3 months ago

"Nichts erzürnte ihn noch mehr": So könnte Trump seine Gegner verfolgen lassen



Schafft es Donald Trump ein weiteres Mal ins Weiße Haus, wäre kaum jemand vor einem potenziellen Rachefeldzug sicher. Der Schlüssel dazu ist das Justizministerium.

Vor acht Jahren riefen Donald Trumps Anhänger "sperrt sie ein". Sie meinten Hillary Clinton, die Präsidentschaftskandidatin der Demokraten. Dieses Mal hantiert der Republikaner mit einer ganzen Reihe solcher Forderungen: Präsident Joe Biden solle wegen Korruption angeklagt werden, die Demokratin Nancy Pelosi für die Börsengeschäfte ihres Mannes, die Vizepräsidentin und Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris für die Immigration über die US-Südgrenze. Auch werde er gegen Google ermitteln lassen, sollte er die Wahl gewinnen, kündigte Trump an, da die Suchmaschine nur "schlechte" Artikel über ihn und "gute" über seine Kontrahentin, "Kameradin Harris" anzeige. Vor einem Monat drohte er sogar Demokraten ganz allgemein.

Wie so häufig bei Trump ist es schwierig zu unterscheiden, wie ernst er etwas meint. Ist das alles nur überdrehtes Wahlkampfgetöse? Oder hat er tatsächlich vor, königsgleich seine juristischen Häscher loszuschicken? Formal ist die Lage klar: Zieht Trump erneut ins Weiße Haus ein, kann er seine Ankündigungen wahr machen und seine politischen Gegner verfolgen lassen. Es gibt inzwischen schon ganze Listen, die seine Drohungen zusammenfassen. Zwar gilt das US-Justizministerium als relativ unabhängig. Festgeschrieben ist dies jedoch nicht. Die einzige Möglichkeit, Präsidenten davon abzuhalten, sich in strafrechtliche Ermittlungen einzumischen ist, wenn sie sich selbst einschränken.

Wie könnte das also ablaufen? Unter allen Vorhaben für eine mögliche zweite Amtszeit ist Trumps Priorität laut "Wall Street Journal", das Justizministerium "auseinanderzunehmen". Nichts habe ihn in seiner ersten Amtszeit "mehr motiviert oder erzürnt als sein Verhältnis mit dem Ministerium", schreibt das US-Medium. Trump hatte das Ressort immer wieder unter Druck gesetzt, in seinem Sinne zu ermitteln. Nach einer Amtseinführung im Januar 2025 wäre es der Schlüssel für seine Rache. Der Justizminister ist in den USA zugleich der oberste Staatsanwalt des Landes.

Ministerium gefügig machen, Loyalisten installieren

Zunächst würde Trump einen loyalen Justizminister sowie andere Führungskräfte für das Justizministerium nominieren. Nach der Bestätigung durch den Senat unterstehen ihm damit auch die Kriminalpolizei FBI und die Bundesstaatsanwaltschaft. Auch wenn ein möglicherweise von Demokraten kontrollierter Kongress blockieren sollte, kann Trump daran vorbei eine Notbesetzung anordnen. FBI-Chefs bleiben üblicherweise für zehn Jahre im Amt und sollen so gewährleisten, dass der Behördenchef nicht zum politischen Akteur wird. In seiner ersten Amtszeit ersetzte Trump den FBI-Direktor James Comey durch Christopher Wray. Der sitzt noch immer an der Spitze der Behörde.

Auch die rund zwei Millionen Staatsbediensteten arbeiten bislang regierungsunabhängig, nur rund 4000 Posten gelten als politisch und werden bei einem Regierungswechsel neu besetzt, schreibt die "New York Times" in einer Analyse. Es käme also darauf an, ob sich einzelne Mitarbeiter gegen den Präsidenten stellen und damit potenziell ihren Job aufs Spiel setzen.

Auch dort kann Trump ansetzen: Kurz vor der Wahl vor vier Jahren hatte er noch als Präsident per Dekret angeordnet, zukünftig zehntausende Stellen nach politischen Gesichtspunkten zu besetzen. Da Biden gewann, wurde dies nicht umgesetzt. Doch bei einer zweiten Amtszeit könnte der Republikaner die Neuregelung wieder aus der Schublade holen, Mitarbeiter in Behörden bis auf untere Ebenen brandmarken und sie mittelfristig durch Loyalisten ersetzen.

Dies ist nur die Voraussetzung dafür, was folgen könnte. Trump kann Ermittlungen gegen politische Gegner anordnen, etwa angeführt von einem Staatsanwalt. Auch wenn solche Schritte zu nichts führen, können sie Schaden anrichten: Es kostet in jedem Fall viel Geld, sich mit Anwälten juristisch zu wehren. Um eine Anklage zu verhindern, müssten sich FBI-Mitarbeiter oder Staatsanwälte querstellen, etwa fehlende Beweise anführen oder den Kongress anonym unter Schutz des Whistleblower-Gesetzes informieren.

Begnadigungen als Schutzschild

Selbst ohne ausreichende Beweise und ohne abschließende Anklage können Ermittlungen über einen längeren Zeitraum stattfinden; schließlich hat ein US-Präsident enormen Spielraum in der Ausübung seines Amtes. Die Staatsanwälte können eine mögliche Anklage zudem an Bundesgerichten einreichen, wo potenziell freundlich gesinnte Richter sitzen. Auch die werden von US-Präsidenten nominiert. Dafür hat sich Trump immer wieder gerühmt. Er hatte in seiner ersten Amtszeit rund zehn Prozent der Bundesrichter nominiert.

Im Falle einer Anklage entscheidet zunächst eine Jury darüber, ob sie zugelassen wird, was meistens der Fall ist. Daraufhin übernimmt ein Richter die Kontrolle. Dieser entscheidet unter anderem darüber, welche Beweise er im Prozess zulässt, er kann Razzien anordnen oder auch frühzeitig den Prozess beenden, falls er die Anklage für politisch motiviert hält. Kommt es zur Hauptverhandlung und zu einem Schuldurteil, könnten die Verteidiger dagegen vorgehen und am Ende vor dem Supreme Court landen. Der hat eine deutlich konservative Schlagseite. Drei der neun Richter wurden von Trump nominiert.

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Sollten Mitarbeiter auf diesem Weg doch Skrupel bekommen, Trumps Anordnungen zu folgen, könnte er ihnen mindestens versprechen, sie zu beschützen. Ein US-Präsident kann Begnadigungen aussprechen, auch vorsorglich. Im Januar 2021, in den letzten Tagen seiner ersten Amtszeit, hatte Trump davon ausgiebig Gebrauch gemacht und 116 seiner insgesamt 237 Begnadigungen ausgesprochen. Dazu gehörten unter anderen der konservative Berater Roger Stone und Trumps frührerer Berater im Weißen Haus, Steve Bannon.

Da der Supreme Court im Juli entschied, dass Trump weitreichende Immunität besitzt, könnte er für einen Missbrauch solcher Begnadigungen aller Voraussicht auch nicht belangt werden. Doch das Urteil des Obersten Gerichts bezog sich auf alle US-Präsidenten. Damit ist es ein Schild, das zumindest Joe Biden ein wenig vor Trumps möglicher Rache schützt. Alle anderen müssen sehen, wo sie bleiben.

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