11 hours ago

Der größte Spreewaldgurken-Produzent wird wohl schließen



Reportage

Stand: 03.03.2025 06:32 Uhr

Eingelegte Gurken aus dem Spreewald haben Kultstatus. Nun will der größte Hersteller die Produktion in Golßen in Südbrandenburg einstellen - und ein ganzer Ort bangt um seine Identität.

Von Jacqueline Piwon, rbb

33 Europaletten lädt Uwe Hannig auf seinen Lkw - die nächste Ladung Spreewaldgurken geht nach Berlin. Aber auch Apfelmus und Rotkohlgläser sind auf den Paletten. Alles Produkte, die im brandenburgischen Golßen produziert werden, etwa 50 Kilometer südlich der Hauptstadt. "Die Konserve" wird der Betrieb liebevoll von den Ortsansässigen genannt.

Hannig arbeitet seit 31 Jahren als Lkw-Fahrer bei der Spreewaldhof GmbH. Die Nachricht vom Ende des Produktionsstandortes kam für alle hier überraschend. "Wenn das auf einmal vorbei sein sollte, das tut schon weh", sagt er. "Es war ein Schock, und es ist eigentlich unfassbar."  

Seit 80 Jahren im Ort

Mit dieser Meinung ist er nicht allein. Die Stimmung in der Belegschaft ist angespannt, aber noch will keiner so richtig wahrhaben, dass es den Standort in Golßen bald nicht mehr geben soll. Das Unternehmen ist seit knapp 80 Jahren im Ort, viele sind mit dem Geruch der eingelegten Gurken groß geworden, jeder kennt jemanden, der hier arbeitet. Die Kantine des Betriebs ist öffentlich zugänglich und versorgt neben den Mitarbeitern auch viele weitere ortsansässige, unter anderem auch die Senioren-Tagespflege, mit einem warmen Mittagessen.   

Die geplante Schließung des Standortes ist Gesprächsthema Nummer eins, auch vor der Kantine des Betriebs. "Für die Region ist das ganz schlimm, wenn die Spreewaldgurke aus Golßen verschwindet" sagt Lkw-Fahrer Hannig. Miriam Jentsch stimmt zu, sie arbeitet in der Verwaltung des Spreewaldhofs, ist seit 26 Jahren dabei, ihr Mann noch länger. 

Der 2.500-Einwohner-Ort lebt von der Gurkenproduktion, jeder hier hat Kindheitserinnerungen, die mit der Gurke zusammenhängen. "Wir sind nun mal eine Familie, Spreewaldhof-Familie, man ist so zusammengewachsen." 

Gesunkene Nachfrage, schwieriges Geschäft

Die Kultgurke rechne sich an diesem Standort nicht mehr, heißt es vom Mutterkonzern. 2021 war die Spreewaldkonserve GmbH vom französischen Unternehmen Andros übernommen worden. Das Management spricht von Umsatzrückgängen von mehr als 8 Prozent in den vergangenen Jahren. Das liege unter anderem an gestiegenen Energie- und Rohstoffpreisen sowie an der gesunkenen Nachfrage. Auch die negativen Rahmenbedingungen durch die Corona-Pandemie den Ukraine-Krieg spielten eine Rolle.  

Allerdings ist der Markt für Konserven offenbar insgesamt schwierig. Branchenbeobachter attestieren: Das Konservengeschäft sei geprägt von einer niedrigen Nachfrage, von niedrigen Preisen für die Produkte und von niedrigen Gewinnmargen.

"Da hängt Identität mit dran"

Nach den Plänen des französischen Mutterkonzerns soll die Gurke nur noch saisonal an einem anderen Standort in der Nähe produziert werden. Das Werk in Golßen soll nur noch ein Logistikstandort sein. Dass das funktioniert, bezweifelt die Bürgermeisterin von Golßen Andrea Schulz (Unabhängige Bürgerliste). Sie hatte sich nach einer Solidaritätskundgebung an den Mutterkonzern Andros gewandt und darum gebeten, die Entscheidung nochmal zu überdenken.

"Wir sind alle noch engagiert und glauben noch an unser kleines Gurkenwunder", sagt Schulz. "Es hängt schon sehr viel mehr dran als nur die Gurke, da hängt Identität mit dran, Zukunft, Perspektive." Ihr sei klar, dass nicht alle Arbeitsplätze erhalten werden können, für den Ort sei es aber wichtig, dass der Standort erhalten bleibe, so die Bürgermeisterin.  

Das Ende der Spreewaldgurke insgesamt wäre es allerdings nicht. In der Region gibt es noch weitere Hersteller der Spreewaldgurke. Der Spreewaldhof in Golßen war bisher aber der größte Produzent des Kultgemüses. 

Adblock test (Why?)

Gesamten Artikel lesen





© Varient 2025. All rights are reserved