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E-Scooter und Leihräder gehören vielerorts zum Stadtbild. In London kommen jetzt elektrische Mini-Autos dazu. Könnte das den innerstädtischen Verkehr revolutionieren?
In einer Art robustem Golfcart geht es in rasanter Fahrt durch den West-Londoner Stadtteil Fulham. Wobei "rasant" relativ ist, denn der Wagen fährt maximal 30 Kilometer in der Stunde. Aber dadurch, dass das Cart an den Seiten offen ist, fühlt es sich deutlich schneller an.
Es ist eine Testfahrt in einem Yo-Go Buggy, die von London aus den innerstädtischen Verkehr revolutionieren sollen. Zehn elektrische, knallgelbe Carts sind in West-London seit ein paar Monaten verfügbar. Anwohner können sie per App mieten und zahlen umgerechnet 24 Cent pro Minute: das gleiche System also, das die vielen E-Fahrräder und E-Roller Firmen nutzen, die in London so erfolgreich sind.
Praktisch und umweltfreundlich
Samuel Bailey ist der Erfinder und Mitgründer der Yo-Go-Carts. Zwei Drittel aller Autofahrten in London seien unter fünf Kilometern lang, sagt er: Kinder zur Schule bringen, Einkäufe tätigen, Besorgungen machen. Diese Fahrten seien der Hauptgrund für die Emissionen und den dichten Verkehr. "Wir wollten ein Verkehrsmittel schaffen, das es den Menschen ermöglicht, auf ein energiesparendes und emissionsarmes Fahrzeug umzusteigen, das dem Auto ähnlicher ist als ein Fahrrad oder Roller", sagt Bailey.
Die Bedienung des Carts ist einfach. Es gibt ein Lenkrad und zwei Pedale - "Stopp" und "Go" -, Vorwärtsgang, Rückwärtsgang und Leerlauf. Erster Eindruck: Es macht total Spaß, man fühlt sich wie in einem Freizeitpark. Aber darum geht es natürlich nur zweitrangig, zuallererst muss sich das Cart im Londoner Verkehr beweisen, in dem es von Lkw und Doppeldeckerbussen in den Schatten gestellt wird. Obwohl man darin einer der "kleinsten" Verkehrsteilnehmer ist, fühlt man sich recht sicher. Die Buggys sind trotz mangelnder Türen robust und stechen durch die knallgelbe Farbe heraus, sodass es unwahrscheinlich ist, von anderen Verkehrsteilnehmern übersehen zu werden.
Mehr Mini-Autos gleich mehr Platz?
"Ich fühle mich manchmal wie ein Promi, wenn ich eines der Carts fahre", sagt Klenda Sørensen, die von Beginn an Yo-Go-Nutzerin ist. "Ich kriege oft eine Sonderbehandlung, andere Fahrer lassen mich vor, winken mir sogar zu", sagt sie. Sørensen nutzt die Mini-Autos vor allem, um ihre Kinder nach der Schule zu ihren Freizeitaktivitäten zu bringen und zum Einkaufen.
Einer der größten Vorteile gegenüber einem normalen Auto sei das Parken, sagt Sørensen. Denn durch ihre geringe Größe passen die Carts selbst in kleinste Parklücken. Außerdem hat die Gemeinde in Fulham, die das Pilotprojekt unterstützt, den Yo-Go Buggys kostenloses Parken im ganzen Bezirk ermöglicht. Ein großer Pluspunkt, denn das Parken in London ist teuer.
Andere Anwohner sind weniger glücklich darüber. Es gäbe sowieso schon so wenige Parkmöglichkeiten, sagt eine Dame, die gerade ihren Pkw parkt. Da würden die E-Carts das Problem verschlimmern. Gründer Samuel Bailey sieht das anders. In eine Parklücke würden statt einem Auto vier Carts passen, sagt er: "Das heißt, je mehr Leute diese Fahrzeuge nutzen, desto mehr Parkplätze werden auch frei für andere."
Passt in jede Parklücke: Wo sonst ein Auto steht, könnten gleich mehrere Yo-Go Buggys Platz finden.
Funktioniert (noch) nicht in jeder Stadt
Samuel Bailey würde das Pilotprojekt gern ausweiten. Allerdings wird es wohl nicht überall so günstige Bedingungen für die Mini-Autos geben wie in Fulham. Zum Beispiel liegt in London die Geschwindigkeitsbegrenzung fast überall bei 20 Meilen, also 30 Kilometer pro Stunde. Das ist auch die Höchstgeschwindigkeit der Yo-Go Carts, die dadurch nicht langsamer sind als andere Verkehrsteilnehmer. In anderen Städten, zum Beispiel auch in Deutschland, wo auch innerstädtisch meist 50 Kilometer pro Stunde üblich sind, könnte das zum Hindernis werden.
Samuel Bailey will sich davon aber nicht abhalten lassen. Er will mit den E-Buggys nicht nur der Umwelt helfen, sondern gleich den ganzen Verkehr revolutionieren: "Ich möchte, dass sich die Stadtzentren anders anfühlen", sagt er. Alle Fahrzeuge sollten so gestaltet sein, dass Fußgänger und Radfahrer sicher und einfach mit ihnen interagieren können. "Und je mehr Platz wir sparen, desto angenehmer wird das Leben in der Stadt."
Blick ins Yo-Go-Cockpit: Die kleinen E-Flitzer fahren maximal 30.
Von London Stück für Stück die Städte erobern
Das Feedback zu den Yo-Go Carts ist laut Samuel Bailey bis jetzt überwiegend positiv. In den ersten Monaten hätten sich etwa 4.000 Menschen bei der App angemeldet, pro Tag werde jedes Fahrzeug zwei bis dreimal ausgeliehen.
Wenn es weiter gut läuft, möchte er dieses Jahr noch auf 50 Fahrzeuge aufstocken und dann in weitere Londoner Bezirke und britische Städte expandieren. Langfristig könne er sich die gelben Carts dann auch in europäischen Großstädten vorstellen. Bis dahin werden aber wohl noch einige Hürden zu überwinden sein.