prinzip, sich aus dem Ruhestand nicht in die Tagespolitik einzumischen. Er stellte sich erst hinter sie, als der Vizepräsidentin die Kandidatur nur noch theoretisch zu nehmen war. Dabei kennen sich beide schon seit 20 Jahren, sollen befreundet sein. Harris war eine der ersten Unterstützerinnen Obamas aus der Partei.
Als der nun den Anwesenden erklärt, wie Harris für höhere Löhne von Arbeitern und das Ende der geschlechtsabhängigen Bezahlung kämpfen werde, ertönt eine einsame Frauenstimme: "Yes, she can!", was Obama sofort aufgreift und wiederholt; die Delegierten skandieren es kurz darauf in der ganzen Halle. Er grinst, schließlich ist es eine Anlehnung ein sein Wahlkampfmotto von 2008. Obama kommt langsam, aber sicher zum Ende, für die Wahl im November zeigt er sich hoffnungsvoll. "Überall in Amerika, in Großstädten und Kleinstädten, weit weg von all dem Lärm sind die Bande, die uns verbinden, immer noch da." Die große Mehrheit wolle nicht in einem Land leben, das verbittert und gespalten sei. "Lasst uns an die Arbeit gehen", fordert er die Demokraten auf. Dann winkt er ein wenig ins jubelnde Rund - und läuft locker von der Bühne.